Mariensäule (Prag)

Mariensäule (Prag)
Die Prager Mariensäule auf dem Altstädter Ring, im Hintergrund die Teynkirche. Stahlstich nach Ludwig Richter, 1841.

Die Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag war ein Maria geweihtes Standbild auf einer Säule. Sie wurde 1650 von Kaiser Ferdinand III. aus Dank für die Rettung vor einem schwedischen Heer im Jahre 1648 am Ende des Dreißigjährigen Krieges gestiftet. Die Säule wurde 1918 zerstört.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Militärische Situation

Ab Mitte des Jahres 1645 wurden in Münster und Osnabrück Friedensverhandlungen aufgenommen, die schließlich im Westfälischen Frieden endeten. Noch im selben Jahr, nach der Niederlage des kaiserlichen Heeres in der Schlacht bei Jankau devastierten schwedische und französische Heere Bayern, Franken, Thüringen und Böhmen. Im Mai 1648 schlugen sie in der Schlacht bei Zusmarshausen in Nähe von Augsburg das letzte Aufgebot der kaiserlichen Truppen. Ein schwedisches Korps unternahm darauf folgend einen Vorstoß nach Prag. Am 26. Juli 1648 konnten die Schweden die Prager Kleinseite einnehmen, kamen aber nicht über die Karlsbrücke, die von kaiserlichen Söldnern, Bürgern, niederen Klerikern und Studenten erbittert verteidigt wurde. Die Schweden blieben jedoch hartnäckig und dem Kaiser war klar, dass die Verteidiger nicht mehr lange durchhalten würden. Als im August 1648 die Nachricht eintraf, dass die Franzosen in der Schlacht bei Lens eine spanische Armee unter Erzherzog Leopold Wilhelm vernichtet hatten, war dem Kaiser klar, dass der Krieg verloren war und er in den Friedensverhandlungen nun ernsthaft einlenken musste. So wurde am 24. Oktober 1648 der Westfälische Friede unterzeichnet, die Kuriere nach Prag waren neun Tage unterwegs. Die Schweden stellten schließlich das Feuer ein, beluden sechzig Gepäckwagen mit allen auf der Kleinseite greifbaren Wertsachen und Kunstschätzen und zogen ab. Dies wiederum ging als der Prager Kunstraub von 1648 in die Geschichte ein.

Stiftung und Baugeschichte

Zum Dank dafür, dass Prag nicht zur Gänze von der schwedischen Armee erobert wurde, verfügte Ferdinand III. per Dekret am 22. April 1650 die Errichtung einer Säule zu Ehren der Maria Immaculata, um an die Verteidigung Prags vor den Schweden zu erinnern. Sie sollte wie „…alhier zu Wien aufm Hof, auch allda zu Prag, auf dem Altstädter Platz …“ errichtet werden. Die Form des Denkmals und die Aufstellung auf dem Altstädter Ring wurde demnach vom Kaiser selbst festgelegt.

Der Bildhauer der Prager Mariensäule war Johann Georg Bendl, der als der führende Bildhauer der Gegenreformation und der jesuitischen Machtkunst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gilt. Für Böhmen hatte er eine ähnliche Bedeutung wie Georg Petel und Justus Glescker in Süddeutschland, diesen Künstlern verdankt er auch die entscheidenden Impulse. Bendl war 1651 in der Altstadt, ab 1668 in der Neustadt Prags als Bürger und Hausbesitzer bezeugt. 1655 trat er nach einem Streit zusammen mit den übrigen Bildhauern aus der Prager Malerzeche aus und begründete die Zunft der Bildhauer und Schnitzer. Die Mariensäule am Altstädter Ring ist sein Hauptwerk.

Die Mariensäule als Siegeszeichen der Gegenreformation, die Bendl im Auftrag des Kaisers ausgeführt hatte, bildete bis 1918 den städtebaulichen Schwerpunkt des Altstädter Rings. Das Vorbild waren die Münchner und die Wiener Mariensäule, nur dass Bendl die Allegorien nicht durch Heldenputti, sondern durch annähernd lebensgroße Engel personifizierte und die Figuren nicht in Bronze, sondern wie in Wien (jetzt Wernstein am Inn) in Stein ausführte. Die erhaltenen Fragmente bezeugen, dass Bendl die barocken Kompositionsprinzipien durchaus beherrschte. Die Figuren der allegorischen Zweiergruppen verschränken sich nicht in manieristisch-bewegungsloser Spannung, sie agieren vielmehr in freien Kontrastbewegungen dynamisch nebeneinander. Als Bendl die Mariensäule schuf, war er erst etwa 20 Jahre alt.

Inschrift: „VIRGINI GENITRICI SINE ORIGINIS LABE CONCEPTAE, PROPUGNATAE AC LIBERATAE URBIS ERGO, CAESAR PIUS ET IUSTUS HANC STATUAM POSUIT“ (Der ohne Makel der Erbsünde empfangenen jungfräulichen Gottesmutter errichtete der Kaiser aus frommem und gerechtem Dank für die Verteidigung und Befreiung der Stadt dieses Standbild). Die Inschrift am Sockel nannte als Grund der kaiserlichen Stiftung das Wirken der Virgo Immaculata für die Verteidigung und Befreiung der Stadt („…propugnatae et liberatae urbis …“). Die Säule war also ein Ehrendenkmal für die Maria Immaculata, insbesondere für ihren erfolgreichen Einsatz für die katholische Sache. Unter der Leitung des kaiserlichen Schatzmeisters Dionysio Miseroni wurde die Marienstatue 1650 am Altstädter Ring aufgestellt, am 13. Juli 1652, dem 44. Geburtstag des Kaisers, wurde die Prager Säule feierlich eingeweiht.

Religiöse Nutzung der Mariensäule

Wie in Wien ließ Ferdinand III. auch in Prag regelmäßige Andachten und samstägliche Prozessionen zur Mariensäule einrichten. Nirgends in Europa – konstatierte der Jesuit Johannes Miller – sähe man bei einer Prozession so viel Glanz. Eine Besonderheit gegenüber den Votivsäulen in München und Wien war die im Sockel des Prager Denkmals eingesetzte Kopie der hochverehrten Muttergottes von Altbunzlau, die als Palladium Böhmens den höchsten Rang unter den Marienbildern einnahm. Das bedeutete gleichzeitig die Revitalisierung einer älteren, vorhussitischen und vorreformatorischen Kulttradition – denn die metallene Reliefikone in Altbunzlau stammte aus der Zeit um 1400 – und die gezielte Förderung der nur eine knappe Tagesreise von Prag entfernten altehrwürdigen Wallfahrt. Die Beter an der Säule flehten nicht nur zur Immaculata, sondern zugleich zu Maria als dem Schutzschild Böhmens. Hierin folgte Ferdinand III. dem Vorbild seines Vaters, der, nach Aussage seines Beichtvaters Lamormaini, zur Rettung der Marienikone von Altbunzlau selbst einen zum Feinde übergelaufenen Freiherrn begnadigte.

In Prag ließ Ferdinand III. noch vor der Grundsteinlegung die öffentliche Gerichtsstätte vom Marktplatz wegverlegen, da sich die Ausübung der Jurisdiktion mit dem Charakter des Votivdenkmals schlecht vertrug. Die Andachten der Marianischen Bruderschaften an der Mariensäule führten immer wieder zu Beschwerden der Bürgerschaft, die sich in ihren Freiheiten eingeschränkt fühlten, vor allem der „Narrenfreiheit“ in den Fastnachtstagen. Schließlich beschloss auch der Altstädter Magistrat, den Platz unmittelbar um die Säule mit Ketten abzusperren. Während der samstäglichen Andachten blieben Handel und Verkehr verboten, wegen der Lärmbelästigung durften Pferdegespanne den Platz zu dieser Zeit nicht überqueren. Schließlich wurde den Juden aus dem nahegelegenen Ghetto das Betreten des Platzes während der Andachten gänzlich untersagt, weil sie diese durch Auf- und Abgehen auf dem Platz und lautes Reden absichtlich gestört hätten.

Zerstörung und Kontroverse um die Wiedererrichtung

Nach Loslösung der Tschechoslowakei aus dem Verband der österreichisch-ungarischen Monarchie im Jahr 1918 wurde die Mariensäule am Altstädter Ring von „aufgebrachten Bürgern“ umgestürzt und zerstört. Die Marianische Bruderschaft konnte die stark beschädigten Reste bergen, welche bis heute erhalten sind.

Wie kontrovers die Themen Barock, Gegenreformation, Exil und Geheimprotestantismus in der Tschechischen Republik der Gegenwart, also nach der Samtenen Revolution des Jahres 1989, diskutiert werden, wird besonders an der Polemik über die 1918 gestürzte Mariensäule deutlich. Im April 1990 wurde in Prag die „Gesellschaft für die Wiedererrichtung der Mariensäule“ gegründet, die etwa 500 ordentliche Mitglieder hat (Stand: Sommer 2004). In Leserbriefen, die in diesem Zusammenhang im Frühjahr 1990 in der Tageszeitung „Lidové noviny“ abgedruckt wurden, setzen die Autoren häufig den „gegenreformatorischen Totalitarismus“ mit modernen totalitären Regimen gleich und vertraten den traditionellen evangelischen Standpunkt, wonach die Möglichkeit einer Koexistenz der Mariensäule mit dem Ort der Hinrichtung der Anführer des böhmischen Ständeaufstandes des im Juni 1621 und mit dem 1915 enthüllten Hus-Denkmal scharf abzulehnen sei. Am 3. November 1993, dem 75. Jahrestag des Sturzes der Mariensäule, ließ die „Gesellschaft für die Wiedererrichtung der Mariensäule“ im Pflaster des Altstädter Rings eine Platte mit der Inschrift „Hier stand und wird wieder stehen die Mariensäule“ anbringen. Die Worte „und wird wieder stehen“ mussten auf Verlangen des Prager Magistrats getilgt werden, und heute ist auch der Rest der Inschrift kaum lesbar. Die Arbeit an den Kopien der nur als Torso erhalten gebliebenen Marienstatue Johann Georg Bendls und der übrigen bildhauerischen und architektonischen Teile der Mariensäule durch den tschechischen akademischen Bildhauer Petr Váňa ist unterdessen weit fortgeschritten. Vor der Aufstellung der neuen Mariensäule ist ein neuer publizistischer Streit über ihren Standort zu erwarten.[1]

Literatur

  • Walter F. Kalina: Die Mariensäulen in Wernstein am Inn (1645/47), Wien (1664/66), München (1637/38) und Prag (1650), in: Bundesdenkmalamt (Hg.): Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 58 (2004), H. 1, S. 43-61.

Einzelnachweise

  1. Walter F. Kalina: Die Mariensäulen in Wernstein am Inn (1645/47), Wien (1664/66), München (1637/38) und Prag (1650), in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 58 (2004), H. 1, S. 43-61.
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