- Quasikörper
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Ein Quasikörper, nach Oswald Veblen und Joseph Wedderburn auch Veblen-Wedderburn-System genannt, ist eine algebraische Struktur, die in der synthetischen Geometrie als Koordinatenbereich für bestimmte affine Ebenen, die affinen Translationsebenen dient. Quasikörper sind stets kartesische Gruppen und jeder Alternativkörper ist ein Quasikörper.
Inhaltsverzeichnis
Definitionen
Bei der geometrischen Definition wird auf einer affinen Translationsebene durch Wahl einer Punktbasis (O,E1,E2) ein affines Koordinatensystem eingeführt. Dabei dienen die Punkte auf der ersten Achse OE1 dieses Koordinatensystems als Koordinaten. Auf dem Koordinatenbereich K = OE1 werden eine Addition und Multiplikation durch geometrische Konstruktion eingeführt.
Bei der algebraischen Definition wird der Quasikörper durch seine algebraischen Eigenschaften charakterisiert und auf der Menge der Paare K2 als Punktkoordinaten eine affine Translationsebene durch algebraische Gleichungen, die die Geraden beschreiben, aufgebaut.
Geometrische Definition
Eine affine Ebene A heißt affine Translationsebene, wenn es zu jedem Paar von Punkten eine Translation gibt, also eine Kollineation mit den Eigenschaften
- τ(P) = Q,
- für jede Gerade g der Ebene ist ,
- τ ist die Identität oder fixpunktfrei.
Eine affine Ebene ist genau dann eine Translationsebene, wenn in ihr der kleine affine Satz von Desargues gilt.
In der affinen Translationsebene werden drei verschiedene Punkte O,E1,E2 gewählt, die nicht auf einer gemeinsamen Gerade liegen. Die Punkte der ersten Koordinatenachse K = OE1 dienen als Koordinaten. Jedem Punkt der Ebene kann durch die Koordinatenkonstruktion ein Paar umkehrbar eindeutig zugeordnet werden.
Addition
Seien zwei Punkte auf der ersten Koordinatenachse OE1. Deren Summe a + b erhält man wieder als Punkt auf dieser Achse durch folgende Konstruktion[1], vergleiche dazu die Abbildung rechts:
- Wähle einen Hilfspunkt H außerhalb der ersten Koordinatenachse.
- Die Parallele zu OE1durch H schneidet die Parallele zu OH durch a in P.
- Die Parallele zu bH durch P schneidet die erste Koordinatenachse OE1 im Punkt a + b. Dieser Punkt ist die gesuchte Summe.
Das Ergebnis der Konstruktion ist unabhängig davon, welchen Hilfspunkt H außerhalb der ersten Koordinatenachse man verwendet. Vom zugrundegelegten Koordinatensystem gehen nur der Ursprung und die erste Koordinatenachse als Gerade in die Konstruktion ein. Das heißt: Wählt man ein anderes Koordinatensystem mit demselben Ursprung und derselben ersten Koordinatenachse, aber einen anderen ersten Einheitspunkt auf dieser Achse und einen beliebigen zweiten Einheitspunkt außerhalb der ersten Achse, dann ändert sich dadurch die Addition nicht.
Durch die so konstruierte Addition wird (K, + ) zu einer kommutativen Gruppe. Ihr neutrales Element ist der Ursprung O des Koordinatensystems. Sie ist zur Gruppe der Parallelverschiebungen in Richtung der ersten Koordinatenachse isomorph.[2]
Multiplikation
Seien zwei Punkte auf der ersten Koordinatenachse OE1. Deren Produkt erhält man wieder als Punkt auf dieser Achse durch folgende Konstruktion[3], vergleiche dazu die Abbildung rechts:
- Die Parallele zu E1E2 durch b schneidet die zweite Koordinatenachse OE2 in B.
- Die Parallele zu aE2 durch B schneidet die erste Koordinatenachse OE1 im Punkt . In der Zeichnung ist dieser Punkt aus technischen Gründen mit a * b beschriftet.
Mit den beiden Verknüpfungen Addition und Multiplikation erfüllt die erste Koordinatenachse K = OE1 die nachfolgend genannten algebraischen Eigenschaften eines Quasikörpers.[4] Das neutrale Element der Multiplikation ist der erste Einheitspunkt 1 = E1.
Algebraische Definition
Eine Menge K mit den zweistelligen Verknüpfungen und zwei verschiedenen Strukturkonstanten heißt (Links-)Quasikörper, wenn die folgenden Axiome gelten:
- (K, + ) ist eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0.
- ist eine Loop mit dem neutralen Element 1, also eine Quasigruppe mit einem zugleich links- und rechtsneutralen Element 1.
- gilt für alle .
- Es gilt das Linksdistributivgesetz: für alle .
- Zu mit gibt es genau ein mit .
Erfüllt die Struktur diese Eigenschaften eines Quasikörpers, dann können auf der durch die Menge der Paare A = K2 gegebenen Punktmenge durch Koordinatengleichungen Geraden definiert werden. Die Struktur aus Punkten und Geraden bildet dann eine affine Translationsebene. → Die Geradengleichungen sind im Artikel Ternärkörper im Abschnitt Geometrie der Ebene beschrieben.
Kern eines Quasikörpers
Die Menge
wird als Kern des Quasikörpers bezeichnet. Dieser Kern ist ein Schiefkörper. Der Quasikörper ist ein Modul über seinem Kern.
Eigenschaften und Bemerkungen
- Durch die Definition kann auf jedem Quasikörper eine Ternärverknüpfung eingeführt werden, mit der der Quasikörper zu einem linearen Ternärkörper wird.
- Zum 5. Axiom des Quasikörpers in der algebraischen Definition ist zu bemerken:
- Gilt in K auch das Rechtsdistributivgesetz, dann folgt das 5. Axiom aus den ersten drei Axiomen, es ist eine echte Abschwächung des Rechtsdistributivgesetzes.
- Es ist entbehrlich, das heißt es folgt ohne weitere Voraussetzungen aus den übrigen Axiomen, falls K endlich ist.[5]
- Ein Quasikörper, in dem beide Distributivgesetze gelten, wird in der Geometrie als Halbkörper[6] bezeichnet. Man beachte aber, dass diese Bezeichnung in der Mathematik nicht einheitlich gebraucht wird und vergleiche dazu Halbkörper.
- Der durch die Axiome definierte Quasikörper ist genauer ein Linksquasikörper, denn in ihm gilt das Linksdistributivgesetz. Auch Rechtsquasikörper - mit Rechtsdistributivgesetz statt 4. und entsprechend mit umgekehrter Multiplikation formuliertem 5. Axiom werden in der Literatur einfach als Quasikörper gezeichnet, hier kommen aber auch die qualifizierten Begriffe vor.[7] Ein Halbkörper im Sinne der Geometrie ist stets zugleich Links- und Rechtsquasikörper.
- Offensichtlich wird ein Linksquasikörper durch Umkehrung der Multiplikation zu einem Rechtsquasikörper und umgekehrt.
- Gilt in einem Halbkörper im Sinne der synthetischen Geometrie zusätzlich zu beiden Distributivgesetzen die Alternativität, eine abgeschwächte Form des Assoziativgesetzes der Multiplikation, dann ist dieser Halbkörper sogar ein Alternativkörper.
- Quasikörper wurden bis 1975 in der Literatur als Veblen-Wedderburn-System bezeichnet.[8]
- Jeder Quasikörper ist eine kartesische Gruppe.
Siehe auch
- Der Artikel Ternärkörper enthält zahlreiche Beispiele für Quasikörper, insbesondere auch ein ausführlich dargestelltes Beispiel eines endlichen, nichtkommutativen Quasikörpers (→ im Unterabschnitt Beispiele der Ordnung 9).
- Quasikörper treten auch als Koordinatenbereiche von speziellen projektiven Ebenen auf. Dies sind in der Klassifikation projektiver Ebenen nach Hanfried Lenz die Ebenen der Klassen IV, V und VII.
Literatur
- Walter Benz: Ein Jahrhundert Mathematik, 1890-1990. Festschrift zum Jubiläum der DMV. Vieweg, Braunschweig 1990, ISBN ISBN 3-528-06326-2.
- Wendelin Degen und Lothar Profke: Grundlagen der affinen und euklidischen Geometrie. In: Mathematik für das Lehramt an Gymnasien. 1. Auflage. Teubner, Stuttgart 1976, ISBN 3-519-02751-8.
- Günter Pickert: Ebene Inzidenzgeometrie. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1968.
- Oswald Veblen and Joseph Wedderburn: Non-Desarguesian and non-Pascalian geometries. In: Transactions of the American Mathematical Society. 8, American Mathematical Society, 1907, S. 379–388.
- Charles Weibel: Survey of Non-Desarguesian Planes. In: Notices of the American Mathematical Society. 54, American Mathematical Society, November 2007, S. 1294–1303 (http://www.ams.org/notices/200710/tx071001294p.pdf PDF, 702 KB).
Einzelnachweise
- ↑ Degen (1976), S. 50
- ↑ Degen (1976), Satz 2.13
- ↑ Degen (1976), S. 50
- ↑ Degen (1976), Satz 2.17
- ↑ Weibel (2007) S. 1297
- ↑ Hauke Klein: Semidfields. In: Geometry. Universität Kiel, 29. November 2002, abgerufen am 13. Dezember 2010 (HTML, englisch).
- ↑ Weibel (2007) formuliert explizit Axiome „(for) a (right) quasi-field R“, nennt diesen ansonsten einfach „quasi-field“. Er erwähnt (S. 1300), dass „(for) a left quasi-field R...Rop is a a right quasi-field“. Degen (1976) kennt nur eine Sorte „Quasikörper“, der das Linksdistributivgesetz erfüllt, also „left quasi-field“.
- ↑ Weibel (2007), S. 1300
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