Luxenberg

Luxenberg

Christoph Luxenberg ist das Pseudonym eines Semitisten, dessen Identität bis heute (Stand 2009) unbekannt ist. Er hält sie jedoch nicht deshalb geheim, weil er – wegen seiner „ketzerischen“ Koranforschungen – Opfer einer Todes-Fatwa werden könnte, denn als Nicht-Muslim kann sie auf ihn nicht angewendet werden; Luxenberg verwendet vielmehr ein Pseudonym, „weil jede wissenschaftliche Textkritik am Koran gleichzeitig eine Kritik an der in islamischen Ländern verwendeten politischen Sprache bedeutet“.[1]

Unter dem Pseudonym erschien im Jahr 2000 eine Abhandlung in deutscher Sprache mit dem Titel Die syro-aramäische Lesart des Koran - Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache, die unter anderem durch Rezensionen in der Neuen Zürcher Zeitung (2001)[2] und der Zeit (2003)[3] einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Die Arbeit ist laut Vorwort die Veröffentlichung eines „Bruchteil[s] umfangreicherer Untersuchungen zur Sprache des Koran“ und soll der Forschung „Anstöße zu einer ersten Diskussion über die Methoden und die daraus folgenden inhaltlichen Deutungen des Korantextes“ ermöglichen.

Inhaltsverzeichnis

Das Buch

In der Diskussion um Mündlichkeit und Schriftlichkeit der frühen Koranüberlieferung nimmt Luxenberg im Gegensatz zur traditionellen islamischen Ansicht eine fehlende Kontinuität des mündlichen Teils an. Da sowohl die diakritischen Punkte zur genauen Unterscheidung der Konsonanten als auch die Vokalzeichen (siehe Arabisches Alphabet) erst im Laufe der ersten drei Jahrhunderte des Islam eingeführt wurden, geht er von einer Fehllesung zahlreicher ursprünglich aramäischer Ausdrücke durch Exegeten aus, die diese nicht mehr als solche erkannten und denen das mündliche Korrektiv fehlte. Durch diese Fehllesungen, so Luxenberg, seien die vielen unklaren Stellen des Koran – deren Existenz auch andere Gelehrte nicht bestreiten – erst entstanden, für die Luxenberg nun alternative syro-aramäische Lesarten anbietet.

Die Orientalistik nimmt zwar seit langem sowohl aramäische (sprachliche) als auch christliche, anti-trinitarische (inhaltliche) Einflüsse auf den frühen Islam an, folgt aber im Kern der islamischen Darstellung der Koranentstehung. Luxenberg geht hingegen regelrecht von einer physisch vorhandenen aramäischen Vorlage des Koran aus. Er leitet das arabische Wort qur’ān (قرآن) über eine vermutete Schreibung qɘryān (قرين) von aramäisch qɘryānā („Lektionar“) ab und setzt die Bibel der syrisch-aramäischen Christen mit der Urschrift gleich, auf die der Koran Bezug nimmt – ähnlich wie die Lektionare der christlichen Kirchen sich auf die Bibel beziehen, ohne mit ihr identisch zu sein.

Der Koran ist im Islam das Zentrum des Glaubens, und es ist seit dem Ende der Mu'tazila sunnitisches Dogma, dass er in „klarer arabischer Sprache“ als unverfälschte Wiedergabe einer unerschaffenen, bei Gott befindlichen Urschrift offenbart worden sei. Da Luxenbergs Arbeit dieses Dogma hinterfragt, fallen die muslimischen Reaktionen auf seine Arbeit zum Teil wütend aus.

Anders sieht seit einem Symposium des Wissenschaftskollegs zu Berlin im Januar 2004 die Lage in der deutschsprachigen Orientalistik aus. Die verfestigten Gräben zwischen „Traditionalisten“ und „Skeptikern“ scheinen nun aufgeweicht, und das wichtige Desideratum einer „kritischen Koranausgabe“ soll wieder in Angriff genommen werden. Luxenbergs Lesungsvorschläge müssen im Einzelfall geprüft werden, erst dann kann sich erweisen, inwieweit sie zutreffen und ob sie für einen Paradigmenwechsel tatsächlich ausreichen.

Luxenberg hat seine Thesen in Beiträgen zu Sammelbänden über die Anfänge des Islam weiter ausgeführt, die er zusammen mit Karl-Heinz Ohlig veröffentlichte (siehe Literatur).

Einige Neuinterpretationen von Koranstellen

Luxenbergs Ansatz führte ihn zu einer Reihe von neuen Interpretationen von Koranversen und Suren:

  • Das Wort Koran führt er auf den syrischen Ausdruck qeryana zurück, das in der christlichen Liturgie ein Lektionar bezeichnet, also eine Anleitung für Liturgie und Predigt. Die These ist, dass ein Großteil des Koran auf die (zum Teil missverstandene) Übersetzung eines solchen syrischen Lektionars zurückgeht, der Hymnen und Auszüge aus der Bibel enthielt. Dieses Lektionar sei zum Zwecke der Mission ins Arabische übersetzt worden.[4]
  • Das Wort Huri, das traditionell als „Jungfrauen“ (die im Paradies den Gläubigen dienen (Koran 44:54, 52:20, 55:72, 56:22) verstanden wird, bedeutet ursprünglich „weiße Trauben“ und beruht auf einer christlichen Paradiesvorstellung.[5]
  • Der Vers 31 der Sure 24 (an-Nur) bildet die koranische Grundlage im Islam für das Kopftuchgebot für Frauen. Wörtlich heißt die Stelle: „Sie [die Frauen] sollen ihre chumur über ihre Taschen schlagen“, wobei die eigentliche Bedeutung des chumur unklar ist, aber traditionell, etwa im Korankommentar des Tabari, als Kopftuch verstanden wird. Paret übersetzt mit „sie sollen ihren Schal sich über den (vom Halsausschnitt nach vorne heruntergehenden) Schlitz (des Kleides) ziehen“. Luxenberg hingegen sieht in chumur ein aramäisches Wort in der Bedeutung Gürtel und interpretiert die Stelle als „sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden binden“.
  • Die Stelle in Sure 33 (al-Ahzar), die traditionell als „Siegel des Propheten“ gelesen wird, bedeutet „Zeuge“. Unter dieser Lesart ist Mohammed nicht der letzte Prophet, sondern beglaubigt die Propheten, die vor ihm kamen.
  • Die Sure 97 (Al-Qadr), die nach traditioneller Interpretation die Nacht der Herabsendung des Koran betrifft, beziehe sich in Wirklichkeit auf die Geburt Jesu an Weihnachten.
  • In der Sure 19 (Maryam, Mariensure) lautet Vers 24: „Da rief er ihr von unten her zu: Sei nicht traurig! Dein Herr hat unter dir ein Rinnsal (sarie) (voll Wasser) gemacht“ (Übersetzung von Paret). Der Sinn des Rinnsals (oder des Bächleins) macht hier einige Schwierigkeiten. Luxenberg erschließt hier die syrische Lesart: „Da rief er ihr sogleich nach ihrer Niederkunft zu: ‚Sei nicht traurig, dein Herr hat deine Niederkunft legitim gemacht‘“.

Einzelnachweise

  1. Streit um Koran-Interpretation; Deutsche Welle, 26. August 2003 [1]
  2. Wie aramäisch ist der Koran? in: Neue Zürcher Zeitung. Zürich 3. Februar 2001.
  3. Jörg Lau: Keine Huris im Paradies. in: Die Zeit, Nr. 21 15.05.2003.
  4. Giving the Koran a history
  5. Virgins? What virgins? “, The Guardian, 2002-01-12. 

Literatur

  • Christoph Luxenberg: Die syro-aramäische Lesart des Koran, ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache. Das Arabische Buch, Berlin 2000, Verlag Hans Schiler, Berlin 2004 (2.Aufl.), ISBN 3-86093-274-8, ISBN 3-89930-028-9.
  • Christoph Luxenberg: Weihnachten im Koran. in: imprimatur. Trier, 2003,1 ISSN 0946-3178, auch in:
  • Christoph Burgmer (Hrsg.): Streit um den Koran - Die Luxenberg-Debatte, Standpunkte und Hintergründe. Verlag Hans Schiler, Berlin 2004. ISBN 3-89930-067-X; 3. erweiterte Auflage. Berlin 2006, ISBN 3-89930-145-5.
  • Christoph Luxenberg: Der Koran zum 'islamischen Kopftuch'. in: imprimatur. Trier 2004,2. ISSN 0946-3178
  • Christoph Luxenberg: Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem. in: Karl-Heinz Ohlig, Gerd R. Puin (Hrsg.): Die dunklen Anfänge - Neue Forschungen zur Entstehung und frühen Geschichte des Islam. Verlag Hans Schiler, Berlin 2005, ISBN 3-89930-128-5.

Weblinks

Belege

Weitere Presseberichte

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