Klassiker (Radsport)

Klassiker (Radsport)

Als Klassiker werden im Radsport besonders bedeutende und traditionsreiche Eintagesrennen für Profi-Radrennfahrer bezeichnet.

Die wichtigsten klassischen Eintagesrennen finden überwiegend während zweier zeitlicher Schwerpunkte statt: Im März und April werden vor allem in Belgien und Nordfrankreich die sogenannten Frühjahrsklassiker ausgetragen. Sie sind häufig von Kopfsteinpflasterpassagen (Pavés bzw. Kasseien), steilen und kurzen Anstiegen, sowie starken Wettereinflüssen geprägt. In der zweiten Jahreshälfte folgen die Herbstklassiker.

Mailand–Sanremo: Das Hauptfeld in Diano Marina 2004
Flandern-Rundfahrt: Roger De Vlaeminck am Koppenberg
Paris-Roubaix: Pavé de Camphin-en-Pévèle
Lüttich-Bastogne-Lüttich: Andy Schleck an der Côte de la Roche-aux-faucons
Lombardeirundfahrt: Streckenplan 2008.
Rund um den Henninger-Turm 2005: an dritter Stelle der spätere Sieger Erik Zabel

Inhaltsverzeichnis

Definition

Obwohl der Begriff Klassiker weder geschützt noch genau definiert ist, lassen sich doch mehrere traditionsbildende Faktoren benennen, die für das Prestige der Radrennen entscheidend sind:[1] das Jahr der Erstaustragung - möglichst vor dem Ersten Weltkrieg -, eine hohe Anzahl von Austragungen, ein während der verschiedenen Auflagen weitgehend unveränderter, von den Anforderungen typischer ("klassischer") Streckenverlauf[2], die Anerkennung in der Öffentlichkeit und die Qualität der Siegerliste.

Die „Monumente des Radsports“

Charakteristik der Strecken

Die bedeutendsten Klassiker sind die fünf „Monumente des Radsports“, welche alle erstmals vor dem Ersten Weltkrieg ausgetragen wurden und haben ein beeindruckendes Palmarès aufzuweisen.[3] Jedes dieser Rennen hat eine besondere Charakteristik: Mailand-Sanremo („la classicissima“) wird bei meist schönem Wetter an der italienischen Riveria oftmals zugunsten der Sprinter entschieden. Die Flandern-Rundfahrt („de ronde“) wird dagegen bei oft schlechtem Wetter durch kurze, steile Anstiege auf Kopfsteinpflaster, den Hellingen, geprägt. Paris–Roubaix („Hölle des Nordens“) ist völlig flach und bezieht seine besondere Schwierigkeit aus den ca. 50 Kilometern oftmals extrem groben Pflasterpassagen, dem Pavé. Das älteste Monument, Lüttich–Bastogne–Lüttich („la doyenne“), wird in den wallonischen Ardennen mit zahlreichen steilen, meist kürzeren, teils aber auch bis zu 4 Kilometer langen Anstiegen ausgetragen. Den Abschluss bildet die Lombardei-Rundfahrt „Rennen der fallenden Blätter“), welche ebenfalls auf hügeligen Terrain stattfindet, jedoch mit weniger, dafür im Schnitt längeren Steigungen.

Palmarès

Nur drei belgischen Rennfahrern gelang es bisher, bei allen fünf Rennen mindestens einmal zu gewinnen. Zunächst gelang dies Rik Van Looy, der zwischen 1958 und 1965 insgesamt acht Siege erreichte. Danach konnten nebeneinander Eddy Merckx (zwischen 1966 und 1976) sowie Roger De Vlaeminck (zwischen 1970 und 1979) alle Eintagesrennen gewinnen. De Vlaeminck gewann insgesamt elf der Klassiker, Merckx gewann insgesamt 19 Mal (und bei jedem Rennen mindestens zweimal).

Rennen Erstaustragung Rekordsieger heutiger Termin
ItalienItalien Mailand–Sanremo 1907 BelgienBelgien Eddy Merckx (sieben Siege) März – dritter Samstag
BelgienBelgien Flandern-Rundfahrt 1912 BelgienBelgien Achiel Buysse, BelgienBelgien Eric Leman, ItalienItalien Fiorenzo Magni und BelgienBelgien Johan Museeuw (je drei Siege) April – erster Sonntag
FrankreichFrankreich Paris–Roubaix 1896 BelgienBelgien Roger De Vlaeminck (vier Siege) April – zweiter Sonntag
BelgienBelgien Lüttich–Bastogne–Lüttich 1892 BelgienBelgien Eddy Merckx (fünf Siege) April – vierter Sonntag
ItalienItalien Lombardei-Rundfahrt 1905 ItalienItalien Fausto Coppi (fünf Siege) Oktober – dritter Samstag

Andere internationale Klassiker

Allgemein zu den Klassikern wird auch Paris-Tours gezählt, obwohl der Name und die Strecke des Rennens einige Male wechselten.[4] Strittig ist der Klassikerstatus u.a. für Omloop Het Nieuwsblad (bis 2008: Omloop Het Volk), Gent-Wevelgem, Wallonischer Pfeil, Amstel Gold Race, Clásica San Sebastián, Paris-Brüssel, Piemont-Rundfahrt und Mailand-Turin. Diese und andere Rennen werden oftmals "nur" als "Halbklassiker" angesehen,[5] da bei diesen Rennen einige der genannten Kriterien für klassischen Rennen ganz oder teilweise nicht vorliegen. Für bedeutende Rennen neueren Gründungsdatums, wie die Clásica San Sebastián, Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt und die mittlerweile für Profis eingestellte Meisterschaft von Zürich wird auch der Begriff moderne Klassiker verwendet;[6] hierzu könnte auch das 1966 erstmals ausgetragene Amstel Gold Race gezählt werden.

Einen Sonderstatus hat das in den Jahren 1891-1988 ausgetragene Bordeaux-Paris über ca. 600 km, welches seit den 1960er Jahren an Bedeutung verlor.

Deutsche und Schweizer Klassiker

In Deutschland werden insbesondere die Radrennen Rund um Berlin (seit 1896), Rund um die Hainleite (seit 1907), Rund um Köln[7] (seit 1908) und Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt (seit 1962 bis 2008 unter dem Namen "Rund um den Henninger-Turm")[8] als „Klassiker“ bezeichnet. Während „Rund um Berlin“, „Rund um die Hainleite“ und „Rund um Köln“ ihr Prestige vor allem aus ihrem Alter beziehen, wird dem Frankfurter Rennen dagegen der Klassikerstatus vor allem aufgrund seiner sportlichen Bedeutung zugeschrieben. Ob diese Rennen als Klassiker oder Halbklassiker zu bezeichnen sind, ist ebenso wie bei anderen traditionsreichen deutschen und internationalen Rennen eine Frage der subjektiven Einschätzung. Die Vattenfall Cyclassics dürften dagegen entgegen ihres Namens, der Einreihung in die UCI World Tour und damit exzellenten Besetzung durch die Anwesenheit von allen ProTeams eindeutig kein Klassiker sein, da sie im Jahr 1996 erstmals ausgetragen wurden.

Auch zahlreiche traditionsreiche Schweizer Eintagesrennen werden als Klassiker bezeichnet, neben der Meisterschaft von Zürich z.B. die Berner Rundfahrt (von 1921 bis 1991: Nordwestschweizer Rundfahrt, 1992 Umbenennung in Berner Rundfahrt) und der Grosse Preis des Kantons Aargau in Gippingen (seit 1964).[9]

Breitensport-Klassiker

Von Veranstaltern und manchen Radsportenthusiasten werden auch bedeutende Breitensport-Veranstaltungen wie Radmarathons, Radtourenfahren und Jedermannrennen, z.B. Limburgs Mooiste, De Hel van Twente oder Paris–Brest–Paris, als Radklassiker bezeichnet.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Klassiker – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. ähnlich wie hier: "Die Radsportklassiker" auf strassenradsport.com, abgerufen am 3. April 2011
  2. Rolf Gölz: Mythos Klassiker, Bielefeld 2003, S.6
  3. Der Begriff wird u.a. vom Weltradsportverband UCI vorausgesetzt, vgl. UCI-Presseerklärung vom 18. Juni 2010 : Second day of the UCI Management Committee meeting (englisch/französisch), welche hier allerdings die Grand Tours in den Begriff einbezieht.
  4. Das Rennen hieß zeitweise Grand Prix d'Automne (dt.: Großer Herbstpreis) bzw. nach den wechselnden Start- und Zielorten. Es wurde abweichend vom heutigen Namen auf folgenden Strecken ausgetragen: Tours-Versailles (1974–75), Blois-Chaville (1976/77 und 1979–1984), Blois-Autodrome de Montlhéry (1978) und Créteil-Chaville (1985–1987).
  5. z.B. sport.freenet.de vom 27. März 2011: Halbklassiker Gent-Wevelgem: Tom Boonen siegt im Sprint
  6. Philippe Bouvet/Philippe Brunel/Pierre Callewaert/Jean-Luc Gatellier/Serge Laget: Klassiker des Radsports. Die großen Eintagesrennen. Kiel/Bielefeld 2008, S. 148ff
  7. vgl. sueddeutsche.de vom 30. März 2011: Deutsche Rad-Auswahl bei «Rund um Köln» am Start
  8. vgl. freiepresse.de vom 1. Mai 2010: Wegmann gewinnt erneut Frankfurter Radklassiker
  9. Kurt Graunke/Walter Lemke/Wolfgang Rupprecht: Giganten von einst bis heute. Geschichte der deutschen Profi-Straßenradrennfahrer. München 1993, S. 6

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