Schlachtfeld im Tollensetal

Schlachtfeld im Tollensetal
Tollensetal (Mecklenburg-Vorpommern)
Tollensetal
Tollensetal
Lage des Fundplatzes in Mecklenburg-Vorpommern.

Als bronzezeitliches Schlachtfeld im Tollensetal wird ein archäologischer Fundplatz in Mecklenburg-Vorpommern bezeichnet. Der Fundplatz erstreckt sich in der Talniederung der Tollense entlang des Flusses und liegt östlich von Weltzin, auf dem Gebiet der Gemeinden Burow und Werder im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Anhand der Befunde kann hier erstmals ein größerer bewaffneter Konflikt in der nordeuropäischen Bronzezeit nachvollzogen werden.

Inhaltsverzeichnis

Forschungsgeschichte

Ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger meldete 1996 den Fund eines menschlichen Oberarmknochens mit eingeschossener Pfeilspitze aus Feuerstein, den er von einem Schlauchboot aus bei Niedrigwasser im Uferbereich der Tollense entdeckt hatte. Noch im selben Jahr erfolgten erste archäologische Untersuchungen in der Umgebung der Fundstelle, bei denen Knochen von Tieren und Menschen gefunden wurden.[1] In den folgenden Jahren wurden eine Keule aus Eschenholz, eine hammerartige Schlagwaffe aus Schlehenholz und weitere Skelettreste entdeckt.[2]

Unter der Leitung des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege und der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte der Universität Greifswald wird das Gebiet seit 2007 systematisch untersucht. Durch Taucher des Landesverbandes für Unterwasserarchäologie wurden Grund und Uferbereich der Tollense systematisch abgesucht, wobei weitere Skelettreste gefunden wurden.[3][4] Die Erforschung des Fundgebietes und der Funde wurde 2009 durch das Kultusministerium von Mecklenburg-Vorpommern und wird seit 2010 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.[2] Im Vordergrund der Untersuchungen vor Ort stehen die Erforschung der Ausdehnung des Fundplatzes und die Freilegung der unter einer ungefähr einen Meter starken Torfschicht liegenden Hauptfundstelle.[1] Durch das Geographische Institut der Universität Greifswald werden dazu Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte des Tollensetals und zur Ermittlung des ehemaligen Verlaufs des Flusses durchgeführt. Die Oberfläche des Geländes wurde mittels Laserscanning erfasst.[5] An der Universität Rostock wurden die Skelettreste untersucht.

Gelände

Die Tollense nahe Burow

Der Fundplatz erstreckt sich über mehrere hundert Meter entlang des Flusses. Die Tollense mäandriert hier in einem, im Vergleich zum gesamten Lauf, relativ schmalen Tal zwischen feuchten Wiesen. In den letzten Jahrtausenden fanden nur relativ kleinräumige Änderungen des Verlaufs statt. Während der Bronzezeit war die Flusslandschaft relativ offen. Der menschliche Einfluss war gering.[5]

Der Ursprungsort der Funde befindet sich wahrscheinlich weiter flussaufwärts.

Ergebnisse

Bei der Untersuchung der Skelettreste wurden bis Anfang 2011 mindestens 83 Individuen nachgewiesen. Inzwischen sind es mehr als 100.[6] Wahrscheinlich liegt die wirkliche Zahl der Toten noch deutlich höher. Bei den meisten handelt es sich um die Überreste von jungen Männern.[7] Durch Radiokohlenstoffdatierung wurde bestätigt, dass die Gebeine in die Zeit um 1300 bis 1200 v. Chr. einzuordnen sind.[2] Von mehr als 40 gefundenen menschlichen Schädeln tragen einige Spuren von Kampfverletzungen. Mehrere bronzene Pfeilspitzen, denen Funde von solchen aus Feuerstein und Holzkeulen gegenüber stehen, lassen vermuten, dass hier zwei unterschiedlich ausgerüstete Gruppen in Konflikt gerieten. Schwerter bzw. durch diese hervorgerufene Verletzungen konnten jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Wenigstens ein Teil der Kontrahenten war beritten, wie die Knochenfunde von mindestens vier Pferden zeigen. Auch die Position der Pfeilspitze im zuerst gefundenen Oberarmknochen deutet darauf hin, dass ein zu Fuß kämpfender Bogenschütze einen Reiter verwundete.[6] Spuren früher Heilung an einigen Knochenfunden könnten anzeigen, dass der bewaffnete Konflikt über mehrere Tage bis Wochen andauerte. Die Gefallenen wurden wahrscheinlich von den Siegern in den Fluss geworfen. Da die Überreste nicht mehr im anatomischen Verband vorliegen, wurden sie wahrscheinlich durch den Fluss verlagert, bis sie in der strömungsarmen Randzone von einer Torfschicht bedeckt, einsedimentiert und ihre Reste damit teilweise konserviert wurden.[1]

Bei an der Universität Aarhus durchgeführten Isotopenuntersuchungen der Skelettreste wurden Muster von Stickstoff- und Kohlenstoff-Isotopen festgestellt, die belegen, dass die Kämpfer nicht aus der Region stammten und sich teilweise von Hirse ernährten. Hirse wurde während der Bronzezeit unter anderem in Süddeutschland angebaut. Mit paläogenetischen Untersuchungen der Erbsubstanz und Strontiumisotopenanalysen der Zähne soll die Herkunft der Individuen genauer bestimmt werden.

Literatur

  • Detlef Jantzen, Ute Brinker, Jörg Orschiedt et al.: A Bronze Age battlefield? Weapons and trauma in the Tollense Valley, north-eastern Germany. In: Antiquity. 85, Oxford University Press, Oxford 2011, S. 417–433 (englisch).
  • Detlef Jantzen und Thomas Terberger: Gewaltsamer Tod im Tollensetal vor 3200 Jahren. In: Archäologie in Deutschland 4, 2011, S. 6–11.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Archäologische Untersuchungen. Abgerufen am 26. August 2011.
  2. a b c Entdeckung des Fundplatzes und Verlauf der Erforschung. 15. Februar 2011, abgerufen am 26. August 2011.
  3. Tauchprospektionen. 30. Juni 2011, abgerufen am 26. August 2011.
  4. Tollensetal - Welzin. Landesverband für Unterwasserarchäologie Mecklenburg-Vorpommern, abgerufen am 26. August 2011.
  5. a b Geowissenschaftliche und paläobotanische Untersuchungen. 30. Juni 2011, abgerufen am 26. August 2011.
  6. a b Mehr als 40 Schädel gefunden. Abgerufen am 26. August 2011.
  7. Untersuchungen der menschlichen Skelettreste. 15. Februar 2011, abgerufen am 26. August 2011.
53.74315113.310806

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