- Orgeln der Sankt-Jakobi-Kirche (Stralsund)
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Die Orgeln der Sankt-Jakobi-Kirche Stralsund waren drei große Orgeln in der kleinsten und jüngsten der drei großen mittelalterlichen Kirchen in Stralsund, der St.-Jakobi-Kirche. Die erste stammte aus dem 16. Jahrhundert, ihr Nachfolgeinstrument aus dem 18. Jahrhundert. Die als weiteres Nachfolgeinstrument im 19. Jahrhundert von Friedrich Albert Mehmel gefertigte Orgel ist seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr spielbar, eine Restaurierung ist vorgesehen. Sie ist mit vier Manualen, Pedal und 69 Registern die größte der drei in den drei Stralsunder Pfarrkirchen vorhandenen großen Orgeln.
Inhaltsverzeichnis
Hauptorgel
Erste Orgel (16. Jahrhundert)
Die erste Orgel der Jakobikirche in Stralsund wird erstmals in einem „anno 82“ datierten Text erwähnt; wahrscheinlich ist das Jahr 1582 gemeint. In diesem, im Archiv der Kirchgemeinde erhaltenen Text werden Arbeiten an der Orgel, wie die Vergoldung des Instruments, eine Verlegung des Orgelchores sowie verwendeten Materialien und ein Orgelbauer Nicolai erwähnt. Bei diesem Orgelbauer könnte es sich um Nicolaus Maas handeln.
In einem Reparaturvorschlag vom 2. März 1633 wird diese Orgel wieder genannt. Dieser sieht die Reinigung der Laden, das Stimmen und „gelindere“ Intonieren der Pfeifen, die Anfertigung neuer Mundstücke, den Ersatz des Kornett durch eine kleine Schallmeienbass sowie Arbeiten am Rückpositiv und weitere Ergänzungen vor. Eine Quittung über den für die Arbeiten erhaltenen Lohn ist durch Paul Ludemann unterzeichnet. Dieser stammte nach Hellmuth Heyden aus Pasewalk.
Der Orgelbauer Johann Jaster, nach Heyden aus Altentreptow stammend, zeichnete einen weiteren Reparaturvorschlag dieser Orgel. Aus diesem geht auch die Disposition hervor, ohne allerdings Angaben zu den Fußtönen zu machen:
„Das Groß Werck“ G Principal G Gedackt K Principal Octava Süpvet K Gedackt Offenflöht W Cimbel, Mixtur, Vagruth „Baß stimmen“ Unter Satz Gedackt Flöhten Bas Trumpten Schalmey Cornet „Rückpositiff“ K Principal Quintaden ? Gedackt Octava Querflöth Sup octava Cimbel Trumpten Harpen Aus späteren Angaben zum Werk ist ein Tastaturumfang G–g’’ anzunehmen.
Der Organist Friedrich Schuck forderte am 2. Juli 1653 eine Reparatur der Orgel; er wollte die Anwesenheit Friedrich Stellwagens, der gerade die Orgel der Stralsunder Johanniskirche gefertigt hatte, ausnutzen. Im Jahr 1659 reparierte Friedrich Stellwagen nach Fertigstellung der Orgel der Marienkirche die Orgel in St. Jakobi. Eine von Stellwagen gezeichnete Quittung stammt vom 9. November 1659.
Am 19. August 1699 urteilte der Orgelbauer Johann Engelbrecht Gerhardi aus Rostock, dass die Orgel „(…) ein altes zerstücktes und zerpflücktes Werck und nichts nutze (…)“ sei.
Zweite Orgel (18. Jahrhundert)
Die Provisoren St. Jakobis brachten einen Antrag auf Neubau einer Orgel in den Senat der Stadt ein, der am 5. März 1732 verhandelt wurde. Am 24. März 1732 stimmte der Senat dem Antrag zu, dem Orgelbauer Christian Gottlieb Richter aus Stettin mit einem Neubau zu beauftragen. Vorgesehen war seitens der Provisoren, den Neubau auf einer Empore an der Südseite der Kirche zu errichten. In dem Vertrag zwischen Senat und Christian Gottlieb Richter vom 7. Juli 1732 wurde die Standortfrage allerdings offen gelassen. Der Senat legte am 20. August 1732 den Standort auf einer Empore über dem Westportal der Kirche fest, was die bisherige Projektierung des Orgelbauers hinfällig machte. Richter verzichtete jedoch auf einen Zusatzvertrag - später schrieb er, er habe unter hohem Konkurrenzdruck gestanden -, und unterzeichnete den Vertrag. Die Arbeiten des Orgelbauers waren fortan von Streitigkeiten zwischen ihm und dem Senat überschattet. Die ausgeführte Disposition wich letztlich von der ursprünglich geplanten grundlegend ab.
Unter Verwendung einer größeren Zahl von Registern der alten Orgel baute Richter bis 1741 an dem neuen Instrument.
Der neue Standort ließ eine neue, weit größere Dimensionierung der Orgel zu. Für die Arbeiten sah ein Antrag der Provisoren der Kirche vom 5. März 1732 Kosten in Höhe von 2592 Reichstalern vor. Davon entfielen 1672 Reichstaler auf Richters Vorschlag zum Bau, weitere 350 Reichstaler für die Arbeit des Bildhauers Michael Möller, 270 Reichstaler für den Zimmermann Höppner und 300 Reichstaler für den Tischler Pirlstiber. Christian Gottlieb Richter reichte einige Nachforderungen ein, da das Werk von den Plänen stark abwich. Am 10. Februar 1740 korrigierte Richter seine Forderung, die sich nun auf 1826 Reichstaler und 44 Schillinge belief. Die Provisoren von St. Jakobi verweigerten ihm allerdings das gewünschte Zeugnis über seine Arbeit mit der Begründung, dass die Orgel defekt sei. Nach wochenlangem Streit wurde am 19. Juli 1741 eine Endabnahme des Instruments durchgeführt. Die drei Organisten der Jakobikirche, Christopher Raupsch, Daniel Schön und I. Artmer bescheinigten, dass die Orgel „ein gutes werck“ sei. In dem Zeugnis wird auch die Disposition genannt:
Hauptwerk Prinzipal 16’ Octave 8’ Octave 4’ Octave 2’ Gedackt 8’ Gedackt 4’ Quinta 3’ Mixtur 6fach Tertian in duplo Quintadena 16’ Spielflöte 8’ Trumpete 16’ Vox humana 8′ Cimbelstern Tremulant Oberwerk Prinzipal 8’ Gedackt 8’ Quintadena 16’ Octave 4’ Superoctave 2’ Quinta 3’ 6 quialter in duplo Mixtur 5-fach Trumpete 8’ Gemshorn 16’ Pedal Prinzipal 16’ Subbass 16’ Gedackt 8’ Octave 8’ Octave 4’ offene Flöte 4’ Fagot 16’ Trumpete 8’ Schalmey 4’ Posaune 16’ Groß Untersatz 32’ Unterwerk Prinzipal 8’ Gedackt 8’ Gedackt 4’ Flöte Ravers 4’ Octave 4’ Super octave 2’ Quinta 11/2’ Cimbel Mixtur 3-fach Tastaturumfang in den Manualen: C, D–c’’’, im Pedal: C, D–d’
Hauptwerk, Oberwerk, Pedal und Unterwerk waren in einem Hauptgehäuse zusammengefasst; klanglich wurden damit das Oberwerk und das Unterwerk zu Nebenwerken. Die Gestaltung des Prospekts zeichnete sich durch abgewogenen Proportionen aus und wurde bewundert.
Im Jahr 1751 musste die Orgel jedoch wegen baulicher Mängel generalüberholt werden. Der Lübecker Orgelbauer Christoph Julius Bünding stellte die Mängel in einer Aufstellung mit Kostenvoranschlag zusammen („Specification Denen Defecten die sich bey hisiger Orgel in der St:Jacobi Kirche gemercket sind“). Danach gab es Mängel an den Windladen und Ventilen, eine schwerfälligen Mechanik, zu wenig Windkanäle und zudem eine schlechte Windkanalführung und schlecht konstruierte Blasebälge. Auch an den Pfeifen sind diverse Mängel benannt. Bünding forderte zudem einige Veränderungen an den Pfeifen. Bis zu 1000 Pfeifen wollte er neu anfertigen lassen. Für seine Arbeiten veranschlagte er zwischen 800 und 1000 Reichstaler. Am 28. Mai 1751 wurde ihm ein gutes Zeugnis für die Arbeiten ausgestellt.
Der Rostocker Orgelbauer Paul Schmidt attestiert der Orgel allerdings schon zwölf Jahre nach der Generalüberholung durch Bünding in einem Gutachten vom 12. August 1763 erhebliche Mängel; u. a. würden die größeren, obwohl bereits mit Riemen angebunden, Pfeifen herausfallen. Schmidt erhielt allerdings keinen Auftrag zur Reparatur.
Der Berliner Ernst Julius Marx wurde am 2. März 1778 vertraglich zum Ausbau der Orgel in St. Jakobi verpflichtet. Marx war zu jener Zeit mit Arbeiten an der Orgel der Marienkirche in Stralsund beschäftigt. Bereits an der dortigen Orgel wurden Marx allerdings unlautere Geschäfte nachgesagt, und auch an der Orgel in St. Jakobi versprach er vertraglich teilweise Verbesserungen und Neubauten, die letztlich ausblieben. Die Umgestaltung der Orgel, die Marx selbst unzutreffend als Neubau seinerseits erklärte, veranschlagte er zunächst mit 2800 Reichstalern, was letztlich jedoch nicht eingehalten wurde.
Die Disposition nach Marx’ Umgestaltung sah wie folgt aus:
Hauptwerk Prinzipal 16’ Bordun 16’ Octave 8’ Gemshorn 8’ Viola di Gamba 8’ Rohrflöte 8’ Quinta 6’ Octave 4’ Quinta 3’ Octave 2’ Cornet Disc. 3-fach Scharfe Mixtur 6-fach Cimbel 4-fach Trompet 16’ Tremulant Oberwerk Prinzipal 8’ Große Quintaden 16’ Salicional 8’ Gedackt 8’ Klein Gedackt 4’ Octave 4’ Quinta 3’ Lamento 8’ Octava 2’ Mixtur 5-fach Trompet 6’ Pedal Prinzipal 16’ Subbass 16’ (Violon)? 16’ Gemshorn 8’ Bassflöte 8’ Quinta 6’ Octav 4’ Nachthorn 4’ Mixtur 5-fach Posaune 16’ Posaune 8’ Unterwerk Prinzipal 8’ Lieblich Gedackt 8’ Quintadon 8’ Rohrflöte 4’ Nasard 3’ Fugara 4’ Viola di Gamba 4’ Octave 2’ Mixtur 3-fach Vox humana 8’ Schwebung Sonnenzug Die Orgel wurde erst am 1. September 1783, nachdem der Organist J. Escherich sowie der zur Abnahme vorgesehene Johann Joachim Meyer diesbezüglich nachgefragt hatten, durch den aus Wismar stammenden Organisten Johann Joachim Meyer und die Stralsunder Organisten Anton Friedrich Mahlstädt (St. Marien) und Johann Friedrich Escherich (St. Jakobi) abgenommen. Dietrich W. Prost beurteilt 1979 das Abnahmeprotokoll von 1783 als in einem „ungewöhnlich schmeichlerische(n) Ton“ abgefast und mutmaßt, dass Marx die Organisten bestochen habe. Prost urteilt, dass Marx eher eine Instandsetzung als einen Neubau vorgenommen habe, worauf auch die Bauzeit von zwei Jahren deute.
Tatsächlich ziehen sich Schriftwechsel zwischen Ernst Marx und dem Provisorat bezüglich Finanz- und Fachfragen noch bis 1787 hin.
Der seit 1792 in Stralsund beheimatete Orgelbauer Christian Kindten wurde mit der Pflege aller Stralsunder Orgeln betraut. Nach seinem Tod 1803 übernahm der Instrumentenmacher Weith die Pflege der Orgel in St. Jakobi.
Nachdem Carl August Buchholz die Arbeiten an der Orgel der Marienkirche abgeschlossen hatte, reparierte er die Orgel in St. Jakobi. Zu Himmelfahrt 1829 wurde die Wiedereinweihung des Instruments gefeiert.
Ende der 1860er Jahre war die Orgel jedoch erneut in einem solchen Zustand, dass ein Neubau beschlossen wurde.
Dritte, aktuelle Orgel (19. Jahrhundert)
Orgeln der Sankt-Jakobi-Kirche (Stralsund) Allgemeines Ort St.-Jakobi-Kirche (Stralsund) Orgelerbauer Friedrich Albert Mehmel Baujahr 1877 Letzte(r) Umbau/Restaurierung (geplant) Epoche Romantik Orgellandschaft Vorpommern Technische Daten Anzahl der Pfeifen 3.500 (davon 1.000 vorhanden (Stand 2010)) Anzahl der Register 69 (Orgel nicht spielbar (Stand 2010)) Anzahl der Pfeifenreihen 83 (Orgel nicht spielbar (Stand 2010)) Anzahl der Manuale 4 Windlade Schleiflade Tontraktur Mechanisch (Barkerhebel) Anzahl der 32′-Register 2 (Orgel nicht spielbar (Stand 2010)) Anzahl der 64′-Register – Im Jahr 1868 begannen die Verhandlungen zwischen der Kirchgemeinde und dem Senat der Stadt. Am 26. Juli 1870 wurde der Stralsunder Orgelbauer Friedrich Albert Mehmel vertraglich für einen Neubau verpflichtet. Am 10 Mai 1870 reichte Mehmel einen Kostenvoranschlag ein. Er erklärte:
„Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, meiner Heimatstadt ein Orgelwerk zu liefern, welches den Orgelwerken größerer Städte ebenbürtig an die Seite gestellt werden kann.“
– Friedrich Albert Mehmel[1]
Mehmel übernahm von der alten Orgel den Prospekt. Da dieser Prospekt eine barocke Werkaufteilung vorgesehen hatte, geriet Mehmel durch diese Entscheidung in größere technische Schwierigkeiten, da seine Disposition einen anderen Werkaufbau vorsah. Die Fertigstellung und Abnahme verzögerte sich mehrfach wegen betrieblicher Schwierigkeiten. Der Endpreis erhöhte sich merklich. Am 7. November 1877 wurde die Orgel von Otto Wangemann begutachtet. Die Disposition sah wie folgt aus:
I Unterwerk C–f3 1. Abteilung Principal 16’ Quintatön 16’ Principal 8’ Salicional 8’ Dolce 8’ Portunal 8’ Rohrflöte 8’ Rohrflöte 4’ Fugara 4’ Clarinetto 8’ 2. Abteilung Octave 4’ Qunite 22/3’ Octave 2’ Cornett III–IV Mixtur V II Hauptwerk C–f3 1. Abteilung Principal 16’ Principal 8’ Oktave 4’ Quinte 22/3’ Octave 2’ Cornett IV Mixtur IV–V Cymbel III Trompete 8’2. Abteilung Bordun 32’ Bordun 16’ Gemshorn 8’ Viola di Gamba 8’Hohlflöte 8’ Gedackt 8’ Quinte 51/3’ Gemshorn 4’ Hohlflöte 4’ Fagott 16’ III Oberwerk C–f3 Gedackt 16’ Geigenprincipal 8’ Terpodeon 8’ Vox celeste 8’ Flauto traverso 8’ Gedackt 8’ Principal 4’ Flauto traverso 4’ Flautino 2’ Quintflöte 22/3' Progessiv-Harmonika II–V Hautbois 8’ IV Fernwerk
(schwellbar) C–f3Lieblich Gedackt 16’ Viol d’amour 8’ Harmonika 8’ Lieblich Gedackt 8’ Viol d’amour 4’ Harmonika aetheria I–III Aeoline 16’ Pedal C–d1 1. Abteilung Principal 32’ Posaune 32’ Principal 16’ Posaune 16’ 2. Abteilung Violon 16’ Subbass 16’ Octavenbass 8’ Violoncello 8’ Flötenbass 8’ Octave 4’ Dulcian 16’ 3. Abteilung Quintenbass 102/3’ Qunitflöte 51/3’ Waldflöte 2’ Trompete 8’ Clairon 4’ - Koppel:
- Spielhilfen: Kappln, Sperrventile.
In seinem Abnahmegutachten beschreibt Wangemann auch die Klänge der einzelnen Register. Auch Wilhelm Walther gibt in seinen Lebenserinnerungen 1922 eine Beschreibung der von Mehmel geschaffenen Klangfarben:
„(…) Zum Glück hatte der Orgelbauer Mehmel aus Stralsund ein tiefes Verständnis für Klangfarben (…). Z. B. intonierte er in der Ritzebütteler Orgel Prinzipal 16’ 8′ 4’ und 2’ ganz verschieden. Man konnte also diese vier Register abwechselnd benutzen, wenn man nur das Musikstück eine Oktave höher, resp. eine oder zwei Oktaven tiefer spielte.“[2]
Mehmel selbst beurteilte seine Arbeit in St. Jakobi selbtbewusst:
„Ich muß es im vollen Bewußtsein meiner Arbeit aussprechen, daß die Orgel für St. Jacobi sich neben die ersten in Deutschland stellen darf und fürchte ich mich nicht, daß sie in dieser Hinsicht in keinem Punkte zurückstehen und der strengen Beurtheilung die Spitze bieten werde.“
– Friedrich Albert Mehmel[1]
Im Abnahmegutachten Otto Wangemanns beschreibt dieser die einzelnen Register ausführlich. Der beschriebene Winddruck ist dabei sehr niedrig: Im Pedal 36°, im Hauptwerk 34°, in den Nebenwerken 31° und im Fernwwerk 27°. Die Orgel besaß Schleifladen, mechanische Traktur mit Barkerhebel und mechansche Registratur. Das Gutachten macht keine Angaben zu Koppeln. Zusammenfasend bemerkt Wangemann über die Orgel Mehmels:
„Die Intonation des gesamten Pfeifenwerks war vorzüglich, die Klangfarben wohlgelungen, so daß kein Orgelwerk bessere Schönheiten aufzuweisen hat. Das gesamte Pfeifwerk stand im Kammerton und war nach der gleichschwebenden Temperatur eingestimmt worden. Die Progression und Disposition der Stimmen war vorzüglich, die Eintheilung in Abtheilungen nur sachgemäß. Der p. Mehmel hat mit Erfolg die schönsten Erfindungen der Neuzeit im Orgelwerk angewandt. (…) Die Kunst des p. Mehmel zeigte sich hier im glänzendsten Licht. Material und Arbeit kan Jeder gut liefern, so intonieren nicht. (…) An Wohllaut und Reichthum der Klangfarben und Intonation gehört diese Orgel zum Schönsten, was ich bisher kennen lernte. (…) Es gereicht mir demnach zur aufrichtigsten Freude, bezeugen zu können, daß obige Orgel zu den schönsten Kunstwerken Deutschlands zählt.“
– Otto Wangemann, Abnahmeprotokoll der Orgel Mehmels in St. Jakobi, 7. November 1877
Dass das Instrument trotz der beschriebenen Eigenschaften nicht berühmt wurde, liegt wohl hauptsächlich daran, dass es nicht geeignet war, die Werke von Johann Sebastian Bach oder Felix Mendelssohn Bartholdy darauf zu spielen. Geeignete Musik kam von Franz Liszt, Adolf Reubke oder Josef Gabriel Rheinberger - die Stücke waren aber zumeist nicht sehr bekannt, und nicht alle Organisten konnten sie spielen. Es gab somit in Stralsund niemanden, der das Instrument voll ausspielen konnte.
Nach dem Tod Friedrich Albert Mehmels im Jahr 1888 übernahm sein Sohn Paul Mehmel die Pflege der Orgel. 1890 wurde die Orgel auf den neuen Kammerton umgestimmt. Paul Mehmel nahm einige Veränderungen vor, so die Verbesserung der Windversorgung. Die Vorschläge Paul Mehmels wurden dabei meist von Barnim Grüneberg begutachtet.
Die Balganlage wurde mehrfach verändert und letztlich die erforderliche Windmenge durch den Einbau einer elektrischen Gebläseanlage erreicht.
Nach dem Tod Paul Mehmels übernahm A. Stutz das Geschäft, ihm wurde die Pflege aber schon bald wieder entzogen. Jean Ratzmann und anschließend F. Beyer waren danach mit der Instrumentenpflege betraut.
Im Zweiten Weltkrieg wurden im Jahr 1943 nur Teile des barocken Schnitzwerks ausgelagert. Dem romantischen Großteil der Orgel wurde wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die von der Arbeitsgruppe Keibel des Preußischen Finanzministeriums geleiteten Arbeiten zur Einlagerung gingen mit einer Maßaufnahme, einer zeichnerischen und fotografischen Dokumentation des Gehäuses und einer Mensuraufnahme der barocken Pfeifen des Prospekts einher. Das Orgelwerk selbst wurde nicht dokumentiert und verblieb in der Kirche. Fortan wurde die Orgel geplündert, Metall und Holz wurden durch Diebe entwendet. Das Instrument blieb in der Kirche ungesichert. Der viermanualige Spielschrank fiel in den 1980er dem Vandalismus zum Opfer.
Im Jahr 1999 stellte die Firma Hermann Eule Orgelbau Bautzen fest, dass die technische Anlage der Orgel im Wesentlichen geschlossen erhalten geblieben ist. Von den 3500 Pfeifen waren weniger als 1000 Pfeifen erhalten geblieben, überwiegend solche aus Holz und die Zungenregister. Der Bestand lässt dennoch eine völlige Rekonstruktion der Orgel möglich erscheinen.
„In der Gesamtheit und in allen Einzelheiten zeigen die vorhandenen Teile der Spielanlage von einer meisterhaften, erstklassigen Qualität in der Auswahl der Materialien und Verarbeitung, in Konstruktion und Erfindungsreichtum und Qualitätssrenge des Erbauers. Die Anlage stellt ein bedeutendes Zeugnis romantischer Orgelbaukunst dar.“
– Gutachten der Orgelbaufirma Eule, 1999.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sicherte im Juni 2002 die Finanzierung der vollständigen Wiederherstellung der Orgel in der von Mehmel geschaffenen Form zu. Das Baltische Orgel-Centrum Stralsund betreut auch diese Orgel.
Erste Arbeiten zur Wiederherstellung der Orgel waren eine Holzschutzbehandlung und die Einlagerung der losen Orgelteile auf einem Zwischengeschoss über dem Gustav-Adolf-Saal in dem als Kulturkirche genutzten Kirchengebäude.[3]
Organisten
Die Organisten der drei großen Pfarrkirchen waren im Hauptberuf stets Lehrer, die das Orgelspiel zwar erlernt hatten, dies aber nicht als ausschließlichen Beruf betrieben. Bis 1941 gab es in Stralsund keinen Organisten, der das Orgelspiel mit künstlerischer Zielsetzung erlernt hatte oder betrieb.
- Friedrich Schuck (um 1650)
- I. Artmer (um 1740)
- Johann Friedrich Escherich (um 1780)
- Blechschmidt (um 1790)
- Looks (nach 1877)
Literatur
- Förderverein St. Jakobikirche zu Stralsund e. V. (Hrsg.): Der vergessene Raum. 700 Jahre St. Jakobi Stralsund., Mückenschweinverlag, Stralsund 2003, ISBN 3-936311-12-9.
- Dietrich W. Prost: Die Orgel in der Jakobikirche zu Stralsund. In: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch, Band 12, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1979.
- Dietrich W. Prost: Stralsunds Orgeln. Orgelbau-Fachverlag Rensch, Lauffen 1996, ISBN 3-921848-07-5.
Weblinks
Commons: Mehmel-Orgel Stralsund – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Orgel der Jakobikirche Stralsund auf der Internetpräsenz des Baltischen Orgelcentrums
Einzelnachweise
- ↑ a b Stadtarchiv Stralsund, KiH II a 23
- ↑ Wilhelm Walther: Lebenserinnerungen aus 50 Jahren. Schwerin 1922
- ↑ Martin Rost: Die Mehmel-Orgel in St. Jakobi zu Stralsund. jakobi-stralsund.de
Kategorien:- Orgel in Deutschland
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