Seefestung Imperator Peter der Große

Seefestung Imperator Peter der Große
Karte von Sankt Petersburg, 1888

Die Seefestung Imperator Peter der Große (russisch Морская Крепость имени Императора Петра Великого) ist eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaute Küstenbefestigungsanlage am und im Finnischen Meerbusen westlich von Sankt Petersburg. Kriegsbedingt nicht fertiggestellt, befinden sich große Teile der Anlage heute auf den Territorien Finnlands und Estlands.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Nach der Niederlage Russlands im Russisch-Japanischen Krieg 1905 war die damalige russische Hauptstadt weitgehend schutzlos, da der Großteil der Baltischen Flotte, der als Zweites russisches Pazifikgeschwader zum Entsatz des in Port Arthur eingeschlossenen Ersten russischen Pazifikgeschwaders in den Fernen Osten beordert worden war, in der Seeschlacht bei Tsushima verloren ging. Durch eine tiefgestaffelte Verteidigung im Finnischen Meerbusen sollte feindlichen Seestreitkräften der Zugriff auf Sankt Petersburg verwehrt werden. Erste Pläne wurden 1907 ausgearbeitet. Der russische Kaiser und Zar Nikolaus II. (russisch Николай II) bestätigte die Planungen am 5. Juli 1912. Die Arbeiten begannen kurze Zeit später.

Anlage

Lage der Festung, Skizze

Die Seefestung bestand aus vier konzentrisch angeordneten Verteidigungsringen. Kernstück der Anlage waren befestigte Stellungen großkalibriger Küstengeschütze, die in ihrer Wirkung durch Minenfelder und Stellungen leichterer Artillerie unterstützt wurden. Die Befestigungsanlagen um die Hauptstadt des damals mit Russland in Personalunion verbundenen Großfürstentums Finnland Helsinki sowie weitere Befestigungsanlagen an der Küste flankierten die Seefestung.

Der innere Verteidigungsring zog sich vom Fort Krasnaja Gorka (форт Красная Горка – Roter Hügel) über die Insel Kotlin bis nach Fort Ino (форт «Ино» bzw. форт Николаевский) am finnischen Ufer. Die rechte Flanke wurde durch die Küstenbefestigungen von Wyborg (russisch Выборг; finnisch Viipuri) geschützt.

Die zweite Verteidigungslinie zog sich von Narva bis nach Kotka.

Der dritte Verteidigungsring begann in Tallinn und führte bis zur westlich von Helsinki gelegenen Halbinsel Porkkala. Diese Linie war die Hauptverteidigungsstellung. Flankiert wurde sie von den see- und landseitigen Befestigungen der Festung Sveaborg (Крепость Свеаборг).

Die vierte, äußere Linie begann auf der Insel Hiiumaa und zog sich über den Finnischen Meerbusen bis zur Halbinsel Hanko.

Weiter westlich waren die Küstebefestigungen auf den Åland-Inseln an der rechten Flanke und der Insel Saaremaa an der linken Flanke vorgelagert.

Die Geschützstellungen wurden an den Ufern des Finnischen Meerbusen und auf zahlreichen kleinen Inseln eingerichtet. Ihre Position war so gewählt, dass sich die Feuerbereiche überschnitten und die Geschütze die Passage durch den Meerbusen sperren konnten. Besonders deutlich wurde das am dritten Verteidigungsring, der an der schmalsten, nur 36 km breiten Stelle des Meerbusens errichtet wurde. Dort, wo die Reichweite der Geschütze nicht ausreichte, wurden zwischen den Feuerbereichen zusätzliche Minenfelder angelegt.

Bewaffnung

TM-1-14
152-mm-L/45-Kanone M1892 in Krasnaja Gorka
120-mm-L/45-Kanone M1892

Kernstück der Anlage bildeten die Stellungen für großkalibrige Geschütze. Für die größten russischen Schiffsgeschütze, die 356-mm-L/52-Kanone M1913 und die 305-mm-L/52-Kanone M1907, wurde Varianten für die Küstenverteidigung entwickelt. Die Geschütze selbst blieben weitgehend unverändert, lediglich durch eine Vergrößerung der Pulverkammer wurde der Verschuss anderer Munitionsarten möglich gemacht. Installiert wurden die Geschütze in Zwillingstürmen (MB-2-12 bzw. MB-2-14[1]), die konstruktiv den auf russischen Schlachtschiffen verwendeten Türmen entsprachen.[2]Diese Geschütze wurden zusammen mit den Hilfsanlagen, Beobachtungs- und Feuerleitpunkten in festen, verbunkerten Stellungen stationiert. Während des Ersten Weltkrieges wurden aus beiden Geschützen ein Eisenbahngeschütz entwickelt. Die Variante der 305-mm-Kanone erhielt die Bezeichnung TM-1-12, die der 356-mm-Kanone die Bezeichnung TM-1-14. Beide Varianten wurden ebenfalls in der Seefestung stationiert. Durch die Lafettierung waren sie verlegefähig und können daher einzelnen Werken der Festung nicht exakt zugeordnet werden.

Kleinere Kaliber wurden bevorzugt in offenen Stellungen, teilweise aber auch in Kasematten, aufgestellt.

Unter anderem kamen zum Einsatz:

  • Mäkiluoto:
    • 4 × 203-mm-L/50-Kanone M1905
  • Naissaar:
    • 4 × 305-mm-L/52-Kanone M1907
    • 4 × 234-mm-L/50-Kanone M1908
    • 4 × 203-mm-L/50-Kanone M1905
    • 4 × 152-mm-L/45-Kanone M1892
    • 4 × 120-mm-L/50-Kanone M1905
  • Aegna:
    • 4 × 305-mm-L/52-Kanone M1907
  • Viimsi:
    • 4 × 120-mm-L/50-Kanone M1905
  • Suurupi:
    • 4 × 234-mm-L/50-Kanone M1908
  • Kakumägi
    • 4 × 120-mm-L/50-Kanone M1905

Verwendung

Beim Ausscheiden Russlands aus dem Krieg 1917 war die Festung noch nicht fertiggestellt und noch nicht alle Werke bemannt. Nach der Entlassung Finnlands in die Unabhängigkeit und der Abspaltung Estlands 1918 befanden sich Teile der Festung und damit auch die dort vorhandenen Waffen in finnischem bzw. estnischen Besitz. Stellungen auf dem nunmehr finnischen Ufer wurden 1918 von Truppen der Ostsee-Division unter Führung des deutschen Generals von der Goltz eingenommen. Während dieser Zeit wurden zahlreiche Geschütze, vor allem kleineren Kalibers, von den jeweiligen Besitzern aus den Stellungen entfernt oder unbrauchbar gemacht. Nach dem Ende des Russischen Bürgerkrieges befanden sich nur noch die unmittelbar vor Sankt Petersburg gelegenen Stellungen des inneren Ringes in der Hand der Sowjets. Die Lage hatte sich für die sowjetische Marine in das Gegenteil verkehrt. Durch den Besitz der Stellungen konnten Finnland und Estland Sankt Petersburg blockieren und der Baltischen Flotte den Zugang zur Ostsee verwehren. In den 1930er-Jahren unternahmen die beiden Staaten im Rahmen der Estnisch-Finnischen Verteidgungskooperation beträchtliche Anstrengungen zum Ausbau der Festung. Die Sperrwirkung wurde durch zusätzliche Minensperren und Uboote verstärkt. In Folge des Winterkrieges und der sowjetischen Besetzung des Baltikums fielen die Stellungen wieder in sowjetische Hand, im Fortsetzungskrieg und nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion gingen sie jedoch wieder verloren. Während dieser kriegerischen Auseinandersetzungen kam es zu Zerstörungen und zum Wiederaufbau der Stellungen und einzelner Batterien. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieb das Baltikum bis 1991 ein Teil der Sowjetunion, während Finnland einen Teil der Stützpunkte an die Sowjetunion verpachtetet. Diese Stützpunkte wurden jedoch bereits 1956 wieder an Finnland zurückgegeben, da mittlerweile Kaliningrad Hauptstützpunkt der Baltischen Rotbannerflotte geworden war. Teilweise wurden Stellungen der Festung von Finnland bis in die 1970er-Jahre genutzt.

Anmerkungen

  1. Bezeichnungsschema:Art der Lafette/des Turms – Anzahl der Rohre – Kaliber in Zoll; dabei steht MK für Turm für Schiffe; MB für Turm für Küstenartillerie, TM für Eisenbahnlafette
  2. Dabei handelt es sich nicht, wie gelegentlich behauptet, um Türme ausgedienter Schlachtschiffe, sondern um neu, speziell für die Küstenverteidigung gebaute Türme. Auch waren die Waffen in diesen Türmen nicht starr am Schildzapfen befestigt, sondern verfügten natürlich über Rohrrücklaufvorrichtungen

Literatur

Леонид Ильясович Амирханов: Морская крепость Императора Петра Великого. Издательство "Иванов и Лещинский", Санкт-Петербург 1995, ISBN 5-86467-020-0.

Weblinks

 Commons: Fortress of Suomenlinna – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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