- Philip-Johnson-Haus
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52.50906713.389278Koordinaten: 52° 30′ 33″ N, 13° 23′ 21″ O
Das Philip-Johnson-Haus ist ein 1997 fertiggestelltes Bürogebäude an der Friedrichstraße 200 in Berlin-Mitte. Benannt ist es nach dem New Yorker Architekten Philip Johnson, der es entwarf und zusammen mit dem Berliner Architekturbüro Pysall, Stahrenberg und Partner errichtete. Das Haus auf dem Gelände des ehemaligen Grenzübergangs am Checkpoint Charlie war eines der letzten Projekte Johnsons, eines der Mitbegründer der Postmoderne und der dekonstruktivistischen Architektur, und Teil des mit fünf Gebäuden geplanten „American Business Center“.
Inhaltsverzeichnis
Lage
In Block 106 der Friedrichstraße in Berlin steht das Philip-Johnson-Haus freistehend zwischen der Schützen-, Krausen- und Mauerstraße. Neben dem Gebäude befindet sich der Bethlehemkirchplatz, benannt nach der 1943 zerstörten Bethlehemskirche. Auf dem Platz steht die Skulptur „Houseball“ von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, die über Stationen in Bonn und Rostock zu diesem Platz gelangte. Die kugelförmige Pop Art-Skulptur stellt einen Hausstand aus Möbeln und anderen Dingen dar, der zu einem Bündel gebunden ist.[1]
Auf dem Grundstück befanden sich vor dem Zweiten Weltkrieg neben der Bethlehemskirche Wohn- und Geschäftshäuser. In einem dieser Häuser fertigte der Metzger Loewenthal 1889 die ersten Bockwürste für den Wirt Roland Scholz.[2] Im Krieg wurden die Gebäude durch Bomben stark beschädigt und später abgerissen. Bis zur deutschen Wiedervereinigung lag das Gelände und seine Umgebung in unmittelbarer Nähe zur Berliner Mauer in Ost-Berlin. Teile der Anlagen zur Grenzkontrolle am Checkpoint Charlie befanden sich hier. Nach dem Abriss der Grenzanlage 1990/1991 lag das Gelände brach.
Geschichte
Der amerikanische Milliardär Ronald Lauder entwickelte mit seinem Partner Mark Palmer, dem ehemaligen Botschafter der Vereinigten Staaten in Ungarn, die Idee eines amerikanischen Geschäftszentrums in Berlin, in das hunderte amerikanische Firmen einziehen und 3500 Arbeitsplätze entstehen sollten. Als Standort suchten sie die Grundstücke am ehemaligen Checkpoint Charlie aus. Während eines Festaktes zum Projektstart am 2. Oktober 1992 bezeichnete Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen das Projekt als „wichtiges Signal der Hoffnung und Zuversicht“.[3] Nach längeren Verhandlungen mit den Nachkommen von jüdischen Alteigentümern der Grundstücke aus New York begannen die Bauarbeiten 1994.[3]
Geplant waren fünf Bürogebäude in den Blöcken 105, 106, 200, 201a und 201b. Insgesamt sollten 160.000 m² Bruttogeschossfläche entstehen. Für jedes Gebäude zeichnete ein anderes Architektenteam verantwortlich, das bis auf Johnson, den Lauder direkt beauftragte, in vier beschränkten Architekturwettbewerben 1992 ermittelt wurden. Der Amerikaner David Childs von SOM gewann den Wettbewerb für Block 200. Die anderen drei Aufträge gingen an Architektenteams aus Berlin, München und Frankfurt.[4] Philip Johnson hatte 1993 sein Büro in New York verkleinert und war 87 Jahre alt.[5] Während der Weimarer Republik hatte er etwa drei Jahre in Berlin verbracht[6] und mit der Kunsthalle Bielefeld vorher schon in Deutschland gearbeitet.
Von den fünf Entwürfen des Business Centers wurden nur drei umgesetzt. Die Blöcke 105 und 200 blieben unbebaut. In Block 105 stand 2005 das umstrittene Freiheitsmahnmal der Arbeitsgemeinschaft 13. August, die an einem Kauf der brach liegenden Flächen interessiert ist. Nach der Fertigstellung des Gebäudes 1997 zogen unter Anderem die Botschaften Irlands, Singapurs und zeitweise auch Australiens ein. Weitere Flächen werden von unterschiedlichen Unternehmen genutzt.
Gestaltung
Das Haus hat acht Ober- und drei Untergeschosse mit einer Bruttogeschossfläche von etwa 38.000 m². Risalitartige natursteinverkleidete Baukörper bilden ein turmartiges Ensemble, das durch Glaszwischenbauten verbunden ist. Mit den aus der Vertikalen gekippten Curtain Walls über den Eingängen artikuliert sich „Johnson’s Rebellion gegen das Erwartbare“.[7] Die Berliner Traufhöhe wird durch ein Gesimsband in 22,90 m Höhe akzentuiert. Parallel zum Gesimsband läuft über dem Erdgeschoss ein weißes Metallband um, auf dem die Namen der Geschäfte angebracht sind. Im Erdgeschoss führen Passagen kreuzförmig von allen Gebäudeseiten in das zentrale, dreigeschossige Atrium, das in 12 m Höhe glasüberdacht ist und an Heinrich Tessenows Stadtbad in Berlin-Mitte 1930 erinnert. Etwa zehn Zentimeter hinter den zurückgesetzten Fenstern sind grau-oliv beschichtete Aluminiumbleche montiert, die den Blick unter die Schreibtische verhindern sollen.
Über dem Gebäudesockel, der auf 3000 m² Fläche öffentliche Nutzungen wie Läden beherbergt, liegen sieben Obergeschosse mit weiteren 18.000 m² vermietbarer Fläche. Die darin befindlichen Büronutzungen sind als Zweibünder angelegt und umschließen zwei Innenhöfe. Das oberste Geschoss ist aus städtebaulichen Gründen zurückversetzt und bietet so eine umlaufende Terrasse vor den Büros. Zu den Innenhöfen ist das oberste Stockwerk nicht zurück gesetzt.[8] Die Risalite bilden oberhalb der Traufhöhe Gauben. Außen, im Atrium und in den Eingangsbereichen, sind die Wände mit grau-lila geflämmten Granit verkleidet, der nach dem Zuschnitt mit einer 900 °C heißen Flamme behandelt wurde.[9]
Die Stockwerke werden über sieben Treppenhäuser und drei Aufzugsanlagen mit je zwei Fahrkörben erschlossen.[8]
Rezeption
Das Design des Gebäudes konnte die Kritiker in der Berliner Architekturszene nicht überzeugen und die in es gesetzten Hoffnung, die durch die Marketingabteilung der Investoren noch gesteigert wurden, nicht erfüllen. Franz Schulze bezeichnete den Entwurf als „Durchschnittsarbeit mit modernem Einschlag“, der „wohl kaum als nobles Werk gelten“ kann. „Dem dekonstruktivistisch orientierten und von Gehry beeinflußten Stil, der in letzter Zeit [Johnsons] Phantasie beschäftigt hatte war, diese Arbeit erst recht fremd.“[10] Falk Jaeger schrieb 1999: „der Bau hat auch nichts Originäres, Kraftvolles, Eigenständiges, wie von Johnson eigentlich erwartet wurde“ und schließt seinen Bericht mit der Feststellung: „das Haus [ist] ein Abbild seiner amerikanischen Herren: professionell geführt, höchst effektiv, technisch innovativ, doch sterbenslangweilig und wenig stilsicher im Outfit.“[11] In einer anderen – eher postmodernen – Lesart kann das Gebäude als Superimposition eines steinernen Käfigs über einem gerasterten Glaskubus betrachtet werden.[12]
Nach negativen Kritiken machte Johnson, der oft selbst Kritik an den Arbeiten anderer Architekten übte – eine 1993 veröffentlichte Dokumentation der BBC bezeichnete ihn als Paten der amerikanischen Architektur und stellte ihn als einen „berechnenden und manipulierenden Drahtzieher“ dar[13] – die Berliner Stadtplanung und die Bauauflagen des Berliner Senats verantwortlich. Dies bekräftigte er in einer Rede im Renaissance-Theater am 13. Juni 1993. Darin kritisierte er Stadtplanungen im Allgemeinen und die von Berlin im Speziellen, die durch die von Stadtbaudirektor Hans Stimmann geprägte kritische Rekonstruktion gekennzeichnet war und ihn wie alle anderen Architekten bei der Gestaltung des Hauses in der Friedrichstraße eingeschränkt habe. Johnson propagierte dagegen einen anderen Umgang mit der Stadtplanung, die seiner Ansicht nach auf Ideen von Karl Friedrich Schinkel zurückginge. Am Ende der Rede präsentierte er einen zweiten Entwurf für den Bau in der Friedrichstraße: Eine an ineinander verschlungene Eisberge erinnernde Würfelformation im Stil des Dekonstruktivismus.[14] Seine Berliner Partner teilten die Kritik Johnsons nicht.[9]
Finanzierung
Zu Beginn des Projekts war Ronald Lauder der Hauptinvestor, der aber nach Komplikationen beim Bau und der Kalkulation im September 1997 ausstieg. Die Kalkulation ging von einem Vermietungsstand und Mietpreisen aus, die auf dem Berliner Immobilien-Markt – es standen etwa 1,5 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer – nur schwer zu erzielen waren. Bilanzierungstricks führten zu einer weiteren Verschlechterung der Lage zehn Jahre nach der Eröffnung.[9] Der nach dem Ausstieg Lauders für das Gebäude gegründete Immobilienfond ging 2005 in Insolvenz. Davon waren die Einlagen von 1900 Investoren betroffen.[15] 2006 kaufte die amerikanische Investmentfirma Tishman Speyer das Haus.[16]
Lauders früher Partner Mark Palmer, der das Projekt 1996 verließ, machte die Bundesregierung mit ihrem schleppendem Regierungsumzug in 1990ern für die Pleiten mitverantwortlich.[3]
Literatur
- Peter Blake: Philip Johnson. Birkhäuser, Basel 1996, ISBN 3764353937.
- Franz Schulze: Philip Johnson. Leben und Werk. Springer, Wien 1996, ISBN 3211827684.
Weblinks
Commons: Philip-Johnson-Haus – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Beschreibung des Houseball auf der Webseite der Künstler (englisch), abgerufen 11. September 2009.
- ↑ friedrichstrasse.de: Bockwurst Hunger und Durst, abgerufen am 22. November 2009.
- ↑ a b c Tote Hose. In: Der Spiegel. Nr. 27, 1998, S. 119 (online).
- ↑ Bauwelt, Heft 21/1993, S. 1110.
- ↑ Schulze 1996, S. 461ff.
- ↑ Transskript der Rede „Berlin's Last Chance – Schinkel, Messel, Mies van der Rohe - Now what?“ vom 13. Juni 1993 im Renaissance-Theater in Berlin.
- ↑ „Johnson's rebellion against the expected is embodies in bays of curtain wall that seem to pivot outward on the diagonal.“ Richard Payne, Hilary Lewis, Stephen Fox: The architecture of Philip Johnson Bulfinch Press: Boston 2002. ISBN 0-8212-2788-2
- ↑ a b Blake 1996, S. 236.
- ↑ a b c Rainer Haubrich und Stefan Loipfinger: Solitär mit Ecken und riskanter Kalkulation, abgerufen 8. September 2009.
- ↑ Schulze 1996, S. 464.
- ↑ Falk Jaeger: Ein Amerikaner in Berlin. in Der Tagesspiegel, 9. Januar 1999.
- ↑ „… therefore its overlay of gray Brazilian granite on a glass curtain wall …“ Richard Payne, Hilary Lewis, Stephen Fox: The architecture of Philip Johnson Bulfinch Press: Boston 2002. ISBN 0-8212-2788-2
- ↑ Schulze 1996, S. 462: Originaltitel der Dokumentation Philip Johnson: Godfather of American Architecture.
- ↑ Schulze 1996, S. 466ff.
- ↑ Tina Manske: Sanierungskonzept für Philip-Johnson-Haus gescheitert: 1900 Anleger betroffen, in Der Tagesspiegel, 20. Dezember 2005.
- ↑ Tishman Speyer kauft Philip-Johnson-Haus, in Berliner Morgenpost, 6. September 2006.
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