Wladimirowo (Kaliningrad)

Wladimirowo (Kaliningrad)
Siedlung
Wladimirowo/Tharau
Владимирово
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Bagrationowsk
Frühere Namen Tharau (bis 1946)
Höhe des Zentrums 15 m
Zeitzone UTC+3
Telefonvorwahl (+7) 40156
Postleitzahl 238433
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 203 802 001
Geographische Lage
Koordinaten 54° 33′ N, 20° 32′ O54.55833333333320.53583333333315Koordinaten: 54° 33′ 30″ N, 20° 32′ 9″ O
Wladimirowo (Kaliningrad) (Russland)
Red pog.svg
Lage in Russland
Wladimirowo (Kaliningrad) (Oblast Kaliningrad)
Red pog.svg
Oblast Kaliningrad

Wladimirowo (russisch Влади́мирово, bis 1946 deutsch Tharau, prußisch Toraw, litauisch Toruva) ist eine Siedlung im Rajon Bagrationowsk der Oblast Kaliningrad (Russland).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Tharau geht auf eine alte Siedlung der Prußen am Flüsschen Frisching (Prochladnaja) zurück, die erstmals 1315 erwähnt wird. Der Name weist auf eine durch Zaun und Hecke eingehegte Siedlung. Im 14. Jahrhundert, ab etwa 1320, wurde hier eine Kirche errichtet, die zu den bedeutendsten Dorfkirchen der Region zählt. Berühmt ist der Ort durch die 1615 im dortigen Pfarrhaus geborene Pfarrerstochter Anna Neander, die als Ännchen von Tharau zuerst 1636 von Simon Dach besungen worden ist und deren Leben Thema des bekannten Volksliedes wurde. Trotz des Anschlusses durch die Kleinbahn Tharau–Kreuzburg an die Hauptbahn Königsberg–Lyck mit Abzweig nach Kreuzburg blieb Tharau auch im 20. Jahrhundert ein Dorf. Der Bahnhof Tharau lag inmitten des Nachbarortes Wittenberg.

Bis 1945 gehörte Tharau zum Landkreis Preußisch Eylau im Regierungsbezirk Königsberg in der Provinz Ostpreußen und wurde im Krieg teilweise zerstört.

Kirche

Dorfkirche

Die evangelische Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert. Ein Umbau erfolgte im Jahre 1805. Nach einem Brand im Jahre 1910 wurde sie zwischen 1911 und 1918 aufwändig restauriert. Das Gotteshaus blieb im Krieg erhalten, wurde jedoch als Klubhaus und Speicher genutzt und verfiel. Trotz zahlreicher Bemühungen um Wiederherstellung und Neuweihe des Gebäudes steht die Kirche noch immer leer.

1998 hat sich nach einer Fotoausstellung des Meisterfotografen Anatoli Bachtin des Staatsarchivs der Oblast Kaliningrad der Förderkreis Kirche Tharau/Ostpreußen e. V. begründet, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses Backsteinkleinod zu retten, also zu restaurieren und in Zusammenarbeit mit den örtlichen und auch überregionalen Behörden einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen. In Zusammenarbeit mit russischen Behörden und deren Hilfe, sowie unter anderem durch namhafte Spenden von Privatpersonen und aus der deutschen Wirtschaft gelang es diesem, erste Sicherungsmaßnahmen durchzuführen und im Jahre 2006 das Hauptschiff mit einem neuen Dachstuhl zu versehen und komplett einzudecken. 2009 konnte auch der Turm neu eingedeckt werden.

Kirchspiel

Tharau war das Zentrum eines weitflächigen Kirchspiels, das vor 1945 zum Kirchenkreis Preußisch Eylau in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union gehörte.

Pfarrer bis 1945

Seit der Reformation amtierten bis 1945 insgesamt 18 evangelische Geistliche in Tharau:

  • Christoph Stanislaus, 1541/1579
  • Martin Neander, bis 1629
  • Jacob Gabius, 1629–1642
  • Michael Neresius, 1643–1656
  • Christoph Gebuhr, 1656–1693
  • Anton Pfeiffer, 1694–1738
  • Johann Heinrich Soosten, 1739–1758
  • Carl Arndt, 1759–1770
  • Georg Ernst Sigismund Hennig, 1770–1775
  • Andreas Alexander Tolkemit, 1776–1789
  • Johann Gottlieb Weiß, 1790–1798
  • Johann George Chr. Fr. Hermes, 1797–1832
  • Erdenhard J. R. Harder, 1833–1835
  • Louis Gustav A. Ellinger, 1836–1881
  • Eduard Werner Schmidt, 1881–1889
  • Otto Eugen Bierfreund, 1889–1921
  • Anton Cäsar Doskocil, 1921–1932
  • Willy Rosenfeld, 1932–1945

Erwähnenswertes

Ännchen von Tharau ist der Titel eines volkstümlichen Liedes, das gemeinhin Simon Dach zugeschrieben wird. Johann Gottfried Herder übertrug es später aus der samländischen in die hochdeutsche Form, in der es heute bekannt ist. Es stammt aus dem Ostpreußen des 17. Jahrhunderts (1636/1637) und besingt in 17 Strophen Anna Neander, die Tochter des Tharauer Pfarrers und Braut des Predigers Johannes Partatius. Der am weitesten verbreitete und bekannte Satz dieses Liedes wurde von Philipp Friedrich Silcher (1789–1860), Musikdirektor an der Eberhard Karls Universität Tübingen, komponiert.

Heutige Ortsgliederung

Wladimirowo gehört seit 2008/2009[1] zur Landgemeinde (Selskoje posselenije) Niwenskoje (bis 1946 Wittenberg).

Zuvor war der Ort Sitz eines Dorfsowjets für bis zu neun weitere Ortschaften in der Umgebung, die teilweise mehrere frühere Dörfer oder Vorwerke umfassten. Heute gehören diese Orte zum Teil ebenfalls zu Niwenskoje; andere existieren nicht mehr oder nicht mehr als eigenständige Ortsteile:

Georeferenzierung Karte mit allen Koordinaten: OSM, Google oder Bing
Name Russisch Deutscher Name (bis 1945) Heutige Situation Lage
Gussewo Гусево Groß Park existiert nicht mehr 54° 31′ N, 20° 31′ O54.5181220.51795
Jasnoje Ясное Packerau existiert nicht mehr 54° 33′ N, 20° 28′ O54.5505620.46092
Krasnopartisanskoje Краснопартизанское Ernsthof existiert nicht mehr, gehörte zu Wladimirowo 54° 34′ N, 20° 30′ O54.5664420.50512
Lineinoje Линейное Arweiden, Bögen   54° 33′ N, 20° 34′ O54.541920.57027
Maiskoje Майское Groß Bajohren (1938–1945 Baiersfelde)   54° 33′ N, 20° 30′ O54.5558420.50126
Oktjabrskoje Октябрьское Dopsattel kein eigenständiger Ortsteil 54° 34′ N, 20° 25′ O54.5619120.41586
Ostrownoje Островное Liepnicken existiert nicht mehr 54° 33′ N, 20° 24′ O54.5552520.39693
Pobeda Победа Arnsberg, Struwe, Heide   54° 32′ N, 20° 28′ O54.529620.46556
Saretschnoje Заречное Ramsen   54° 34′ N, 20° 25′ O54.574320.42127

Verweise

  • Straßenkarte Nördliches Ostpreußen mit Memelland. Калининградкая область, Höfer-Verlag, Dietzenbach
  • Friedwald Moeller, Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg, 1968
  • Tharau bei Ostpreussen.net, Bericht und Bilder der Kirche

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gesetz Nr. 253 der Oblast Kaliningrad vom 30. Juni 2008, präzisiert durch Gesetz Nr. 370 der Oblast Kaliningrad vom 1. Juli 2009

Weblinks


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