Martin Gruber (Choreograf)

Martin Gruber (Choreograf)

Martin Gruber (* 1957) Regisseur, Choreograf und Bewegungslehrer für Darstellende Künstler.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Martin Gruber entwickelte eine eigene Methodik der Schauspielausbildung, begründete die nach Alon Talmi benannte Talmi-Methode® und ist Regisseur experimenteller Theaterstücke sowie Choreograph. Der Einfluss Martin Grubers auf die zeitgenössische Schauspielausbildung ist groß, an Akademien, Hochschulen und Workshops im In- und Ausland unterrichten viele Lehrer, die bei ihm Ausbildungen absolviert haben.[1] Zahlreiche seiner ehemaligen Studenten arbeiten erfolgreich auf der Bühne, im Film und beim Fernsehen.[2]

Pädagogische Arbeit

Schon 1985 begründete Martin Gruber an der Otto-Falckenberg-Schule in München ein 'Laboratorium', in dem er mit neuen Wegen in der Ausbildung von Schauspielern experimentierte. Er entwickelte aus asiatischen und westlichen Schauspiel-, Tanz- und Kampfkunsttrainings eine neue Methodik für ein umfassendes, interdisziplinäres Grundlagentraining.

Gruber trug damit schon sehr früh den sich radikal verändernden Anforderungen an den Schauspieler im zeitgenössischen Theater Rechnung: Die Hinwendung zu neuen Ausdrucksformen auf der Bühne, die zunehmende interkulturelle Zusammenarbeit, das Verschwimmen der Grenzen vom klassischen Sprechtheater hin zu Tanztheater, Performance und Musiktheater verlangten nach einem neuen Typus des Schauspielers.

Die klassische Schauspieler-Ausbildung als Vermittlung eines tradierten Kanons von Stilmitteln war nicht mehr länger ausreichend. Gruber erarbeitet mit dem Schauspieler zusammen die Voraussetzungen, um nicht nur dem klassischen Sprechtheater, sondern auch den musikalischen, rhythmischen, tänzerischen und stimmlichen Anforderungen der heutigen performing arts gewachsen zu sein.

August Everding erkannte schnell das Potential von Grubers Ansatz und holte ihn 1993 als Dozent für Schauspiel und Regie an die damals neu gegründete Bayerische Theaterakademie in München. Dort sollte er den Bewegungsunterricht für Schauspieler nach den Grundsätzen seiner Methode neu entwickeln und strukturieren. Er arbeitete außerdem als Schauspieler, Regisseur und Choreograf.

2010 wurde Martin Gruber als Professor an die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin berufen.

Er hatte Lehraufträge oder leitete Workshops an renommierten Institutionen im In- und Ausland, wie Ecole Supérieure d’Art Dramatique du Théatre Nationale de Strasbourg, Straßburg (Frankreich), Central Academy of Drama, Beijing (VR China). Schauspiel, Mozarteum, Salzburg (Österreich), mime centrum berlin, Berlin, Universität der Künste, Berlin, ImpulsTanz. Vienna International Dance Festival], Wien (Österreich) uvm.

1986 eröffnete er eine eigene Produktionsstätte für professionelle Theatergruppen und ein Ausbildungszentrum für Darstellende Künstler in Birach (Oberbayern), um unabhängig arbeiten und forschen zu können. Hier unterrichteten u. a. Prof. Alon Talmi (Israel): Funktionale Integration; William Dub Leigh (USA): Zenbodytherapy® und Triggerpoint Anatomy®; Nobuyuki Watanabe (Japan): Aikido; Rena Mirecka (Jerzy Grotowskis Theaterlaboratorium; Polen); Paco Gonzales (Familie Flöz]); Marita Günher (Roy Hart Theatre], London).

Von 1986 bis 1992 war Birach außerdem Produktionsstätte für das ZeltEnsemble Theater unter der Leitung von Otto Kukla und Crescentia Dünßer. Aufführungen u. a. Armut Reichtum Mensch und Tier (Hans Henny Jahnn); Figaro & Co; Ulenspiegel. Seit 1995 finden auch Aufführungen in bayerischer Mundart statt, z. B. Wir sind Gefangene (Oskar Maria Graf), Lena Christ, Die Heilige Nacht von Jörn van Dyck und Bettina Mittendorfer.

Die Gruber-Methode der Schauspielausbildung

Martin Grubers Methodik basiert auf drei Säulen: der individuellen Arbeit an der eigenen Haltung, der dialogischen Arbeit mit einem Partner und dem kollektiven, dynamischen Arbeiten in der Gruppe. Die Ausbildung verbindet u. a. neurophysiologische Erkenntnisse und Techniken (zusammengefaßt in der Talmi-Methode®), das von ihm Mitte der 1980er Jahre aus Japan eingeführte und modifizierte „Suzuki-Training“[3] und die japanische Kampfkunst Aikido zu einem umfassenden System.

Schauspielkunst wird als Prozess lebenslangen Lernens vermittelt, als Weg des Schauspielers. Der Schauspieler erhält ein breites Wissen über die Grundlagen von Bewegung, ohne ihn auf einen Stil festzulegen oder ihm eine Darstellungsweise aufzuzwingen. Er soll die Fähigkeit erwerben, aus seinem Verständnis über die inhärente Verbindung von Geste, Gedanke und Gefühl eine unverwechselbare, dabei jedoch offene und vor allem wandelbare Darstellungsweise zu entfalten. Das ermöglicht es, die unterschiedlichsten Herausforderungen des Berufes zu meistern, ist aber auch die Grundlage, an sich selbst und an der Weiterentwicklung der erworbenen Fähigkeiten bis ins hohe Alte zu arbeiten.

Diese Sicht auf Schauspiel als lebenslange Kunst erklärt die Wichtigkeit, die die Gruber-Methode auf eine optimale Grundhaltung, auf effektive Bewegungen legt: Körperliche Ausdrucksformen sollen beherrscht werden, ohne Verletzung und Verschleiß zu begünstigen. Der Schauspieler wird zu unbedingter Präsenz geführt, so daß seine Darstellung Freiheit und Intensität ausdrücken kann.

Lehrtätigkeit

  • seit 2010 Professur für Bewegung, Leiter der Fachgruppe aller Abteilungen Bewegung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin.
  • 2005–1993 Dozent für Bewegung und Rolle (Abt. Schauspiel, Gesang, Regie), Bayerische Theaterakademie August-Everding, München.
  • 1993–1985 Lehrer für Bewegung, Otto-Falckenberg-Schule, Kammerspiele München.

Ausbildung

Martin Gruber absolvierte mehrere langjährige Ausbildungen in neuen Körpertherapien, u. a. „Zenbodytherapy“ und Triggerpoint Anatomy bei William Dub Leigh, (USA) sowie in „Funktionaler Integration“ bei Alon Talmi, Tel Aviv (Israel). Seit seinem 12. Lebensjahr praktiziert er verschiedene asiatische Kampfkünste, (Judo, Aikido, Iaido, Hojo). 2007 wurde ihm der 6. Dan Aikido an der Schule des Gründers Aikikai Honbu Dōjō in Tokio (Japan) verliehen.

Außerdem machte er Fortbildungen bei dem Regisseur Tadashi Suzuki in Toga-Mura (Japan), nahm Unterricht bei dem Butoh-Tänzer Kazuo Ono in Tokio (Japan) und dem Schauspieler Yoshi Oida.

Er studierte Komposition, Gitarre und Percussion am Berklee College of Music, Boston (USA) und bei Joe Haider, Jazz School, sowie Theater- und Musikwissenschaften an der Ludwig-Maximilian-Universität, beides in München. Bei Robert Wilson arbeitete er als Regieassistent (1985 Kneeplays, 1992 Idomeneo und Alice).

Künstlerische Arbeit

Regiearbeiten

  • 2004 Regie: Dialoge über die Liebe. Eine Straßenoper. Internationales Festival Hue (Vietnam) 6/2004, Literaturtempel Hanoi (Vietnam) 10/2004, Münchner Opernfestspiele 6/2004. Interdisziplinäres Musiktheaterprojekt mit Opernsängern, Musikern, Tänzern, Cheo-Opern-Sänger aus Deutschland und Vietnam. [5][6][7]
  • 1998 Regie: Anstatt Rashomon (Susanne Göße). Uraufführung: Stadttheater Ulm, 1998.[8][9]
  • 1998 Regie: Fest für Liebende in unglücklicher Konstellation (Susanne Göße). Projekt mit der Abschlussklasse der Bayerischen Theaterakademie, Uraufführung: Akademietheater München.[10]
  • 1997 Regie: Beijing lan – Peking ist blau. Internationales und interdisziplinäres Theaterprojekt mit Schauspielern, Tänzern, Musikern, Sängern, aus Deutschland und China. Uraufführung Yan Huang Art Gallery, Beijing (VR China).[11]
  • 1994 Regie: Sklavnaja Markta. Projekt mit Studenten der Bayerischen Theaterakademie, Prinzregententheater München

Theaterchoreographien

  • 2005 Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? Regie: Joachim Meyerhoff, Uraufführung: Maxim Gorki Theater, Berlin. [12][13]
  • 2000 Memory. Eine Videooper. Regie: Otto Kukla, Uraufführung: Theater am Neumarkt Zürich (Schweiz). Weitere Vorstellungen: München, Sarajevo (Bosnien), Teheran (Iran)[14]
  • 1996 Ithaka (Botho Strauß). Regie: Dieter Dorn, Uraufführung: Kammerspiele München
  • 1993 Der Sturm (William Shakespeare). Regie: Dieter Dorn, Kammerspiele München. Integrativer Teil der Inszenierung war die Arbeit mir speziell angefertigten, lebensgroßen Puppen ('Geister').
  • 1987 Mann ist Mann (Bertolt Brecht). Regie: Günther Gerstner, Kammerspiele München

Regieassistenzen

Veröffentlichungen

  • Abmessen der Handlungsräume. Erste Eindrücke nach dem Besuch der Bauhaus-Bühne. / Mapping the Action Spaces. First Impressions After the Visist to the Bauhaus Stage in: Theater der Zeit 6/2011, Beilagenheft zur Prager Quadriennale 2011: Die Bühne als Raumapparat/The Stage as Space Apparatus, S. 2–3. Online-Ansichtsexemplar
  • Formen bilden, Formen vernichten. in: Lektionen 4: Schauspielen Ausbildung, hg v. Bernd Stegemann, Theater der Zeit, Berlin 2010, S.169-188.
  • Form and Change: Acting as Path – based on the Example of Aikido and Other Types of Body Work. 2010 PDF
  • Form und Wandlung. Schauspiel als Weg am Beispiel des Aikido und anderen Arten der Körperarbeit. In: Peter Schettgen (Hg.): Heilen statt Hauen. Aikido-Erweiterungen in Therapie und beruflicher Bildungsarbeit, Augsburg 2002, S. 117–134
  • Formen bilden, Formen vernichten. Bemerkungen zu neuen Wegen in der Schauspielausbildung. In: Rollenunterricht, Sprecherziehung, Stimmbildung und Körperarbeit in der Ausbildung zum Schauspieler. Dokumentation der Arbeitstagung der Bayerischen Theaterakademie August Everding 27.–30. April 2000. München 2001, S. 201–215
  • Martin Gruber und Uwe Hollmach: Grammatik der Füsse und Stimme. In: Integration von Sprecherziehung, Liedgestaltung und Körpertraining in der Ausbildung zum Schauspieler. Dokumentation der Arbeitstagung der Bayerischen Theaterakademie 26.–29. März 1998. München 1999, S. 96–100

Einzelnachweise

  1. wie z. B. Daniela Wicaz, Jutta Burger (beide Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin), Carola Grahl (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Stuttgart), Doris Dexel (Konservatorium Wien, Österreich), Susanne Rebholz (Orff-Institut, Universität Mozarteum Salzburg, Österreich), Jannis Spengler (Bayerische Theaterakademie München), Stefan Lenz (Universität der Künste Berlin), Petra Hoffmann] (Casa Chao do Prao, Spanien)
  2. darunter Jens Harzer, Joachim Meyerhoff, Natali Seelig, Lisa Wagner, André Eisermann, Götz Otto, Birge Schade, Ina Weisse, Francis Fulton-Smith, George Lenz, Rainer Strecker, Oliver Wnuk uvm.
  3. englischer Wikipedia-Artikel zu Regisseur Tadashi Suzuki, Togamura, Japan.
  4. http://www.theaterkompass.at/news-einzelansicht+M588f362c913.html
  5. Fernsehdokumentation des Projektes von Vietnam Television gesendet auf VTV3 unter dem Titel The Linking Between Asia and Europe.
  6. http://www.beatevonhahn.de/Vietnam.htm
  7. http://www.bibliotheksportal.de/fileadmin/user_upload/content/bibliotheken/international/dateien/_viet_05_03_standardvietnam.pdf
  8. http://schiefer-ulm.de/ulmer_theater/spielzeit_98_99/schauspiel/rashomon.htm
  9. http://www.carola-hoelting.de/portfolio/schauspiel/pf.schauspiel.020.html
  10. http://parapluie.de/archiv/uebertragungen/uebertragbarkeit/
  11. Fernsehdokumentation des Projektes unter dem Titel Begegnungen in Beijing. Ein ungewöhnliches Theaterprojekt in China [1], gesendet bei 3SAT und ARTE.
  12. Spielplan und Anmerkungen von Meyerhoff in der Berliner Zeitung
  13. ufaFabrik Berlin
  14. Rezension in der taz

Weblinks

Impulstanzfestival, Beschreibung eines "Grammatik der Füße"-Workshops

Leib oder Leben, Beschreibung eines Workshops "Vom Umgang mit mir und anderen: Entdeckungsreisen"

Biographie Theater der Zeit ImpulstanzfestivalAT-VerlagKenbukai Berlin

Talmi-Methode Bad GleichenbergLeib oder Leben

Ein Arzt zur Talmi-Methode

Quellen

  • Vita Martin Gruber bei der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin
  • Susanne Göße: Von China nach Japan in zwei Theaterstücken. In: Minima sinica 1/2006, S. 48–74.
  • Wolfgang Lanzinger: Martin Gruber. Ein Großmeister des Theaters mit einem Hang zum Extravaganten. In: Dorfener Heimatbuch. Von der Stadterhebung bis ins 3. Jahrtausend. Band 1, Dorfen 2006, S. 460–462
  • Fulton-Smith über Martin Gruber

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