Paul Lazarus (Rabbiner)

Paul Lazarus (Rabbiner)

Paul Pinchas Lazarus (* 30. Oktober 1888 in Duisburg; † 1. Januar 1951 in Haifa) war ein deutscher Rabbiner, der von 1918 bis 1938 in Wiesbaden wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Kassel studierte Lazarus ab 1907 am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau.[1] Außer jüdischer Religion studierte er auch Geschichte und Philosophie an den Universitäten in Breslau, Marburg und Erlangen, wo er 1911 mit einer Arbeit über das Basler Konzil promoviert wurde. 1915 legte er in Breslau das Rabbiner-Examen ab. Seit September 1914 war er Zweiter Rabbiner in Essen. Er meldete sich als Kriegsfreiwilliger und wurde ab 1916 bis 1918 als Feldrabbiner in Mazedonien eingesetzt.

1918 wurde Paul Lazarus als Nachfolger des nach Köln berufenen Adolf Kober Rabbiner der Wiesbadener (liberalen) jüdischen Gemeinde. Dort war er bis zu seiner Pensionierung im Oktober 1938 Stadt- und Bezirksrabbiner.

Im Jahr 1921 gründete er in Wiesbaden unter Mithilfe von Franz Rosenzweig ein Lehrhaus. Rosenzweig hatte bereits 1920 in Frankfurt das Freie Jüdische Lehrhaus gegründet; die beiden kannten sich aus Lazarus' Tätigkeit als Feldrabbiner.[2] 1925 heiratete er Jadwiga Walfisz; sie bekamen zwei Töchter, Hanna (geb. 1927) und Hava (geb. 1930, gest. 1998). Hava Lazarus-Yafeh wurde Professorin für Islamstudien an der Hebräischen Universität in Jerusalem und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Aufsätze zum Verhältnis zwischen Muslimen, Juden und Christen.

Lazarus' Tätigkeit in der Wiesbadener Zeit war vielfältig: Er gründete ein Altenheim und 1936 eine Schule, war Präsidiumsmitglied der Vereinigung der liberalen Rabbiner Deutschland und Präsident der Nassau-Loge, engagierte sich sehr in der Jugendarbeit und schrieb Beiträge zur deutschen Encyclopaedia Judaica.

Da Lazarus ab 1922 an Diabetes litt, wurde er schon mit 49 Jahren, im Oktober 1938, pensioniert – einige Wochen vor den Novemberpogromen 1938.[3] Im Februar 1939 emigrierte er mit seiner Familie nach Palästina, wo er in Haifa in der Erwachsenenbildung und bis 1950 als Rabbiner der Einwanderergemeinde Bet Jisrael tätig war.

Veröffentlichungen

  • Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und seine Behördenorganisation, Historische Studien, Heft 100, Berlin 1912
  • Geschichte der Nassau-Loge 1890–1930, Wiesbaden, Selbstverlag der Nassau-Loge, 1930
  • Die Jüdische Gemeinde in Wiesbaden, 1918–1942. Ein Erinnerungsbuch, New York 1949

Literatur

  • Schlomo Friedrich Rülf (Hrsg.): Paul Lazarus Gedenkbuch. Beiträge zur Würdigung der letzten Rabbinergeneration in Deutschland. Jerusalem Post Press, Jerusalem 1961
  • Förderkreis Aktives Museum Deutsch-Jüdischer Geschichte in Wiesbaden: Begegnungen I … den Verlust bewusst machen - Über das Leben der Jüdischen Gemeinde in Wiesbaden und vom Bau der Synagoge auf dem Michelsberg, Hrsg.: Paulgerd Jesberg, Redaktion: Dorothee Lottmann-Kaeseler, Wiesbaden 1988; Texte u.a. von Paul Lazarus, Lothar Bembenek
  • Biographisches Handbuch der Rabbiner, hrsg. von Michael Brocke und Julius Carlebach, Teil 2: Die Rabbiner im Deutschen Reich 1871-1945, 2 Bände, hier: Band 2, Seite 369-370, Walter de Gruyter, Berlin 2009
  • Franz Menges: Lazarus, Paul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, S. 13 (Onlinefassung).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe Leo Baerwald: Paul Lazarus – Sein Leben und Wirken in Deutschland, in: „Gedenkbuch“, S. 11–20, und die biographische Beilage der „Begegnungen 1/88“.
  2. Siehe Ignaz Maybaum: Franz Rosenzweig and the German rabbis, in: „Gedenkbuch“, S. 154–160.
  3. Sein Nachfolger war bis März 1940 Dr. Bruno Finkelscherer (1906–1943), dem Hansjörg Hanff (1915–1942) folgte.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Paul Lazarus — ist der Name folgender Personen: Paul Lazarus (Mediziner) (1873–1959), deutscher Radiologe Paul Lazarus (Rabbiner) (1888–1951), deutscher Rabbiner Paul Lazarus III (* 1938), US amerikanischer Filmproduzent, Autor und Hochschullehrer …   Deutsch Wikipedia

  • Lazarus (Name) — Lazaros, latinisiert Lazarus, ist ein griechischer Name nach dem heiligen Lazarus. Von Lazarus oder Lazaros sind Formen wie Lazare, Lazar oder Lasar abgeleitet. Lazarus ist der Vorname folgender Personen: des Heiligen Lazarus Lazarus (Bischof)… …   Deutsch Wikipedia

  • Schlomo Friedrich Rülf — Schlomo (Salomon) Friedrich Rülf (* 13. Mai 1896 in Braunschweig; † 13. August 1976 in Vevey) war ein deutscher Rabbiner und Schriftsteller, der nach der Auswanderung nach Palästina als Lehrer und Schulleiter in Israel wirkte. Inhaltsverzeichnis… …   Deutsch Wikipedia

  • RABBI, RABBINATE — The title rabbi is derived from the noun rav, which in biblical Hebrew means great and does not occur in the Bible; in its later sense in mishnaic Hebrew, however, the word rav means a master as opposed to a slave (e.g., does a slave rebel… …   Encyclopedia of Judaism

  • Liste Duisburger Persönlichkeiten — Die folgende Liste beschäftigt sich mit den Persönlichkeiten der Stadt Duisburg. Inhaltsverzeichnis 1 In Duisburg geborene Persönlichkeiten 1.1 13. bis 18. Jahrhundert 1.2 19. Jahrhundert …   Deutsch Wikipedia

  • Israelitischer Tempel (Hamburg) — Neuer Tempel in der Poolstraße 1844 Der Israelitische Tempel war die Reformsynagoge des 1817 gegründeten liberalen Neuen Israelitischen Tempel Vereins in Hamburg. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Hamburger Israelitischer Tempel — Der Israelitische Tempel in der Poolstraße in der Hamburger Neustadt war von 1844 bis 1931 die Reformsynagoge des liberalen Neuen Israelitischen Tempel Vereins. Er wurde von 1842 bis 1844 nach Plänen des Architekten Johann Hinrich Klees Wülbern… …   Deutsch Wikipedia

  • Hamburger Tempel — Der Israelitische Tempel in der Poolstraße in der Hamburger Neustadt war von 1844 bis 1931 die Reformsynagoge des liberalen Neuen Israelitischen Tempel Vereins. Er wurde von 1842 bis 1844 nach Plänen des Architekten Johann Hinrich Klees Wülbern… …   Deutsch Wikipedia

  • Israelitischer Tempel Hamburg — Der Israelitische Tempel in der Poolstraße in der Hamburger Neustadt war von 1844 bis 1931 die Reformsynagoge des liberalen Neuen Israelitischen Tempel Vereins. Er wurde von 1842 bis 1844 nach Plänen des Architekten Johann Hinrich Klees Wülbern… …   Deutsch Wikipedia

  • Israelitischer Tempel Poolstraße — Der Israelitische Tempel in der Poolstraße in der Hamburger Neustadt war von 1844 bis 1931 die Reformsynagoge des liberalen Neuen Israelitischen Tempel Vereins. Er wurde von 1842 bis 1844 nach Plänen des Architekten Johann Hinrich Klees Wülbern… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”