- Reservelazarettorganisation
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Die Reservelazarettorganisation war eine sanitätsdienstliche Einrichtung der Bundeswehr. Sie sollte im Verteidigungsfall die Versorgung und Rehabilitation von verwundeten Soldaten deutscher und verbündeter Truppen gewährleisten.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Die Bundesregierung begann vor dem Hintergrund des Kalten Krieges 1963 mit der (Wieder-) Aufstellung der Reservelazarettorganisation, die Ernst Rebentisch maßgeblich beeinflusste.
Soweit bei der geringen Tiefe des Bundesgebiets möglich, wurden die Reservelazarettgruppen als Geräteeinheiten im rückwärtigen Westen, später auch im verbündeten Ausland (Niederlande, Dänemark, Norwegen) eingerichtet. Bis 1990 wurden es 126 Reservelazarettgruppen mit ungefähr 126.000 Betten. Sie gehörten zum Territorialheer und waren der bei weitem größte Reservebereich der Bundeswehr.
Aufgabe und Struktur
Nach den Verbandplätzen im Frontgebiet sollte eine Reservelazarettgruppe die weitergehende operative Behandlung und abschließende Rehabilitation (!) gewährleisten. Ortsfeste Lazarette wären nur in Form der (früher 15) Bundeswehrkrankenhäuser vorhanden gewesen.
Eine Reservelazarettgruppe entsprach einem Bataillon und bestand aus einer Stabs- und Versorgungskompanie und fünf Reservelazaretten (Kompanien) mit je 200 Betten. Die Behandlungskapazizät einer ResLazGrp wurde mit etwa 8.000 Verwundeten angesetzt. Im Verteidigungsfall wären die Gruppen in leergezogene Kasernen, in Schulen und andere öffentliche Gebäude eingerückt.[1] Oft lagen die einzelnen Lazarette nicht zusammen, sondern verteilt auf Entfernungen bis zu 40 km.
Die Reservelazarettgruppen und ihre Lazarette hatten sog. OP-Gruppen mit verschiedenen fachärztlichen Schwerpunkten. Später wurden die Behandlungskapazitäten durch die Zivil-Militärische Zusammenarbeit erweitert: Depotgerät wurde Partnerkrankenhäusern zur Verfügung gestellt. Ärztliches, pflegerisches und technisches Führungs- und Funktionspersonal machte sog. „weiße Wehrübungen“ in zivilen Häusern.
Schon 1975 wurden die Reservelazarettgruppen in nicht- oder teilaktiven Lazarettregimentern zusammengefasst und aktiven Sanitätskommandos unterstellt, die ihrerseits in teilgekaderten Lazarettregimentern aufgingen.[2] Ein Lazarettregiment umfasste 6 bis 8 Reservelazarettgruppen und war für fünf Krankensammel- und Transportkompanien, zwei medizinische und chemische Untersuchungsstellen und eine Feldprosektur zuständig.
Personal
Das Personal einer ResLazGrp bestand weit überwiegend aus mob-beorderten Reservisten aller Teilstreitkräfte. Die Lazarettgruppen wurden von einem Kommandeur (Oberstarzt) und seinem Stab geführt. Die Chefs der Lazarette waren Stabs- oder Oberstabsärzte. Für die Personalverwaltung war im Frieden aktives Kaderpersonal zuständig, das einem Offizier im Sanitätsdienst (Hauptmann) unterstand.[3]
Zur Unterstützung des Stabes dienten die Stabsabteilungen S 1, S 2, S 3, S 4 und S 6 sowie Truppenverwaltung, Militärseelsorge, Apotheke, Psychologietrupp, Kraftfahrzeuggruppe, Feldküche und Instandsetzung.
Die Akutversorgung oblag dem Behandlungszug der Stabs- und Versorgungskompanie. Niedergelassene Fachärzte und habilitierte Kliniker verschiedenster Fachrichtungen unterstanden truppendienstlich dem (aktiven, nichtmedizinischen) Kompaniechef, fachlich dem Kommandeur.
Auch in den Lazaretten waren die Chefs in erster Linie für die militärische Führung verantwortlich. Der Chef des 1. Lazaretts war meistens der (inoffizielle) Vertreter des Kommandeurs.
- Dienstposten (F) des Kaderpersonals
- 4 Offiziere des Sanitätsdienstes
- 8 Unteroffiziere
- 8 Mannschaften
- Dienstposten (V) eines Lazaretts (5)
- 12 Sanitätsoffiziere
- 22 Unteroffiziere
- 3 Mannschaften
- 32 Zivilisten
- Dienstposten (V) einer Reserverlazarettgruppe
- Stabs- und Versorgungskompanie: 49 Offiziere, 69 Unteroffiziere, 46 Mannschaften, 103 Zivilangestellte
- 5 Lazarette mit 60 Sanitätsoffizieren, 110 Unteroffizieren, 15 Mannschaften und 160 Zivilangestellten
- Insgesamt: 109 Sanitäts-/Offiziere, 179 Unteroffiziere, 61 Mannschaften, 263 Zivilangestellte
- Dienstposten (V) eines Lazarettregiments (na)[4]
- 969 Sanitäts-/Offiziere
- 1.085 Unteroffiziere mit Portepée
- 704 Unteroffiziere ohne Portepée
- 1.115 Mannschaften
- Insgesamt 3.873 Soldaten/Reservisten
Material
Das Material wurde in Depots gelagert und von Unteroffizieren und Angestellten verwaltet, die dem Kaderpersonal unterstellt waren.[5] Das Material war keineswegs veraltet, es wurde laufend gewartet, gepflegt und erneuert. Nach der Einschätzung des Bundesrechnungshofes lag der Materialwert einer Gruppe bei 16 Millionen DM.
Meistens entsprach der Depotstandort auch dem Mobilmachungsstandort und der Liegenschaft, dem sog. K(riegs)-Objekt. Im Falle einer Mobilmachung mußte alles mit eigenen und reklamierten Fahrzeugen zu den ResLazGrp verbracht werden.
Besondere Bedeutung hatten die von der Deutschen Bundesbahn gecharterten Züge zum Verwundetentransport. Die Krankentransportkompanien (Schiene) mit jeweils 75 Soldaten übten bis 1995 fast jedes Jahr ein bis zwei Wochen.
Neue Unterstellung und Auflösung
Mit der Auflösung des Territorialheeres 2001 entfielen die Territorialkommandos; die Reservelazarettorganisation wurde den vier aktiven Sanitätskommandos unterstellt.
Nachdem seit Jahren Material aus den Depots abgesteuert und Mob-Beorderungen aufgehoben worden waren, wurde die Reservelazarettorganisation 2007 aufgelöst, weil „die alte Reservelazarettorganisation mit ihrer unbestrittenen Eignung zur Landesverteidigung für das neue Aufgabenspektrum der Bundeswehr nicht mehr geeignet ist“ (Kurt-Bernhard Nakath).
Ob und wie weit die Reservelazarettorganisation in einem kriegerischen oder gar atomaren Konflikt „funktioniert“ hätte, kann man bezweifeln. Die extreme Abhängigkeit von Reservisten und zivilen Schwesterhelferinnen, die halbherzige politische Rückendeckung für Zivilschutz und Katastrophenschutz, die Logistik und die lokalen Infrastrukturen bedeuteten manche Unwägbarkeiten. Das größte Problem wäre wohl die Verschiebung von Ärzten aus dem zivilen in den militärischen Bereich gewesen.
Heute sind die Lazarettregimenter aktive Truppenteile, die auch bei Auslandseinsätzen verwendet werden. 2003 wurde zum ersten Mal eine Frau Kommandeur eines Lazarettregiments.
Anmerkungen
- ↑ Bereits seit 1851 waren die städtischen Behörden verpflichtet, den Reservelazaretten geeignete Gebäude zur Verfügung zu stellen.
- ↑ Ein Beispiel ist das SanKdo 600 in Neumünster, das 1993 im teilgekaderten LazRgt 71 in Heide (Holstein) aufging. Die ResLazGrp lagen in Heide (Ausbildung), Idstedt, Schleswig, Albersdorf (Holstein) und Brück (3).
- ↑ Bei den Lazarettregimentern wurde die Kadergruppe mit der Aktivierung der Reservisten und des Regiments aufgelöst. Das Personal war oft anderweitig beordert.
- ↑ Beispiel LazRgt 71 (na)
- ↑ Manche Depots waren aktiven Kampfverbänden (z. B. der 13. PzDiv) unterstellt.
Weblinks
- DÄB: Sanitätsdienst 1998
- Auflösung der RLO
- Offizier des Sanitätsdienstes
- Heeresstruktur 5
- Protest der Kommandeure
- Einzelne Gruppen und Regimenter
- ResLazGrp 7210
- ResLazGrp 7408
- LazRgt 31 Berlin
- LazRgt 73
- Zivil-Militärische Zusammenarbeit
- Heide
- Konstanz
- Plau am See
Literatur
- Marc Ebel, Arno Roßlau: Die Reserveorganisation im Verantwortungsbereich des Sanitätskommandos I 1963 bis 2007. Kiel 2007
Kategorien:- Sanitätswesen (Bundeswehr)
- Reserve (Militärwesen)
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