- Litauische Sprache
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Litauisch - lietuvių kalba Gesprochen in
Litauen, Weißrussland, Lettland, Polen, Russland Sprecher 4 Millionen (2,9 Mio. in Litauen) Linguistische
Klassifikation- Indogermanische Sprachen
- Baltische Sprachen
- Ostbaltische Sprachen
- Litauisch
- Ostbaltische Sprachen
- Baltische Sprachen
Offizieller Status Amtssprache von Litauen
Europäische UnionSprachcodes ISO 639-1: lt
ISO 639-2: lit
ISO 639-3: Die litauische Sprache (Litauisch) (litauisch lietuvių kalba) ist eine baltische Sprache innerhalb der Familie der indogermanischen Sprachen und der „Urform“ dieser Sprachfamilie besonders ähnlich. Es gibt knapp 4 Millionen Sprecher der litauischen Sprache. Litauisch ist Amtssprache in Litauen, Minderheiten gibt es im Nordwesten Weißrusslands und im Nordosten Polens (Woiwodschaft Podlachien). Darüber hinaus leben größere Gruppen von Exillitauern in verschiedenen Ländern. Allein für Irland geht man von 120.000 Litauern aus, die in der anhaltenden Auswanderungswelle nach 1990 zugewandert sind.[1] Bis 1945 wurde Litauisch auch im nördlichen Teil Ostpreußens, dem so genannten Kleinlitauen oder auch Preußisch-Litauen gesprochen. Hier entstand im 16. Jahrhundert die litauische Schriftsprache. Seit dem 1. Mai 2004 ist Litauisch eine der Amtssprachen in der EU.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Überlieferung
Schriftliche Überlieferung
Die älteste handschriftliche Glosse, ein Vaterunser, stammt erst aus dem Jahr 1503. Das früheste Buch ist der Katechismus des Martynas Mažvydas (Martinus Mossuid), gedruckt 1547 in Königsberg. Das erste Wörterbuch erscheint 1620: Dictionarium trium linguarum von Konstantinas Sirvydas (Constantin Szyrwid) in den Sprachen Polnisch – Latein – Litauisch.
Die Mehrheit der überlieferten frühen litauischen Werke sind kirchliche Texte, die ins Litauische übersetzt wurden. Daraus resultiert, dass im übersetzten Text oft die Syntax der Quellensprache durchscheint und anhand dieser Texte nur bedingt eine Vorstellung von der Syntax der damals gesprochenen Sprache gewonnen werden kann.
Von Interesse sind die sogenannten Nebenüberlieferungen. Das sind einzelne Orts- oder Personennamen in fremdsprachigen Dokumenten, so etwa in den Wegeberichten der Kreuzritter oder in altrussischen Chroniken, die oft entstellt sind, aber wegen ihres hohen Alters wichtig für die Namenforschung sind.
In Folge des polnisch-litauischen Aufstands von 1863 wurde in dem Teil Litauens, das zum Zarenreich gehörte, 1864 das Drucken von litauischen Büchern in lateinischen Lettern verboten – stattdessen durften nur kyrillische Lettern verwendet werden. Erst 1905 wurde dieses Verbot wieder aufgehoben. Während dieser zudem noch durch Zensur geprägten Zeit wurden Bücher oft im benachbarten Ostpreußen gedruckt und durch die sogenannten knygnešiai ('Bücherträger') ins Land geschmuggelt.
Frühgeschichte
Das Litauische entstammt einem Dialektbereich der indogermanischen Ursprache, dem im Allgemeinen noch das Slawische und Germanische zugerechnet werden. Möglicherweise gab es eine längerwährende Spracheinheit des Urbaltischen und Urslawischen. Von den baltischen Sprachen lebt neben dem Litauischen nur noch die lettische Sprache. Die Trennung des Lettischen und Litauischen voneinander wird für das frühe Mittelalter (7./8. Jahrhundert) datiert. Von der verwandten ausgestorbenen altpreußischen Sprache gibt es immerhin beachtliche Schriftdenkmäler.
Das Litauische zeichnet sich durch viele erhaltene altertümliche grammatische Formen aus, die sich zum Teil auch im Sanskrit oder in anderen alten indogermanischen Sprachen wiederfinden. Deswegen gilt das Litauische als die (in vieler Hinsicht) konservativste lebende indogermanische Sprache. Die oberflächlichen (typologischen) Ähnlichkeiten zum Sanskrit sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass beide Sprachen die Grundstruktur der indogermanischen Ursprache besonders gut bewahren, im Vergleich zu modernen, aber auch den meisten älteren indogermanischen Sprachen. Diese Ähnlichkeiten bedeuten aber nicht, dass das Litauische dem indischen Zweig verwandtschaftlich näher stehen würde als dem Lettischen. Vielmehr wäre ein Vergleich des Baltischen (oder Balto-Slawischen) insgesamt und des Indoiranischen insgesamt (besser: der beiden zu rekonstruierenden Grundsprachen Urbaltisch – oder Urbaltoslawisch – und Urindoiranisch, aus denen sich die jeweiligen Unterfamilien entwickelt haben) sinnvoll, im Vergleich zu anderen Zweigen der indogermanischen Sprachfamilie. (Ein ähnlicher Fall ist der Vergleich zwischen Isländisch und Deutsch: Beide Sprachen haben die grammatische, vor allem morphologische, Struktur der urgermanischen Sprache besonders gut bewahrt, im Vergleich zu Sprachen wie Dänisch oder Englisch, sind aber dennoch innerhalb der germanischen Sprachen nicht besonders eng verwandt, sondern gehören unterschiedlichen Zweigen an. Ebenso ist die Ähnlichkeit zwischen Italienisch und Spanisch Ausdruck der Tatsache, dass sie die Struktur des gemeinsamen Vorläufers Latein besser bewahren als z. B. das Französische, doch sind Italienisch und Spanisch innerhalb der romanischen Sprachfamilie nicht besonders eng miteinander verwandt.)
Die Ankunft der Balten im heutigen Siedlungsgebiet wird in das dritte Jahrtausend vor Christus datiert. Die Untersuchung von Gewässernamen hat gezeigt, dass das baltische Siedlungsgebiet sich einst von der Weichsel bis Moskau und Kiew erstreckte – allerdings darf man von dünner Besiedlung ausgehen. Baltische Völkerschaften wurden hier später von den expandierenden Slawen assimiliert.
Die Gründung eines litauischen Staates erfolgte im Mittelalter durch Mindaugas. Über die Rolle des Litauischen in diesem Staat ist wenig bekannt. Als Schriftsprache diente eine ostslawische Sprache, das sogenannte Kanzleislawische, in Kyrillica, allerdings angereichert mit litauischem Vokabular.
Mündliche Überlieferung
Mündliche Überlieferung spielt bis heute eine große Rolle in der Entstehung und Erhaltung der Dialektvielfalt. Trotz des heute kleinen Sprachraumes lassen sich mehrere Idiome unterscheiden, die in zwei Großgruppen unterschieden werden: Aukštaitisch (Oberlitauisch) und Žemaitisch (mitunter auch Schemaitisch geschrieben, Niederlitauisch). Der geschriebenen Sprache liegt das dem Aukštaitischen zuzurechnende Idiom der Region Suvalkija zugrunde, besonders in der Variante wie sie in dem zu Preußen gehörenden Teil der Region gesprochen wurde.
Als historisch kann man indessen die mündliche Überlieferung von Lied- und Erzählgut bewerten – hier gibt es nunmehr riesige Sammlungen an Liedtexten, Märchen und Legenden, die zumeist im 20. Jahrhundert notiert wurden. In diesem Material finden sich viele archaische Relikte des Litauischen.
Jüngste Geschichte, Normierung
Um die Herausbildung einer litauischen genormten Schriftsprache haben sich besonders Kazimieras Būga und Jonas Jablonskis verdient gemacht. Im Wesentlichen erfolgte diese Normierung während der Unabhängigkeit Litauens zwischen den Weltkriegen (1918–1941). Neben dem Litauischen war während der Zeit der sowjetischen Okkupation das Russische eine weitgenutzte Verkehrssprache. Durch die Ansiedlung von Menschen aus anderen Sowjetrepubliken waren besonders Industrieregionen betroffen, im Politischen und im Militär war es unvermeidlich, aber teils kam Russisch auch in den Medien, wie Kino und Fernsehen sowie als Publikationssprache in der Wissenschaft in den Vordergrund. Jedoch war das Russische nie erste Amtssprache. Straßenschilder und amtliche Formulare waren zweisprachig. Im Vergleich zu Lettland und Estland blieb der Anteil der Russischsprecher in Litauen geringer.
Über die Reinheit der litauischen Sprache in der Republik Litauen wacht die parlamentarische Kommission der litauischen Sprache (Lietuvių kalbos komisija), die insbesondere das Eindringen von Fremdwörtern durch Bildung neuer Begriffe zu bekämpfen sucht und die Aussprache von Fernseh- und Rundfunkmoderatoren kontrolliert. Die Vorschläge und teils gesetzlichen Vorgaben dieser Kommission sind nicht unumstritten und oft Gegenstand von Spötteleien. Typisch für die normierte litauische Schriftsprache ist der Umstand, dass ausländische Lehnwörter und auch Eigennamen der litauischen Aussprache folgend transliteriert werden, so kam es zu Gerhardas Šrėderis für Gerhard Schröder, Džordžas Bušas für George Bush oder Haris Poteris für Harry Potter – im Deutschen und vielen anderen Sprachen findet dieses Verfahren der Transkription nur für Begriffe Anwendung, deren Originalsprachen keine Lateinschrift verwenden. Eigennamen werden mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben, andere Substantive dagegen nicht.
Dazu kommt das Anhängen der Endung -as, -is oder -us an maskuline, und eines -a oder -ė an feminine Substantive, auch wenn es sich um Lehnwörter handelt, solches sind šlagbaumas, ananasas, vunderkindas – taksi, ledi sind hingegen indeklinabel. Dieses Hinzufügen der Endung ist rein grammatikalischer Natur und in der artikellosen litauischen Sprache für die Verständlichkeit unverzichtbar.
Forschungsgeschichte
Besondere Verdienste um die Erforschung des Litauischen erwarb sich im 19. Jahrhundert August Schleicher, der als Philologieprofessor an der Prager Universität 1856/1857 das erste wissenschaftliche Handbuch der litauischen Sprache in zwei Bänden veröffentlichte. Schleicher beschreibt darin das von ihm in Ostpreußen erlernte preußische Litauisch. August Leskien und Karl Brugmann erforschten ebenfalls das Litauische. Ergebnis einer gemeinsamen Expedition war eine Sammlung litauischer Märchen und Lieder.
Aufgrund der Altertümlichkeit des Litauischen ist es eine wichtige Quelle in der Indogermanistik. In der Baltistik und Lituanistik wird das Litauische im engeren Kontext erforscht, zudem ist es in der Finnougristik von Interesse, da sich viele Lehnwörter in den ostseefinnischen Sprachen gut anhand baltischen, insbesondere litauischen Materials deuten lassen.
Alphabet
Das litauische Alphabet basiert auf dem lateinischen Alphabet und enthält als zusätzliche diakritische Zeichen (Akzentuierungen) verschiedene Häkchen und Punkte, nämlich das Ogonek, das Hatschek, das Makron sowie den Akzent-Punkt. Zur Kennzeichnung der Töne sind des Weiteren der Gravis `, der Akut ´ sowie die Tilde ˜ im Gebrauch. Die lateinischen Buchstaben q, w und x werden nur in Fachtexten zur originalgetreuen Schreibung fremdsprachlicher Eigennamen gebraucht.
Phonetik
Konsonanten
Konsonanten des Litauischen bilabial labiodental alveolar postalveolar palatal velar stimmlos stimmhaft stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. stl. sth. Plosive nicht palatalisiert p b t d k g palatalisiert pʲ bʲ tʲ dʲ kʲ gʲ Affrikaten nicht palatalisiert ts dz tʃ dʒ palatalisiert tʲsʲ dʲzʲ tʲʃʲ dʲʒʲ Nasale nicht palatalisiert m n ŋ palatalisiert mʲ nʲ ŋʲ Vibranten nicht palatalisiert r palatalisiert rʲ Frikative nicht palatalisiert f s z ʃ ʒ x ̠ ɣ̠ palatalisiert fʲ sʲ zʲ ʃʲ ʒʲ x ̟ ɣ̟ Approximanten nicht palatalisiert ʋ palatalisiert ʋʲ j Laterale nicht palatalisiert ɫ palatalisiert lʲ Bei den meisten Konsonanten ist die Palatalisierung tatsächlich phonemisch. An Beinaheminimalpaaren mangelt es nicht, z. B. anglų /ˈɑːŋɡɫuː/ „Engländer (Gen. Pl.)“ gegenüber anglių /aŋʲˈɡʲlʲuː/ „Kohlen (Gen. Pl.)“. Echte Minimalpaare beschränken sich jedoch zumeist auf grammatische Phänomene, z. B. sunkus /sʊŋˈkʊs/ „schwer (Nom. Sg. m.)“ gegenüber sunkius /sʊŋʲˈkʲʊs/ „schwer (Akk. Pl. m.)“. Ein Beispiel für ein lexikalisches echtes Minimalpaar /ʒ/ – /ʒʲ/ ist žodo /ˈʒoːdoː/ „er äußerte sich“ gegenüber žiodo /ˈʒʲoːdoː/ „er öffnete jemandem den Mund“.
Vor /ı/ und /iː/ können nur palatalisierte Konsonanten stehen. Nicht phonemisch ist die Palatalisierung außerdem bei /f/, /x/ und /ɣ/, da diese Laute nur in Fremdwörtern vorkommen. Die Anzahl der Fremdwörter genügt einfach nicht, um Minimalpaare bereitzustellen.
[ŋ] ist Allophon von [n] vor [k] oder [g].
Außer an Wortfugen können zwischen zwei Vokalen entweder nur palatalisierte oder nur unpalatalisierte Konsonanten stehen. Am Wortende treten nur unpalatalisierte Konsonanten auf, es sei denn, bei dem betreffenden Wort handelt es sich um die Kurzform eines Wortes, welches an dieser Stelle einen palatalisierten Konsonanten besitzt. Beispiele hierfür sind Infinitive, bei denen in der Umgangssprache oft das auslautende i fehlt, z. B. /æıtʲ/ statt /ˈæɪtʲɪ/ „gehen“. Des Weiteren gibt es noch einige Wörter, bei denen die Langformen veraltet wirken, z. B. /dʲeːlʲ/ statt /ˈdʲeːlʲæɪ/ „wegen“ oder /gaːlʲ/ bzw. /ɡaːlʲˈbuːtʲ/ statt /ˌɡaːlʲɪ ˈbuːtʲɪ/.
An Wortfugen oder selbst an Wortgrenzen können entweder nur stimmhafte oder nur stimmlose Konsonanten aufeinanderfolgen; einzige Ausnahme bilden /m/, /n/, /l/, /r/ und /ʋ/, die als letzter Konsonant einer Gruppe auch nach stimmlosen Konsonanten stehen können. Als Beispiel diene hier: /ˈtʲrʲiːs/ „drei“ + /ˈdaːlʲiːs/ „Teile (Nom. Pl.)“ = [tʲrʲiːzˈdaːlʲiːs].
Obwohl es nicht als falsch gilt, werden für gewöhnlich alveolare und postalveolare Frikative oder Affrikaten nicht direkt hintereinander artikuliert. Der Artikulationsort bestimmt sich aus dem letzten dieser Konsonanten. Beispiele: /ˈlʲæɪs/ (Stamm von leisti „lassen“) + /tʲʃʲæʊ/ (Konjunktiv-Endung) = [ˈlʲæɪʃʲtʲʃʲæʊ]; /ıʃ/ (Vorsilbe „aus-“) + /sʲuːsʲtʲɪ/ „schicken“ = [ɪˈsʲuːsʲtʲɪ] „abschicken“. Am letzten Beispiel sieht man auch, dass Gemination selbst an Wortfugen nicht auftritt.
Vokale
Vokale des Litauischen vorne (ungerundet) hinten (gerundet) geschlossen iː uː fast geschlossen ɪ ʊ halb geschlossen e: o: halb offen ɛ ɔ fast offen æː offen a, aː ɑ, ɑː Viele Sprecher des Litauischen sprechen das Phonem /oː/ als offenes o, [ɔː], aus. Kurzes /ɔ/ kommt nur in Fremdwörtern vor.
Die Vokale [ɑ], [a] und [ɛ] sind Allophone eines Phonems /ɑ/. [ɛ] wird immer dann gesprochen, wenn der vorangehende Konsonant palatalisiert ist. Anderenfalls spricht man [a], falls der folgende Konsonant palatalisiert ist, und [ɑ] sonst. Dieselben Regeln gelten für die langen Entsprechungen [ɑː], [aː] sowie [æː]. Für den Laut [ɛ] bzw. [æː] existieren zwei verschiedene Grapheme e (ę) bzw. ia. Für die Entscheidung, welches Graphem zu verwenden ist, siehe litauisches Alphabet#Laut-Buchstaben-Zuordnung.
Die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen ist selbst in unbetonten Silben phonemisch, z. B. iššokti [ɪˈʃoːkʲtʲɪ] „hinausspringen“ gegenüber įšokti [iˈʃoːkʲtʲɪ] „hineinspringen“.
Diphthonge
Die litauische Sprache kennt als Diphthonge die Lautverbindungen [ɑɪ], [ɑʊ] mit den Allophonen [æɪ] bzw. [æʊ]; weiterhin [iɛ], [ʊɪ] und [uʌ]. Als Interjektion sowie in Fremdwörtern erscheint [oɪ]. Der Diphthong [oʊ] tritt nur in Fremdwörtern auf.
Auch Verbindungen eines Vokals mit einem der sonorantischen Konsonanten m, n, l und r werden im Litauischen als Diphthonge betrachtet (sogenannte gemischte Diphthonge), wenn der Konsonant nicht bereits der Anlaut der nächsten Silbe ist. Dies ist wichtig für die Betrachtung der Töne (vgl. nächster Abschnitt), da Diphthonge wie auch lange Vokale verschiedene Töne tragen können. Nicht wenige morphologische Erscheinungen lassen sich mit dieser Klassifikation in Verbindung bringen: Bildet man Adverbien aus Adjektiven, die im Nominativ Singular in der männlichen Form auf /ʊs/ enden, so wird die Endung /ʲæɪ/ betont, wenn die Stammsilbe kurz ist, und sonst nicht (bis auf vier Ausnahmen). Da das Adverb zu sunkus [sʊŋˈkʊs] „schwer“ sunkiai [ˈsʊŋʲːkʲæɪ] lautet, muss /ʊŋ/ als lang gelten, obwohl /ʊ/ kurz ist. Bei der Konjugation von Verben findet man noch weitere Belege für diese Einordnung.
In Zusammensetzungen existieren sogar Verbindungen von zwei Vokalen und einem Konsonanten, die als ein Silbenträger gelten (quasi als Triphthonge), z. B. in duonkepys [duʌŋʲkʲɛˈpʲiːs] „Bäcker“.
Töne
Die International Phonetic Association hat noch keinen Standard zur Umschrift litauischer Töne herausgegeben. In diesem Abschnitt wird versucht, die Ergebnisse der Untersuchung von Grzegorz Dogil in das Internationale Phonetische Alphabet zu übertragen.[2]
Das Litauische ist in gewissem Maße eine Tonsprache, d. h. unterschiedliche Betonung kann bedeutungsrelevant sein.
Die Sprache kennt drei verschiedene Töne: den kurzen Ton (kairinis kirtis), den Stoßton (tvirtapradė, krintančioji oder staiginė priegaidė) sowie den Schleifton (tvirtagalė, kylančioji oder tęstinė priegaidė). In der Praxis lassen sich jedoch selten Minimalpaare ausmachen. Häufig angeführte Beispiele für Beinahe-Minimalpaare sind Adjektive gegenüber ihren substantivierten Formen, z. B. juõdas [ˈju̯ʌːdɑs] „schwarz“ gegenüber júodis [ˈjuʌ̯dʲɪs] „Rappe“ oder skỹstas [ˈsʲkʲiːstas] „flüssig“ gegenüber skýstis ['sʲkʲii̯sʲtʲɪs] „Flüssigkeit“. Wahre Minimalpaare finden sich bei manchen Verben wie z. B. [ˈmʲɪnʲtʲɪ] „treten“ gegenüber miñti [mʲɪ̈nʲːtʲɪ] „sich erinnern“. Solche Verben unterscheiden sich jedoch in flektierten Formen noch anderweitig (die 3. Person Präsens der obigen Beispiele ist für alle Numeri [ˈmʲɪnɑ] bzw. mẽna [ˈmʲæːnɑ]) oder geben die Unterscheidung ganz auf (3. Person Futur für beide Beispiele miñs [mʲɪ̈nːs]). Eine große Anzahl echter Minimalpaare findet sich auch bei Empfindungswörtern, die unterschiedliche Intensität ausdrücken, z. B. ái [ɑɪ̯] gegenüber [ɑ̯ɪː] (beides „au“, das Erste bei einem kurzen, das Zweite bei einem andauernden Schmerz); jedoch spielt hierbei vor allem die Länge der Silbe die entscheidende Rolle.
Die Umsetzung des kurzen Tons bereitet deutschen Muttersprachlern keine Probleme. Stoßton und Schleifton treten nur bei langen Vokalen und Diphthongen auf. Der Unterschied wird zumeist so beschrieben, dass ein stoßtöniger Vokal sofort betont wird, während die Betonung beim Schleifton am Ende des betreffenden Lautes stärker als am Anfang ist. Vergleichende Sprachwissenschaftler um Grzegorz Dogil (siehe Literatur) haben jedoch herausgefunden, dass für die Unterscheidung der beiden Töne bei Diphthongen wichtiger ist, wie die beteiligten Vokale ausgesprochen werden. Demnach ist beim Stoßton der erste Vokal sehr deutlich artikuliert und betont, der folgende Vokal ist unbetont. Beim Schleifton werden beide Vokale stärker aneinander angeglichen (somit nur undeutlich artikuliert) und gleichmäßig betont.
Grammatik
Das Litauische ist eine hochflektierende Sprache und darin dem Lateinischen, dem Altgriechischen oder dem Sanskrit ähnlich, insbesondere in seiner Fixierung auf die Endungen zur Angabe des Kasus und in der unbeschränkten Voranstellung von bestimmenden Adjektiven und Substantiven vor dem eigentlichen Substantiv und deren Verschränkung.
Das Litauische kennt keine Artikel und kommt im Wesentlichen mit vier Zeiten aus (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft; Frequentativum, eine Zeitform die mehrmalige Handlungen in der Vergangenheit ausdrücken kann: ėjo 'er ging' : eidavo 'er ging regelmäßig'). Verwendete Genera sind männlich und weiblich, auch Neutrum (niekatroji gimine); sächliche Formen sind nur sehr vereinzelt anzutreffen und nur in historischer Perspektive als solche zu erkennen.
Es gibt die Numeri Singular und Plural, historisch und in einzelnen Dialekten, sowie in der Literatur ist auch der Dual anzutreffen.
Neben Indikativ und Imperativ gibt es den Konjunktiv, der in der Vergangenheit mit Partizipien kombiniert wird. Auffällig sind die zahlreichen Partizipformen. Für jede Zeitform existiert ein aktives und passives Partizip; lediglich für die dem Litauischen eigene Zeitform der mehrmaligen Vergangenheit existiert nur ein aktives Partizip. Mit Hilfe dieser Partizipien lassen sich auch zusammengesetzte Zeitformen im Aktiv und Passiv bilden. Hinzu kommen spezielle Formen des Gerundiums sowie verschiedene Adverbialpartizipen.
Morphologie
In der Deklination werden die Fälle Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental, Lokativ (sekundär als Inessiv entstanden) und Vokativ unterschieden. Zudem gibt es historisch und in einigen Dialekten noch drei weitere sekundäre Lokalkasus: Illativ (z. B. miškan 'in den Wald (hinein)', Adessiv (z. B. miškiep 'am Wald'), Allativ (z. B. miškop 'zum Wald hin'). Der Ablaut ist im Litauischen weitverbreitet, kommt allerdings nicht innerhalb der Konjugation oder Deklination zum Einsatz, sondern vor allem in der Wortbildung, z. B. bei der Angabe der Transitivität: lūžti 'zerbrechen (intransitiv)' – laužti 'zerbrechen (transitiv)'.
Substantiv
Die Nominativendung gestattet in den meisten Fällen die Feststellung, ob es weibliche oder männliche Substantive sind: -as, -us, -ys sind immer männlich, -a, -ė weiblich, nur -is und -uo sind mehrdeutig.
Adjektiv
Mögliche männliche Endungen von Adjektiven sind -as, -ias, -us und -is; mögliche weibliche Endungen sind -a, -ia, -i und -ė. Bei der Steigerung wird für den Komparativ immer -esnis (m.) -esnė (f.) und für den Superlativ -iausias, -iausia verwendet.
Die meisten Adjektive haben auch eine pronominalisierte Langform. Sie ist durch Anhängen des Personalpronomens jis/ji an die Kurzform gebildet bei späteren lautlichen Verkürzungen.
Adverbien
Adjektive lassen sich leicht in Adverbien umwandeln. Dabei werden die männlichen Adjektiv-Endungen durch folgende Endungen ersetzt:
- aus -as wird -ai
- aus -us wird -iai
Beim Steigern der Adverbien wird an den Adjektiv-Stamm die Endung -iau für den Komparativ und die Endung -iausiai für den Superlativ angehängt.
Zahlen
Kardinalzahlen
Die Kardinalzahlen werden teilweise wie Adjektive behandelt, z. B. vienas, teils als Substantive, z. B. tūkstantis.
Ordinalzahlen
Die Ordinalzahlen werden wie Adjektive behandelt. Sie lauten pirmas '1.', antras '2.', trečias '3.', ketvirtas '4.'. Weitere werden nach dem Muster Stamm + tas gebildet. Dabei kommt es teils zu phonetischen Abweichungen: aštuoni '8' – aštuntas '8.'. Jeweils nur die letzte Zahl wird als Ordinalie gebildet šimtas dvidešimt aštuntas '128.'.
Verb
Die Beugung des Verbes geht unter Verwendung dreier verschiedener Stämme vonstatten. Es handelt sich dabei um Stämme des Präsens', des Präteritums und des Infinitivs. In einigen Fällen unterscheiden sich diese Stämme nicht sonderlich, z. B. kala, kalė, kalti 'schlagen, schmieden', in anderen bestehen deutliche, historisch entstandene Unterschiede, ohne dass man dies regulär erklären könnte, z. B. renka, rinko, rinkti 'sammeln' oder mato, matė, matyti 'sehen'.
Zudem werden in einigen Zeitformen weitere Beugungsklasse unterschieden, die sich nach dem Stammauslaut – dem sogenannten Themavokal richten. Reste einer archaischen athematischen Konjugation sind kaum noch in Verwendung. Erkennen kann man den Stamm an der Endung der 3. Person Singular. Anhand dieser Endungen in der 3. Person Singular werden in der Gegenwart drei und in der Vergangenheit zwei Beugungsklassen unterscheiden. In der Gegenwart enden Verben der ersten Klasse auf -a oder -ia, der zweiten Klasse auf -i, der dritten Klasse auf -o. In der Vergangenheit lautet die Endung der ersten Beugungsklasse -o, die der zweiten Klasse -ė. Ist das Verb reflexiv, wird an die Endsilbe die Endung -si angehängt. Im Infinitiv enden Verben immer mit -ti, reflexive Verben immer mit -tis.
Syntax
Das Litauische verfügt als synthetische Sprache über eine gewisse Freiheit in der Folge der Satzglieder. Sowohl die Reihenfolge Subjekt-Prädikat als auch andersherum ist möglich: vaikas eina – eina vaikas 'das Kind geht'. Ähnliches gilt für das direkte Objekt kala vinį – vinį kala '(er) schlägt einen Nagel (ein)'. Die Verwendung des Personalpronomens ist nicht notwendig. Insbesondere in der dritten Person muss dann aus dem Kontext erschlossen werden, ob es sich um mehrere oder eine Person handelt, ob diese männlich oder weiblich ist/sind. Das Adjektiv steht regelmäßig vor dem Substantiv und stimmt in Genus, Numerus und Kasus mit dem attributierten Substantiv überein.
Wortschatz
Der Wortschatz der litauischen Sprache wurde im 20-bändigen akademischen Wörterbuch von 1941–2002 gesammelt. Ein beachtlicher Teil der Lexik ist ererbt und findet lautgesetzliche Entsprechungen im Lettischen, in den slawischen und anderen indoeuropäischen Sprachen. Natürlich sind die direkt vergleichbaren Wörter weitaus weniger zahlreich als die später hieraus gebildeten Wörter. Hinzu kommen Entlehnungen, insbesondere aus den slawischen Sprachen – etwa ein großer Teil der christlichen Terminologie wie bažnyčia 'Kirche' aber auch aus germanischen Sprachen, z. B. kunigas 'Priester'. Da das Litauische ab dem 16. bis zum Beginn des 20. Jh. eine Sprache der Dörfer war – in den Städten und im Adel wurde Polnisch gesprochen – fehlten viele Begriffe, die u. a. von Sprachnormierern wie Jonas Jablonskis neu geschaffen wurden. Heute wacht eine parlamentarische Kommission über die „Reinheit“ der litauischen Sprache. Vielfach werden neue Wörter kreiert, um keine Anglizismen zu übernehmen. Ein populäres Beispiel ist das Wort žiniasklaida für 'Medien' (wörtlich: Nachrichtenausbreiter), das sich im Alltagsgebrauch durchgesetzt hat. Der Computer heißt dagegen schlicht kompiuteris.
Familiennamen
Anhand des Familiennamens kann das Geschlecht der Person ersehen werden, sowie bei Frauen der Familienstand. Zu dem Familiennamen Kazlauskas (der Mann) gehört Kazlauskienė (dessen Frau) und Kazlauskaitė (deren Tochter). Seit Kurzem gibt es auch die Möglichkeit der Beibehaltung des Geburtsnamens bei Heirat, für Doppelnamen oder eine familienstandsneutrale Namenswahl, die sich indessen keiner großen Beliebtheit erfreuen.
Da ein Teil des litauischsprachigen Gebietes zu Ostpreußen und somit zum Deutschen Reich gehörte und hier spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine intensive Germanisierung einsetzte, kann man viele Familiennamen litauischen Ursprungs heute auch in Deutschland antreffen. Zu den bekanntesten dürfte Wowereit aus lit. Voveraitis zu lit. vovere 'Eichhörnchen' gehören. Weitere sind z. B. Kurbjuweit 'Schusters Sohn' oder Adomeit 'Adams Sohn'.
Dialekte
Die Grundlagen des heutigen Litauisch (der Normsprache) stammen von Aukschtaitisch und Preußisch-Litauisch. Die Aussprache der Normsprache ist dem Südoberlitauischen der Region Suvalkija am nächsten. Die Aussprache aller anderen Dialekte weichen hiervon mehr oder weniger stark ab.
Niederlitauische Mundarten
Eine große Gruppe Mundarten bildet das Niederlitauische im Westen (Žemaitija, Niederlitauen). Diese Dialekte weisen relativ große Unterschiede zum Aukštaitischen (Oberlitauischen) auf und sind für Oberlitauer meist nur schwer zu verstehen. Dafür sind besonders die nördlichen Mundarten dem benachbarten Lettischen ähnlicher. Die Zwielaute ai, ei werden oft als a:, e: ausgesprochen, die Laute ą, ę, į, ų werden vielfach nasal realisiert. Der Wortakzent wird auf den Wortanfang vorverlegt. Die iterative Vergangenheitsform auf -davo gibt es nicht, dafür eine periphrastische Konstruktion, z. B. liuoba skaityti 'er pflegte zu lesen'. Große Unterschiede bestehen auch in der Lexik.
Oberlitauisch
Ein markanter Zug der nordöstlichen Dialekte (in der Region Aukštaitija) ist die Realisierung von un statt an und in statt en.
Dzūkija
Für das Dzūkische ist die Ersetzung von d, t durch dz, c in bestimmten Positionen auffällig, z. B. dzievas statt dievas 'Gott'.
Litauische Mundarten in Weißrussland
Im nordwestlichen Weißrussland gibt es einige kleinere litauische Sprachinseln (Zietela, Gervėčiai, Lazūnai), deren Mundart besonders archaisch ist. Die dortigen Dialekte bewahrten beispielsweise alle vier Lokalkasus und teilweise auch den Dual. Andererseits wurden sie in hohem Maß vom dortigen slawischen Idiom beeinflusst. Sowohl der litauischen als auch der slawischen Mundart Nordwestweißrusslands liegt ein jatwingisches Substrat zugrunde. Die Zietelaer Mundart, die südlichste überhaupt, unterscheidet sich auffällig von den anderen in Weißrussland (z. B. kein dz-Lautwandel) und weist viele westbaltische Züge auf (z. B. oft z statt ž).
Die Verbformen yra (Präsens von sein) und bit (Perfekt von sein) werden für alle Personen aller Numeri gebraucht, z. B. jis yra čia 'er ist da', mes bit ten 'wir waren dort' (in der Schriftsprache nur für die dritte Person, vgl. aš esu čia; mes buvome ten).
Die meisten Sprachinseln in Weißrussland schrumpfen, oft sprechen nur mehr ältere Menschen litauisch, die Jüngeren assimilieren sich ans Weißrussische bzw. Russische.
Literatur
- Vytautas Ambrazas (Red.): Lithuanian Grammar. Baltos lankos, Vilnius 1997.
- Gertrud Bense: Deutsch-litauische Kulturbeziehungen: Kolloquium zu Ehren von August Schleicher an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Jena/Erlangen 1994. ISBN 3-925978-38-0.
- Grzegorz Dogil: The Acoustic Correlates of Word Stress in Lithuanian. In: van der Hulst, Harry (Hrsg.): Word Prosodic Systems in the Languages of Europe. de Gruyter, Berlin 1999.
- Rainer Eckert: Litauisch. In: Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. (Umfassender Lexikonartikel zur litauischen Sprache – hier als pdf-Dokument: [1])
- Katrin Jähnert: Litauisch – Wort für Wort. Bielefeld 2003. ISBN 3-89416-244-9.
- Juozas Algirdas Križinauskas: Vokiečių-lietuvių lietuvių-vokiečių kalbų žodynas. Deutsch-litauisches litauisch-deutsches Wörterbuch. Vilnius 2003. ISBN 9986-546-94-X.
- Asta Adelė Rėbždaitė (Red.): Lietuvių kalbos žinynas. Šviesa, Kaunas 2003. ISBN 5-430-03745-1
- Edmund Remys: Review of Modern Lithuanian Grammar. Lithuanian Research and Studies Center, Chicago, 2nd revised edition, 2003.
- August Schleicher: Handbuch der litauischen Sprache. 2 Bde. Prag 1856–57.
- Alfred Senn: Handbuch der litauischen Sprache. Band 1: Grammatik. Heidelberg 1966.
- Zigmas Zinkevičius: History of the Lithuanian Language. Mokslo ir enciklopedijų leidykla, Vilnius 1996.
- Saulius Žukas: Das erste litauische Buch im Kulturkontext seiner Entstehung. Baltos lankos, Vilnius 1997.
- Edmund Remys: General distinguishing features of various Indo-European languages and their relationship to Lithuanian. Berlin, New York: Indogermanische Forschungen, Vol. 112, 2007.
Weblinks
Wikiquote: Litauische Sprichwörter – ZitateWikibooks: Litauisch – Lern- und LehrmaterialienLitauische Wörterbücher
- Online-Wörterbuch
- Wörterbuch online, Deutsch-Litauisch und Litauisch-Deutsch
- Deutsch-Litauisches Online-Wörterbuch / Vokiečių-lietuvių kalbų žodynas
- Litauisch-Deutsches Online-Wörterbuch / Lietuvių-vokiečių kalbų žodynas
- Litauisch-Deutsch-Litauisches Wörterbuch mit ca. 4000 Einträgen
Sonstiges
- Official Cyrillic Alphabet for Lithuanian (1864–1904) (PDF, 2,6 MiB)
- Sprachdatenbank Litauisch [2]
- Eintrag über das Litauische in der Enzyklopädie des europäischen Ostens/Universität Klagenfurt.
Einzelnachweise
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- Indogermanische Sprachen
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