- Projektive Ebene
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Eine projektive Ebene ist in der Geometrie eine Punkte und Geraden umfassende Inzidenzstruktur, die im Wesentlichen durch zwei Forderungen charakterisiert ist, nämlich dass je zwei Geraden einen (eindeutigen) Schnittpunkt und je zwei Punkte eine (eindeutige) Verbindungsgerade besitzen.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Eine Inzidenzstruktur heißt projektive Ebene, falls gilt:
- Zu je zwei verschiedenen Punkten gibt es genau eine Gerade, die mit beiden inzidiert.
- Zu je zwei verschiedenen Geraden gibt es genau einen Punkt, der mit beiden inzidiert.
- Es gibt ein vollständiges Viereck, d.h. vier Punkte, von denen keine drei mit derselben Geraden inzidieren.
Beispiele
- Wenn man in den dreidimensionalen Vektorräumen über den reellen Zahlen oder den komplexen Zahlen die zweidimensionalen Unterräume als Geraden und die eindimensionalen Unterräume als Punkte auffasst, erhält man Modelle einer projektive Ebene. Die Inzidenzrelation ist die gewöhnliche Inklusion . Diese Ebenen zusammen mit den ähnlich gewonnenen Ebenen über den Quaternionen oder den Oktonionen werden auch als klassische Ebenen bezeichnet. Statt der reellen oder komplexen Zahlen kann man einen beliebigen Körper K nehmen, sogar einen Schiefkörper (der bekannteste besteht aus den Quaternionen).
- Die kleinstmögliche endliche projektive Ebene (Minimalmodell) besteht aus sieben Geraden und sieben Punkten (s. Abb.). In diesem Fall ist K der Körper, der nur aus der 0 und der 1 besteht und in dem 1+1=0 ist, also der Restklassenkörper .
Anmerkungen
Dualitätsprinzip
Man kann zeigen, dass es in einer projektiven Ebene stets vier Geraden gibt, von denen keine drei durch denselben Punkt gehen. Hieraus und aus der symmetrischen Formulierung der beiden ersten Axiome ist ersichtlich, dass man durch Vertauschen der Bezeichnungen Punkt und Gerade wieder eine projektive Ebene erhält. Die Punkte und Geraden von bilden die Geraden und Punkte der zu dualen Ebene .
Zusammenhang mit affinen Ebenen
Nimmt man bei einer affinen Ebene für jede Schar paralleler Geraden einen weiteren uneigentlichen Punkt zu P hinzu, welcher mit genau den Geraden seiner Schar inzidieren soll, und erweitert man um die uneigentliche Gerade W, die genau diese Punkte enthält, so bekommt man eine projektive Ebene, den projektiven Abschluss von . Umgekehrt erhält man einen affinen Anteil einer projektiven Ebene durch Streichen einer beliebigen Geraden W mit allen ihren Punkten. Dabei ist zu beachten:
- Die durch Streichen von zwei unterschiedlichen Geraden aus einer projektiven Ebene entstehenden affinen Ebenen müssen nicht zueinander isomorph sein.
- insbesondere liefert der Abschluss einer affinen Ebene durch eine Ferngerade und anschließendes Streichen einer anderen Geraden (auch Schlitzen längs einer Geraden genannt) in der so gebildeten projektiven Ebene stets eine neue affine Ebene, die aber nicht unbedingt zur ursprünglichen affinen Ebene isomorph ist.
→ Die projektiven Ebenen, bei denen alle geschlitzten Ausschnitte zueinander isomorphe affine Ebenen sind, sind genau die Moufangebenen.
Endliche Ebenen
Wie das oben beschriebene Minimalmodell zeigt, können projektive Ebenen endlich sein, d. h. nur endlich viele Punkte und Geraden enthalten. Enthält eine Gerade n+1 Punkte, so enthalten alle Geraden n+1 Punkte, durch jeden Punkt gehen n+1 Geraden und insgesamt gibt es n²+n+1 Geraden und n²+n+1 Punkte. n heißt in diesem Fall die Ordnung der Ebene. Die kleinstmögliche Ordnung einer endlichen projektiven Ebene ist zwei. Für jede Ordnung, die eine Primzahlpotenz ist, lässt sich eine endliche projektive Ebene konstruieren. Ob es eine solche Ebene gibt, deren Ordnung keine Primzahlpotenz ist, ist ein ungelöstes Problem. Teilresultate: Die Nichtexistenz einer projektiven Ebene der Ordnung 10 wurde mit großem Computereinsatz bewiesen. Der Satz von Bruck-Ryser-Chowla besagt: Ist n = 4k+1 oder 4k+2 Ordnung einer projektiven Ebene, so ist n Summe zweier ganzer Quadratzahlen. Danach gibt es keine projektiven Ebenen der Ordnungen 6, 14, 21, 22, 30, 33, 38, 42, 46,.... Ob es solche der Ordnungen 12, 15, 18, 20, 24, 28,... gibt, ist unbekannt.
Die reelle projektive Ebene als Quotientenmenge einer Sphäre
In mancher Hinsicht, insbesondere was die Topologie angeht, kann man eine reelle projektive Ebene auffassen als das, was man erhält, wenn man auf einer Sphäre (Oberfläche einer Kugel im 3-dimensionalen Raum) jeweils Antipoden, also Punkte der Sphäre, die an beiden Enden eines Durchmessers liegen, "gleichsetzt". Genauer ausgedrückt heißt das: man nimmt als Punkte der projektiven Ebene jeweils Antipodenpaare und als Geraden derselben die Grosskreise, also die Kreise, die Schnitt der Sphäre mit einer durch den Sphärenmittelpunkt gehenden gewöhnlichen Ebene sind. Damit wird die reelle projektive Ebene auch topologisch zur Quotiententopologie der Kugel.
Die Sphäre selbst ist eine orientierbare Fläche, die durch diesen Prozess der Quotientenbildung entstehende projektive Ebene ist es nicht mehr, da die Antipodenabbildung als Spiegelung um den Mittelpunkt keine Drehung ist. (Es ist übrigens sehr schwer, die projektive Ebene anschaulich als Fläche bildlich darzustellen - im Gegensatz zu den ebenfalls nicht-orientierbaren Flächen Möbiusband und Kleinsche Flasche.)
Klassifikation
Schließungssätze
Naheliegend ist eine Klassifikation der projektiven Ebenen rein aufgrund des Begriffes der Inzidenz. Dies geschieht durch die Feststellung, ob bestimmte geometrische Sätze der Form "wenn eine bestimmte Konfiguration von Inzidenzen vorliegt, so gilt auch eine weitere Inzidenz" in einer Ebene gelten. Beispiele für solche Schließungssätze sind die aus der reellen Ebene bekannten (und dort gültigen) Sätze von Desargues und Pappos (manchmal auch Satz von Pappos-Pascal genannt). Ebenen, in denen die genannten Sätze gelten, werden als Desarguessche Ebenen bzw. Pappossche Ebenen bezeichnet. Eine Ebene in der der kleine projektive Satz von Desargues allgemeingültig ist, heißt Moufangebene. Jede pappossche Ebene ist desarguesch und jede desarguesche Ebene eine Moufangebene.
Koordinatisierung
Zur Nutzbarmachung von Methoden der Algebra ist ein weiteres in der Geometrie übliches Verfahren die Einführung von Koordinaten. Diese stellen einen Zusammenhang zwischen der geometrischen Struktur der Ebene und der algebraischen eines zugrundegelegten Koordinatenbereichs her. In jeder projektiven Ebene können Koordinaten eingeführt werden: Dazu wird eine projektive Punktbasis in der Ebene ausgewählt, die eine Gerade zur Ferngeraden bestimmt (→ siehe Projektives Koordinatensystem). Dann kann auf der affinen Ebene, die durch Ausschneiden dieser Ferngeraden entsteht, als Koordinatenmenge ein Ternärkörper mit einer Ternärverknüpfung, die sich rein geometrisch beschreiben lässt, konstruiert werden. Die Rechenregeln in einem Körper gelten im zugehörigen Koordinatenbereich, dem Ternärkörper, im allgemeinen nicht.
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der geometrischen Struktur der Ebene und der algebraischen des Koordinatenbereichs, welcher in gewisser Weise die Ebenen charakterisiert. Die Moufangebenen sind z. B. genau die projektiven Ebenen, deren Koordinatenbereich ein Alternativkörper ist, die desarguesschen Ebenen sind genau die, die einen Schiefkörper als Koordinatenbereich haben. Ist der Koordinatenbereich ein kommutativer Körper, dann ist die Ebene pappossch. In diesem Fall verwendet man meist homogene Koordinaten (→ siehe den Hauptartikel Homogene Koordinaten). Aus dem Satz von Wedderburn ergibt sich, dass endliche desarguessche Ebenen immer pappossch sind. Ruth Moufang gelang der Beweis, dass sogar jede endliche Moufangebene pappossch ist.
Kollineationen
Die geradentreuen Bijektionen sind die strukturerhaltenden Abbildungen (oder Isomorphismen) zwischen projektiven Ebenen. Eine solche Bijektion bildet die Punkte auf die Punkte und die Geraden auf die Geraden in der Weise ab, dass die Inzidenz erhalten bleibt. Die Kollineationen, das sind die geradentreuen Bijektionen einer projektiven Ebene auf sich selbst, bilden eine Gruppe, die sogenannte Kollineationsgruppe der Ebene. Beispiele für Kollineationen, die in der geschlitzten projektiven Ebene, also als affine Kollineationen operieren, sind Translationen oder Drehungen und allgemeiner Affinitäten. Auf der projektiven Ebene selbst ist die Gruppe der Projektivitäten eine Untergruppe der Kollineationsgruppe. Die Untersuchung der Operationen bestimmter Untergruppen der Kollineationsgruppe auf der Ebene stellt eine weitere Möglichkeit der Klassifikation dar.
Literatur
- Günter Pickert: Projektive Ebenen. 2. Auflage. Springer, Berlin u.a. 1975, ISBN 3-540-07280-2.
- Daniel R. Hughes, Fred C. Piper: Projective Planes. Springer, Berlin u.a. 1973, ISBN 3-540-90044-6.
- Hanfried Lenz: Vorlesungen über projektive Geometrie. Geest & Portig, Leipzig 1965.
- Wendelin Degen und Lothar Profke: Grundlagen der affinen und euklidischen Geometrie, Teubner, Stuttgart, 1976, ISBN 3-519-02751-8
- Peter Dembowski: Finite geometries. Springer, Berlin u.a. 1968.
- Helmut Salzmann et al.: Compact projective planes. de Gruyter, Berlin u.a. 1995, ISBN 3-11-011480-1.
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