Christliche Studentenverbindungen

Christliche Studentenverbindungen

Christliche Studentenverbindungen sind in Mitteleuropa und in einigen anderen Ländern christlich ausgerichtete Studentenverbindungen, bei denen Aspekte der christlichen Werteorientierung und Glaubenspraxis im Mittelpunkt ihres Gemeinschaftslebens stehen. Obwohl die erste Verbindung dieser Art bereits 1836 gegründet wurde, entstanden die meisten erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder im 20. Jahrhundert. Der älteste Dachverband christlicher Studentenverbindungen ist der Wingolfsbund, der bereits 1844 in Schleiz gegründet wurde.

Fronleichnamsprozession in München mit Studentenverbindungen

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Christlicher Glaube

Pauluskirche zu Halle auf einer Couleurkarte des Hallenser Wingolf

Einige wenige christliche Studentenverbindungen verlangen von ihren Mitgliedern lediglich eine grundsätzliche Bereitschaft, sich mit dem christlichem Glauben und christlichen Werten auseinanderzusetzen. Die allermeisten von ihnen bestehen aber auf die Taufe als deutlichem Akt des Bekenntnisses zum Christentum. In einigen Verbindungen ist die Taufe Eintrittsvoraussetzung (Rezeption), in anderen muss sie bis zur Burschung oder Philistration stattgefunden haben. Christliche Studentenverbindungen verstehen sich nur in den seltensten Fällen als Vereinigungen mit missionarischem Auftrag, vertreten aber selbstverständlich den Auftrag Jesu an jeden Christen, Menschen an das Evangelium heranzuführen (->Missionsbefehl).

Briefmarke zur 100. Cartellversammlung des CV

Insbesondere während ihrer Gründungszeit (1830-1880) waren die meisten Mitglieder Theologiestudenten, aber auch heute noch pflegen einige christliche Korporationen dieses Erbe durch theologische Kolloquien und Seminare. Aus den Reihen der christlichen Studentenverbindungen stammen daher mehrere bedeutende Theologen und Kirchenmänner, so zum Beispiel Adolf von Harnack, Albrecht Ritschl, Paul Tillich, Reinhard Marx, Józef Bilczewski und Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI..

Im verbindungsalltag finden Institute (d.h. Veranstaltungen des Semesterprogramms) mit christlichem Inhalt statt. Regelmäßiger Gottesdienstbesuch, zumindest vor oder nach der Kneipe, ist üblich. Hinzu kommen christliche Themenabende, Bibelabende oder Exerzitien. Der Wingolf hat seit seiner Gründung eine eigene überkonfessionelle Form der Andacht - die Ernste Feier - hervorgebracht, die vor jeder offiziellen Kneipe gehalten wird.

Konfession

Der größte Dachverband christlicher Studentenverbindungen ist der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV), seine Mitglieder müssen katholisch getauft sein. Rein protestantische (evangelische) Verbindungen sind sehr selten. Der Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV) hat sich, obwohl von Natur aus römisch-katholisch geprägt, in den letzten Jahren auch für Mitglieder anderer Konfessionen geöffnet. Genuin überkonfessionell (ökumenisch) aus Tradition ist der Wingolfsbund. Die untenstehende Auflistung folgt der jeweiligen Verbandssatzung.

Aktivitas des Gießener Wingolf 1863

Ablehnung der Mensur

Allen christlichen Studentenverbindungen ist die Ablehnung von Duell und Mensur gemein. Die damit verbundenen Vorstellungen von Ehre und Satisfaktion werden abgelehnt. An die Stelle der zu verteidigenden Ehre der Person tritt die alleinige Ehre Gottes. Der christliche Glaube kennt den Menschen nur als Gegenüber Gottes, der von ihm mit einer unantastbaren Würde ausgestattet ist.

Stellung in der Verbindungslandschaft

Das Verhältnis zu schlagenden Studentenverbindung wurde immer wieder durch die Auseinandersetzungen um die Duell- und Mensurfrage getrübt. Schließlich konnten aber, zum Beispiel durch die Würzburger Einigungserklärung, die allermeisten Streitigkeiten beigelegt werden. Nach dem 2. Weltkrieg verlor der Stand des Studenten endgültig seinen Nimbus und die allgegenwärtige Bedeutung der Satisfaktionsfähigkeit in Militär, Verwaltung, Staat und Gesellschaft verschwand vollständig. Daher ist die Mensurfrage heute vor allem eine Frage des eigenen Geschmacks und Werteorientierung. Trotzdem schauen einige schlagende Verbindungen noch immer spöttisch auf die "Bibelschmeisser" herab. Mitglieder christlicher Studentenverbindungen bezeichnen Mitglieder schlagender Verbindungen manchmal herabwürdigend als "Schlitzer". Mitglieder christlicher Studentenverbindung werden seltener auch Bet- oder Bibelbuxen bezeichnet.

Die meisten christlichen Studentenverbindungen tragen vollständige Couleur, andere bezeichnen sich als farbenführend bzw. nicht-farbentragend.

Viele christliche Studentenverbindungen kennen das Prinzip der Mäßigkeit, das die Mitglieder zu vernünftigem Trinken anhält und auch auf viele andere Bereiche des Studentenlebens Einfluss nimmt. Seinen Ausgangspunkt hat dieses "Prinzip" in der ursprünglichen Ablehnung der sich neu-gründenden christlichen Studentenverbindung gegenüber der allgemein üblichen studentischen Trinkkultur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die älteste christliche Studentenverbindung, die Uttenruthia Erlangen legte dagegen Wert auf mäßiges Trinken und Kneipen. Bis heute ist das Mäßigkeitsprinzip zentraler Bestandteil der Statuten oder des Comments vieler Wingolfsverbindungen.

Liste der Dachverbände christlicher Studentenverbindungen

Katholische Dachverbände

Hauptartikel: Katholische Studentenverbindungen

Rein katholische Dachverbände

Andere Katholische Dachverbände

Hier sind katholische Dachverbände aufgelistet, die sich in verschiedenem Umfang auch für Mitglieder anderer christlicher Konfessionen geöffnet haben.

Protestantische Dachverbände

Ökumenische Dachverbände

Als Zusammenschluss mehrere Dachverbände und Einzelverbindungen:

Siehe auch

Literatur

  • Robert Jauch OFM: Das Prinzip „Religion“ katholischer Studenten- und Akademikerverbände unter besonderer Berücksichtigung der nachkonziliaren Entwicklung beim Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV). Würzburg 1986. ISBN 3-923-621-14-0
  • Thomas Mayer: Katholische Farbstudenten im Kulturkampf, Stein am Rhein 2003, ISBN 3-7171-1105-1
  • Verband Alter Wingolfiten Hrsg.: Geschichte des Wingolfs 1830–1994, Manfred Wieltsch u.a., 5. Auflage , Detmold 1998

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