Ulrich von Sell

Ulrich von Sell

Ulrich Freiherr von Sell (* 18. Februar 1884 in Berlin; † 12. November 1945 in Jamlitz) war ein deutscher Offizier des Deutschen Heeres und später der Wehrmacht. Er war ein enger Vertrauter des letzten deutschen Kaisers Wilhelms II.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sell, Sohn eines preußischen Offiziers, schlug nach dem Ende seiner Schullaufbahn die Militärlaufbahn ein. Nachdem Sell 1902 den Rang eines Leutnants erreicht hatte diente er danach bis 1910 im Kaiser-Franz-Regiment. Anschließend war Sell bis 1914 Adjutant des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg. Während des Ersten Weltkrieges gehörte er im Rang eines Hauptmanns dem Generalstab an. Nach Kriegsende war er im Bereich Handel und Finanzen tätig. Ab 1922 war er bei dem ehemaligen deutschen Kaiser Wilhelm II., der sich im niederländischen Exil aufhielt, als Vermögensverwalter beschäftigt. Zudem bekleidete er ab 1927 in dessen Hausministerium den Posten eines Referenten, wurde Flügeladjutant und war ab 1929 Leiter der Privatschatulle. Sell sagte 1937 im Prozess gegen Martin Niemöller zu dessen Gunsten aus. Sell riet dem Kaiser davon ab mit Adolf Hitler zu konferieren. Als Wilhelm II. 1941 starb, vollstreckte Sell dessen Testament.[1]

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gehörte Sell ab Ende September 1939 im Rang eines Oberleutnants dem Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) an, wo er die Abteilung 9 leitete und Stellvertreter des Leiters der Auslandsbriefprüfstelle (ABP-3) war. Ab 1941 leitete Sell die Auslandsbriefprüfstelle. Sell wurde 1942 aus dem Amt entlassen und vor ein Kriegsgericht gestellt. Hintergrund dieser Maßnahme war, dass Sell in seiner Dienststelle „jüdisch versippte“ Mitarbeiter beschäftigt hatte und „ungerechtfertigt“ Beschäftigte als unabkömmlich vom Kriegsdienst zurückstellen hatte lassen. Danach wurde er offiziell der Division Brandenburg zugeteilt. Sell der mit Wilhelm Canaris, Hans Oster, Ulrich von Hassell und Werner von Haeften verdeckte Treffen in seinem Haus abhielt, war auch durch Beratungen im Bendlerblock über den militärischen Widerstand informiert. Im Schattenkabinett Beck/Goerdeler war Sell als Verbindungsoffizier im Wehrkreis IX (Kassel) eingeplant. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Sell durch Mitarbeiter der Gestapo festgenommen, verhört und im Zellengefängnis Lehrter Straße inhaftiert. Am 30. März 1945 wurde Sell aus der Untersuchungshaft entlassen.[1]

Nach der Schlacht um Berlin wurde Sell durch SMERSCH-Mitarbeiter verhaftet, als er für seinen inhaftierten ehemaligen Mitarbeiter Paul Poensgen eine entlastende Aussage machen wollte. Sell wurde am 1. August 1945 in das Speziallager Nr. 6 eingewiesen, das im September 1945 aufgelöst und nach Jamlitz verlegt wurde. Dort starb Sell im November 1945 an Lungenentzündung und Unterernährung.[1]

Sell war verheiratet mit Augusta, geborene von Brauchitsch. Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter.[2] Seine Tochter Sybilla Augusta Sophia wanderte nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die USA aus und wurde amerikanische Staatsbürgerin. Von 1959 bis 1968 war sie mit Ross Donaldson, u.a. Vizepräsident von NBC verheiratet.[3] Nach ihrer Scheidung heiratete sie 1971 den Pastor Martin Niemöller, das Paar lebte in Wiesbaden. Sie konvertierte 1989 zum Judentum und führt seitdem den Namen Sarah Sibylle Niemöller von Sell.[4] Ihr Vater wurde durch die Militär-Hauptstaatsanwaltschaft Moskau am 30. Oktober 1997 posthum rehabilitiert.[1]

Literatur

  • Andreas Weigelt: Umschulungslager existieren nicht: Zur Geschichte des sowjetischen Speziallagers Jamlitz 1945–1947. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung – Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Potsdam 2001, ISBN 3-932502-29-9 (PDF-Datei, 1,46 MB), dort: Kurzbiografie Ulrich Freiherr von Sell, S. 160.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Andreas Weigelt: Umschulungslager existieren nicht: Zur Geschichte des sowjetischen Speziallagers Jamlitz 1945–1947', Potsdam 2001, S. 160
  2. Gedenkstätte Deutscher Widerstand - Eintrag: Ulrich von Sell
  3. Neue Deutsche Biografie, Neuwach-Pagel, Berlin 1999, Band 19, S. 239, Eintrag : Marin Niemöller
  4. Walter Homolka, Esther Seidel (Hrsg.): Nicht durch Geburt allein: Übertritt zum Judentum. Frank & Timme, Berlin 2006, S. 257

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