- Ulrich von Hassell
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Christian August Ulrich von Hassell (* 12. November 1881 in Anklam; † 8. September 1944 in Berlin-Plötzensee) war ein deutscher Kommunalpolitiker, Diplomat und Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944.
Inhaltsverzeichnis
Familie
Von Hassell entstammte dem alten landsässigen Adelsgeschlecht derer von Hassell. Er wurde als Sohn des Oberleutnants Ulrich von Hassell und dessen Frau Margarete (geb. von Stosch) geboren. Seine Mutter war eine Nichte Albrecht von Stoschs, des preußischen Staatsministers und Chefs der Admiralität. Sie war im Übrigen die Urgroßenkelin jener Henriette Vogel, die Heinrich von Kleist im November 1811 in den Freitod mitgenommen hatte. Ulrich v. Hassell hat später nicht ausgeschlossen, dass seine stets wachsende Bewunderung für den Dichter durch diesen Umstand mitgeprägt wurde.
Sein Großvater mütterlicherseits war der Patensohn des Grafen August Neidhardt von Gneisenau. Das erklärt das besondere Interesse von Hassells an dem preußischen Reformer, das seinen Niederschlag in einigen Veröffentlichungen fand. Sein 1805 geborener Großvater väterlicherseits, Christian von Hassell, hatte die Juristenlaufbahn gewählt, eine Ausnahme in der alten hannoverschen Familie. Deren Mitglieder waren durchweg Gutsbesitzer oder hatten die Offizierslaufbahn eingeschlagen.
1911 heiratete von Hassell Ilse von Tirpitz, Tochter des Großadmirals Alfred von Tirpitz. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor:
- Almuth (* 1912)
- Wolf Ulrich (* 1913 ), Deutscher Diplomat bei der UN ∞ Christa v. Studnitz, Tochter des Generalmajors Bogislav v. Studnitz
- Johann Dietrich (* 1916), Direktor bei Siemens,1944 -1945 in Sippenhaft ∞ Elisabeth Freiin v. Richthofen
- Fey (* 1918), Autorin: Niemals sich beugen, Erinnerungen einer Sondergefangenen der SS, in der sie ihre Zeit als Sippenhäftling verarbeitet ∞ Detalmo Pirzio-Biroli, Gutsherr und Mitglied der Resistenza
Zu der 1897 in den preußischen Adel erhobenen Familie von Hassel (Kai-Uwe von Hassel) besteht keine verwandtschaftliche Beziehung.
Leben
Zwischen 1899 und 1903 studierte er Jura und Volkswirtschaft in Lausanne, Tübingen und Berlin. 1900 wurde er im Corps Suevia Tübingen aktiv.[1] Nach Aufenthalten in Tsingtau und London trat er 1909 als Assessor in das Auswärtige Amt ein. Von 1911 bis 1914 war er Vizekonsul in Genua.
Am Ersten Weltkrieg nahm er als Hauptmann der Reserve teil und wurde in der Marneschlacht am 8. September 1914 durch einen Herzschuss schwer verwundet. Während der weiteren Dauer des Krieges fungierte er als Berater und Privatsekretär seines Schwiegervaters Alfred von Tirpitz, über den er nach dem Krieg eine Biographie verfasste. Von 1917 bis 1920 war er der erste Direktor des Verbands der preußischen Landkreise in Berlin. Im September 1917 war er Gründungsmitglied der Deutschen Vaterlandspartei.
Nach dem Ende der Krieges und der Auflösung der Vaterlandspartei 1918 trat von Hassell der Deutschnationalen Volkspartei bei. Er setzte sich für einen Neuaufbau des Staats in einem ständisch-konservativen Rahmen ein und distanzierte sich von den rein reaktionären Kräften innerhalb der Partei. Er war Mitglied des Deutschen Herrenklubs, einer einflussreichen Vereinigung von hochgestellten konservativen Persönlichkeiten. In den folgenden Jahren kehrte er ins Auswärtige Amt zurück und arbeitete bis Anfang der 1930er Jahren in Rom, Barcelona, Kopenhagen und Belgrad. 1932 wurde von Hassell zum deutschen Botschafter in Italien ernannt.
1933 trat von Hassell der NSDAP bei. Er war entschiedener Gegner des 1937 zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Japan geschlossenem Antikominternpakts und trat für eine abendländisch-christliche Einheit Europas ein. Im September 1937 wurde er Mitglied des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps. Im Jahre 1938 wurde von Hassell im Rahmen der Blomberg-Fritsch-Krise von Hitler als Botschafter in Rom abberufen, ohne völlig aus dem diplomatischen Dienst auszuscheiden. So leitete er unmittelbar nach dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939 eine Delegation, um bei den nordeuropäischen Regierungen Befürchtungen über einen bevorstehenden deutschen Überfall zu zerstreuen.
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges beteiligte er sich an Plänen zum Putsch gegen Hitler. Von Hassell fungierte dabei als Vermittler zwischen den konservativen Widerstandsgruppen um Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck (diese Gruppe nannte von Hassell einmal ironisch His Majesty's most loyal opposition) und den jüngeren Widerständlern im Kreisauer Kreis; in den Weißen Blättern schrieb er ab Mitte 1939 Artikel.
Ab 1940 wurde er Mitglied im Vorstand des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags und ein enger Mitarbeiter von Tilo von Wilmowsky.[2] Während dieser Zeit führte er mit den Westalliierten Gespräche über die Zeit nach einem möglichen Staatsstreich. Er entwarf zusammen mit Goerdeler, Beck und Johannes Popitz Planungen für die innere Ordnung Deutschlands nach einem erfolgreichen Putsch gegen Hitler. Für eine Übergangsregierung war er als Außenminister vorgesehen. Indessen war er seit 1943 aus dem eigentlichen Zentrum des Widerstands ausgeschieden und auch über die Staatsstreichbemühungen um Claus Schenk Graf von Stauffenberg nicht mehr im Bilde.
Aus einem Tagebucheintrag Hassells vom 15. Mai 1943 geht hervor, das Hassell vom Holocaust wusste:
„Erschütternde Berichte des braven Zähringer [Frauendorfer] aus Polen. Während Frank öffentlich erklärt, man wolle Polen ein menschenwürdiges freies Dasein geben und während man – vergeblich – die Welt durch die bolschewistischen Morde in Katyn abzulenken sucht, haust die SS in Polen weiter in unvorstellbarer beschämendster Weise. Unzählige Juden werden in besonders dazu gebauten Hallen vergast, jedenfalls Hunderttausende.“[3]
Am 29. Juli 1944 wurde von Hassell dennoch wegen seiner Verstrickung in den Staatsstreichversuch von der Gestapo verhaftet, was er, an seinem Schreibtisch sitzend, bereits erwartet hatte. Am 8. September wurde er nach zweitägiger Verhandlung unter Vorsitz von Roland Freisler vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und zwei Stunden später[4] in Plötzensee erhängt.[5]
Werke
- Die Hassell-Tagebücher 1938–1944. Aufzeichnungen vom Anderen Deutschland. Hrsg. von Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen, nach der Handschrift revidierte und erweiterte Ausgabe. Siedler, Berlin 1988, 689 S., Ill., ISBN 3-88680-017-2; Goldmann-Taschenbuch, München 1994, 687 S., Ill., ISBN 3-442-12864-1
Auszeichnungen
- St. Alexander-Orden (I. Klasse)
- Orden der aufgehenden Sonne (I. Klasse)
- Ritterorden der hl. Mauritius und Lazarus(Großkreuz)
- Orden der Krone von Jugoslawien (Großkreuz)
- Dannebrog-Orden (Großkreuz)
- Orden Isabellas der Katholischen (Komturstern)
- Orden vom Doppelten Drachen (III. Klasse,I. Grades)
- Osmanje-Orden
- Rechtsritter im Johanniterorden
Literatur
- Ulrich von Hassell: Erinnerungen aus meinem Leben 1848–1918. Chr. Belser'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1919 (Autobiographie des Vaters).
- Walter Goetz: Nachruf auf Ulrich von Hassell. In: Deutsches Dante-Jahrbuch. 26, 1946, ISSN 0070-444X, S. VII f.
- Manfred Asendorf: Ulrich von Hassells Europakonzeption und der Mitteleuropäische Wirtschaftstag. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte. 7, 1978, ISSN 0334-4606, S. 387–419.
- Fey von Hassell: Niemals sich beugen. Erinnerungen einer Sondergefangenen der SS. Piper, München u. a. 1990, ISBN 3-492-03352-0.
- Theodore S. Hamerow: Die Attentäter. Der 20. Juli – von der Kollaboration zum Widerstand. Aus dem Englischen von Matthias Grässlin. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44555-1.
- Gregor Schöllgen: Ulrich von Hassell. 1881–1944. Ein Konservativer in der Opposition. Aktualisierte Neuausgabe. Beck, München 2004, ISBN 3-406-49491-9 (Beck'sche Reihe 1560).
Weblinks
Commons: Ulrich von Hassell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Ulrich von Hassell im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Tabellarischer Lebenslauf von Ulrich von Hassell im LeMO (DHM und HdG)
- Ulrich-von-Hassell-Haus
- Bilder
Einzelnachweise
- ↑ Kösener Korps-Listen 1910, 197, 739
- ↑ Kurt Schwarzenau: Der Mitteleuropäische Wirtschaftstag. Geschichte und Konzeption einer Monopolorganisation von ihren Anfängen bis 1945. Universität Leipzig, 1974, Dissertation. Bd. 1, S. 250
- ↑ Friedrich von Gaertringen (Hrsg.): Die Hassell-Tagebücher 1938–1944. Siedler, Berlin 1989, S. 365.
- ↑ Munzinger-Archiv Online: Ulrich von Hassell, Stand: 15. Juli 2008
- ↑ Ulrich von Hassell, Biographien, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stand: 15. Juli 2008
Tabellarischer Lebenslauf von Ulrich von Hassell im LeMO (DHM und HdG)
Deutscher Landkreistag, Pressemitteilung, 20. Juli 2004, Stand: 15. Juli 2008, PDF-Datei
Kategorien:- Person (Attentat vom 20. Juli 1944)
- Deutscher Botschafter in Dänemark
- Deutscher Botschafter in Italien
- Adliger
- Opfer der NS-Justiz
- Mitglied der Deutschen Vaterlandspartei
- DNVP-Mitglied
- NSDAP-Mitglied
- NSKK-Mitglied
- Träger des Ordens der Aufgehenden Sonne
- Träger des Ordens der hl. Mauritius und Lazarus
- Rechtsritter (Johanniterorden)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Corpsstudent (20. Jahrhundert)
- Person (Pommern)
- Geboren 1881
- Gestorben 1944
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