- Kriegstote des Zweiten Weltkrieges
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Als Kriegstote, Verluste oder Opfer des Zweiten Weltkrieges werden im engeren Sinn die Menschen bezeichnet, die seit dem Kriegsbeginn in Europa am 1. September 1939 bis zum Kriegsende in Japan am 2. September 1945 durch Kriegshandlungen getötet wurden; im weiteren Sinn auch die, die durch Massenverbrechen im Kriegsverlauf und Kriegsfolgen ihr Leben verloren.
Ihre Gesamtzahl lässt sich nur schätzen. Die Schätzungen reichen bis zu 80 Millionen Kriegstoten; meist werden zwischen 50 und 56 Millionen angegeben.
Inhaltsverzeichnis
Problematik
In vielen an diesem Krieg beteiligten und davon betroffenen Staaten gibt es wenige gesicherte Quellen und Forschungen zu den Kriegstoten. Auch sind die Methoden der jeweiligen Schätzungen uneinheitlich, ebenso die Todesursachen, die als unmittelbare oder mittelbare Kriegseinwirkungen angesehen werden.
Die genaue Ermittlung der Opferzahlen erschwerte das für den Krieg hauptverantwortliche NS-Regime durch Geheimhaltung, Aktenvernichtung und Deklarieren von Massenmorden als Kriegsfolgen. Kriegsschäden, mangelnde Demographie und verschlossene Archive erschwerten die Nachforschungen auch nach dem Krieg.[1]
Viele der Opferzahlen waren und sind stark umstritten, da etwa Ansprüche auf Entschädigungen damit begründet werden. Nicht immer wurden Opfer von Massenverbrechen, Kriegsverbrechen und Völkermord vollständig erfasst und von sonstigen Kriegstoten unterschieden. Deshalb wird bis heute eine große Bandbreite verschiedener Zahlen überliefert. Deren wissenschaftliche Überprüfung hat besonders in Osteuropa vielfach erst seit 1990 begonnen.
Kriegstote nach Staatsangehörigkeit
W. van Mourik führt in seiner Bilanz des Krieges von 1978 gefallene und vermisste Soldaten sowie Zivilisten auf, die in Kampfhandlungen umgekommen sind, und unterscheidet sie nach ihren Herkunftsländern. Dabei sind seine Zahlen besonders für die Staaten Osteuropas durch neuere Forschungen überholt.
Land Soldaten Zivilisten Gesamt Australien 30.000 30.000 Belgien 10.000 50.000 60.000 Bulgarien 10.000 10.000 Brasilien 456 456 Republik China 4.500.000 10.000.000 14.500.000 Deutschland 3.250.000 3.640.000 6.890.000 Estland 140.000 140.000 Finnland 90.000 90.000 Frankreich 250.000 270.000 520.000 Griechenland 20.000 80.000 100.000 Vereinigtes Königreich 370.000 60.000 430.000 Italien 330.000 70.000 400.000 Japan 1.300.000 500.000 1.800.000 Jugoslawien 300.000 1.300.000 1.600.000 Lettland 120.000 120.000 Litauen 170.000 170.000 Neuseeland 10.000 10.000 Niederlande 23.000 112.000 125.000 Norwegen 10.000 10.000 Österreich 230.000 40.000 270.000 Polen 200.000 6.000.000 6.200.000 Rumänien 200.000 40.000 240.000 Sowjetunion 13.600.000 6.000.000 19.600.000 Tschechoslowakei 20.000 70.000 90.000 Ungarn 120.000 80.000 200.000 USA 300.000 300.000 Summen 24.493.456 28.602.000 53.085.456 Nach Rüdiger Overmans starben von 18,2 Millionen zwischen 1939 bis 1945 eingezogenen deutschen Soldaten 5,3 Millionen (28 Prozent).[2]
Opfer deutscher Massenverbrechen im Kriegsverlauf
Opfergruppe Helmuth Auerbach[3] Dieter Pohl[4] Juden 6.000.000 5.700.000 Sowjetische Kriegsgefangene 3.300.000 3.000.000 Roma/Sinti 219.600 mindestens 100.000 Euthanasieopfer 250.000 270.000 Nichtjüdische Zivilisten, KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Deportierte 3.340.000 4.300.000 (mit Hungertoten) Gesamtzahl 13.109.600 13.370.000 Besonders die Zahlen der Holocaust-Opfer wurden seit 1990 mehrfach genau überprüft und die bis dahin ungewissen Zahlen der sowjetischen und polnischen Holocaustopfer durch neue Quellen exakter bestimmt. Dabei wurden die Mindestzahl von 5,7 Millionen[5] und die wahrscheinliche Gesamtzahl von 6,3 Millionen ermordeten Juden wissenschaftlich gesichert.[6]
Umstrittene Zahlenangaben
Sowjetunion
Im März 1946 wurde die Opferzahl der Sowjetunion von Stalin aus propagandistischen Gründen mit sieben Millionen viel zu niedrig angegeben. Seit der Entstalinisierung bis 1985 galt in der Sowjetunion die offizielle Zahl von 20 Millionen Kriegstoten.[7] Unter Michael Gorbatschow wurden seit 1985 einige der sowjetischen Archive geöffnet und eine offizielle Gesamtzahl von 27 Millionen sowjetischen Kriegstoten, davon 7 Millionen Zivilisten, genannt.[8] 1989 schätzte der russische Historiker Vladimir I. Kozlov die Gesamtzahl der sowjetischen Kriegstoten auf 40 Millionen; dabei bezog er neben getöteten Soldaten, die er auf 15 bis 20 Millionen schätzte, Opfer unter Zwangsarbeitern, Repatriierten, im Holocaust ermordete sowjetische Juden und aus Kriegsgründen in stalinistische Lager Verschleppte mit ein.[9]
Eine von Verteidigungsminister Dmitri Timofejewitsch Jasow eingesetzte Kommission ermittelte von 1987 bis 1991 insgesamt 37 Millionen sowjetische Kriegstote, davon 8,6 Millionen Soldaten und 27 bis 28 Millionen Zivilisten.[10] Russische Forscher bestätigen die Zahl der gefallenen Soldaten, manche schätzen die Zahl der getöteten sowjetischen Zivilisten jedoch auf 17 Millionen.[11]
Polen
Ein staatlicher Bericht von 1947 legte die Zahl der polnischen Kriegstoten auf 6,028 Millionen fest; diese Zahl wurde bis 2009 geltend gemacht.
Das Institut für Nationales Gedenken überprüfte diese offizielle Zahl im Auftrag des nationalen Bildungsministeriums und der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung von Juni bis August 2009.[12] Es ermittelte mit einer Datenbank 5,62 bis 5,82 Millionen polnische Kriegstote. In ihnen enthalten sind etwa drei Millionen polnische Juden sowie 150.000 Polen, die durch die sowjetische Besetzung Ostpolens von 1939 bis 1941 starben.[13]
Siehe auch
Literatur
- Micheal Clodfelter: Warfare and armed conflicts: a statistical reference to casualties and other figures, 1500–2000, McFarland, Jefferson, N.C., 2002 (2nd ed.) ISBN 0-7864-1204-6.
- Martin K. Sorge: The Other Price of Hitler's War: German Military and Civilian Losses Resulting from World War II. Greenwood Publication Group, 1986, ISBN 0-313-25293-9.
- New Encyclopedia Britannica: The World Wars, S. 1043.
- Rüdiger Overmans: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, 3. Auflage, Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56531-1.
- Rüdiger Overmans: Kriegsverluste im Kontext von Reparationsinteressen. In: Zentrum für Historische Forschung (Hrsg.): Historie. Jahrbuch des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaft, Band 1: Krieg und seine Folgen. Budrich UniPress, Leverkusen-Opladen 2008, S. 93–102.
- Rüdiger Overmans: Vom Umgang mit den Zahlen. Zur Bewertung der personellen Verluste im Zweiten Weltkrieg durch die Wehrmachtführung. In: Ernst Otto Bräunche, Hermann Hiery (Hrsg.): Geschichte als Verantwortung. Festschrift für Hans Fenske zum 60. Geburtstag. Heinz Wolf, Karlsruhe 1996, S. 113–126.
- Rüdiger Overmans: 55 Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges? Zum Stand der Forschung nach mehr als 40 Jahren. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 48. Jg., Nr. 2/1990, S. 103–121.
- Rüdiger Overmans: Die Toten des Zweiten Weltkriegs in Deutschland. Bilanz der Forschung unter besonderer Berücksichtigung der Wehrmacht- und Vertreibungsverluste. In: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz. Piper, München 1989, S. 858–873.
Einzelnachweise
- ↑ Reinhard Henkys, Jürgen Baumann: Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Geschichte und Gericht. Kreuz-Verlag, Stuttgart 1964.
- ↑ Rüdiger Overmans: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg, Oldenbourg, München 1999, ISBN 3-486-56332-7, S. 316
- ↑ Hellmuth Auerbach: Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In: Wolfgang Benz (Hg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. Dtv, Neuauflage 1992, ISBN 342304666X, S. 116
- ↑ Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1939–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15158-5, S. 153.
- ↑ Dieter Pohl: Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933–1945. S. 109
- ↑ Wolfgang Benz (Hrsg.): Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Dtv, München 1996, ISBN 3-423-04690-2.
- ↑ Bernd Bonwetsch: Der ‚Große Vaterländische Krieg’: Vom öffentlichen Schweigen unter Stalin zum Heldenkult unter Breschnew. In: Babette Quinkert (Hrsg.): „Wir sind die Herren dieses Landes“. Hamburg 2002, S. 173.
- ↑ I. W. Kurukin: Istorija Rossii IX–XX. Ww. Učebnoje possobije dlja starščeklassnikow i abiturientow. („Geschichte Russlands vom 9. bis 20. Jahrhundert. Lehrbuch für höhere Schulklassen und Abiturienten“), Moskau 2001.
- ↑ Vladimir I. Kozlov: O ljudskich poterjach Sovetskogo Sojuza v Velikoj Otecestvennoj vojne 1941–1945 godov („Über die Verluste der Sowjetunion an Menschen im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945“), in: Istorija SSSR 1989/2, S. 132–139.
- ↑ Rianovosti, 7. Mai 2009: UdSSR hat im Zweiten Weltkrieg rund 37 Millionen Menschen verloren
- ↑ Richard Overy: Russlands Krieg. 1941–1945. Rowohlt, Reinbek, 2. Aufl. 2003, ISBN 3-498-05032-X, S. 435 ff.
- ↑ Knut Krohn (Sächsische Zeitung, 2. Juni 2009): Polen zählt erstmals seine Kriegsopfer
- ↑ Agence France Presse, 26. August 2009: Polen korrigiert Zahl seiner Weltkriegstoten nach unten
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