Wiedersehen mit einem Fremden

Wiedersehen mit einem Fremden
Filmdaten
Deutscher Titel Wiedersehen mit einem Fremden
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 2010
Länge 90 Minuten
Stab
Regie Niki Stein
Drehbuch Thomas Kirchner,
Niki Stein
Produktion Beatrice Kramm für Polyphon Film
Musik Jacki Engelken,
Ulrik Spiess
Kamera Arthur W. Ahrweiler
Schnitt Corina Dietz
Besetzung

Wiedersehen mit einem Fremden ist ein deutscher Fernsehfilm aus dem Jahr 2010. Das Nachkriegsdrama, das Mitte der 1950er Jahre im ländlichen Süddeutschland spielt, handelt von einem Kriegsheimkehrer, der die Identität eines anderen annimmt, und doch von der Vergangenheit eingeholt wird. Regie führte Niki Stein, der gemeinsam mit Thomas Kirchner auch das Drehbuch verfasste.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Liesbeth Steiner lebt mit ihrem kleinen Sohn in einem Dorf im Schwarzwald. Den Vater des Jungen hatte sie 1945 in Berlin kennengelernt und war wenige Tage später in einer Kriegsheirat seine Frau geworden, da sein Fronturlaub tags darauf endete. Die schwangere Liesbeth kam damals bei dessen Familie im Schwarzwald unter, wo Max Steiner den Bauernhof der Eltern übernommen hatte. Doch die junge Frau und der gemeinsame Sohn werden auf dem Hof der Familie bloß geduldet, besonders Steiners Schwester Margarete hält dessen Braut für eine Erbschleicherin. Max Steiner geriet nach Kriegsende in russische Gefangenschaft und galt als verschollen. Liesbeth, der von ihrer Ehe außer der Hochzeitsnacht nur ein Hochzeitsfoto geblieben ist, wartete bei jedem Transport neuer Kriegsheimkehrer vergebens am Bahnhof auf seine Rückkehr. Solange der erbberechtigte Bruder sich nicht um den Hof kümmern kann, wird der landwirtschaftliche Betrieb stellvertretend von Margarete geführt, doch je länger Steiners Abwesenheit andauert, desto mehr schwindet auch Liesbeths Status als dessen Ehefrau. Als Großvater Steiner, der seinem Enkel und der Schwiegertochter recht zugetan war, stirbt, fordert Margarete das Wohnhaus ganz für sich und ihren Mann Georg, und die Mutter. Liesbeth bleibt nichts anderes übrig, als zur Magd degradiert mit ihrem Sohn in die Kammer über dem Stall zu ziehen.

Als Max Steiner 1955 nach der von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau ausgehandelten „Heimkehr der Zehntausend“, der Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen, in seinem Heimatdorf ankommt, ist Liesbeth überglücklich. Doch sie trifft auf einen von Krieg und Gefangenschaft völlig veränderten Mann. Vorsichtig nähert sich das Ehepaar nach der langen Trennung wieder an. Der großspurige, als schnell aufbrausend bekannte, einstige überzeugte Nazi, zeigt sich nun geläutert und von einer ruhigen, fast sanftmütigen Seite, und irritiert damit manchen in seiner Umgebung und der Dorfgemeinschaft. Arglos begegnet ihm anfangs nur der kleine Josef, um den sich der Heimkehrer rührend kümmert. Auch alte Bekannte und Freunde scheint er nur schwer wiederzuerkennen, an Einzelheiten aus der Familiengeschichte kann er sich jedoch gut erinnern. Die Mutter, die all seine Briefe aus Kriegstagen sorgsam aufbewahrt hat, ist von der Rückkehr des geliebten Sohnes überzeugt. Die Schwester hingegen hegt Zweifel an dessen Identität, etwa als sie sich in einer Auseinandersetzung mit dem Bruder über die künftige Bewirtschaftung des Hofes im Ton vergreift, und perplex über dessen Reaktion, ihm offen ins Gesicht sagt, der Max von früher hätte sie jetzt vom Hof gejagt.

Liesbeth ahnt, dass ihr Mann vielleicht ein anderer ist, als er vorgibt zu sein, doch zu sehr hat sie all die Jahre dessen Rückkehr herbeigesehnt. Auch Regine, die früher als Magd auf dem Steinerschen Hof beschäftigt war, kommen Zweifel, als ihr der Mann, der ihr einst Gewalt angetan hat, plötzlich freundlich begegnet. Einmal nimmt sie all ihren Mut zusammen, um Gewissheit zu erlangen, und erkennt aufgrund fehlender körperlicher Merkmale, dass vor ihr ein Fremder steht. Schließlich gibt der Mann ihr gegenüber zu, dass er ein Kamerad von Max Steiner ist und dieser die Kriegsgefangenschaft nicht überlebt hat. Regine ist darüber so erleichtert, dass sie ihr Wissen nicht nur für sich behält, sondern öffentlich für ihn und Liesbeth, und gegen Margarete Partei ergreift. Gerade als selbst Skeptiker anfangen, mit Max ihren Frieden zu schließen, taucht eines Tages ein gewisser Heinrich im Dorf auf, um seinem alten Kriegskameraden Steiner einen Besuch abzustatten, und verbreitet allerlei Gerüchte über ihn. Margarete glaubt, in Heinrich einen Verbündeten gegen Max gefunden zu haben. Als Max die Schwester schließlich des Hofes verweist, greift diese zu einem letzten Trumpf: In Briefen an die Mutter hatte Steiner einst seine Beteiligung an Massenmorden in der Sowjetunion geschildert. Während Liesbeth weiter fest zu ihrem Mann steht, soll dem Spätheimkehrer nun der Prozess gemacht werden. Unversehens sieht sich der unbescholtene Lehrer Gottfried Reincke aus Siebenbürgen, der sich in den Jahren in russischer Lagerhaft in das Leben des Mitgefangenen Max hineingeträumt und – durch den Krieg und die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz jeder Zukunftsperspektive in seiner Heimat beraubt – nach Steiners Tod dessen Identität angenommen hat, mit einer Anklage als Kriegsverbrecher konfrontiert.

Hintergrund

Autor Thomas Kirchner greift hier Motive der Geschichte um den Kriegsheimkehrer Martin Guerre auf, die sich im 16. Jahrhundert in Frankreich zutrug, verlegt die Handlung aber in den Hochschwarzwald der Adenauer-Jahre. Der Stoff wurde bereits 1982 mit Gérard Depardieu und Nathalie Baye in Die Wiederkehr des Martin Guerre verfilmt. 1993 entstand mit Richard Gere und Jodie Foster in den Hauptrollen das Hollywood-Remake Sommersby, das die Handlung in die Zeit nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg verlagert.[1]

Die Erstausstrahlung des Films erfolgte am 5. Mai 2010 im Programm des Ersten. Wiedersehen mit einem Fremden erreichte mit 6,57 Millionen Zuschauern als Tagessieger einen Marktanteil von 21,3 Prozent.[2] Die beiden Hauptdarstellerinnen Silke Bodenbender und Nina Kunzendorf standen unter der Regie von Niki Stein im gleichen Jahr auch für den Film Bis nichts mehr bleibt vor der Kamera.

Kritik

„Ein Drama über die Wunden, die der Krieg auch in Gegenden schlug, in denen keine Kampfhandlungen stattfanden. Ein Film über kaum reparable seelische Veränderungen angesichts des Kriegsgeschehens.“

Lexikon des Internationalen Films[3]

„Klug haben Regisseur Niki Stein und Drehbuchautor Thomas Kirchner hier den historischen Fall des Kriegsheimkehrers Martin Guerre [...] ins Nachkriegsdeutschland verlagert. Vor dem Hintergrund kollektiver Verdrängung und schleppender Entnazifizierung erhält die Wandlung des heimgekehrten Nazis in einen demokratischen Feingeist eine geradezu ironische Note. [...] Vergangenheit wird in diesem zeitgeschichtlichen Bilderbogen auf den ersten Blick nicht aufgearbeitet. [...] Doch aus der prallen Fünfziger-Jahre-Gegenwart gelingt es Thomas Kirchner, immer wieder ohne billige Flashbacks die Spuren des totalitären Systems freizulegen. [...] Auch in Wiedersehen mit einem Fremden wird der Zeitenumbruch vor allem an wirtschaftlichen Aspekten deutlich gemacht: Zwischen archaischem Erbrecht und moderner Masttierhaltung, zwischen alten Sitten und neuem landwirtschaftlichem Gerät wird sich ökonomisch neu aufgestellt. So ist das ARD-Drama vor allem ein Duell zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen Silke Bodenbender und Nina Kunzendorf geworden, die [...] als Magd und Bäuerin um Macht und Hof, um Status und Ernte [ringen].“

Spiegel Online[4]

„Regisseur Niki Stein, der mit Thomas Kirchner auch das Buch schrieb, findet Auswege aus der bekannten Draußen vor der Tür-Verzweiflung, dem Scheitern des Heimkehrers an der mitleidlosen Saturiertheit der Daheimgebliebenen. Peter Davor [...] spielt den falschen Mann und Bruder mit einer hintersinnigen Distanz, die den Betrug durch den Krieg mit privatem Betrug zu heilen versucht. Im Schauspielerinnenduell wird Davor so zum lachenden Dritten.“

Der Spiegel[5]

„Die Geschichte trägt naturgemäß auch Züge des Heimatfilms, selbst wenn Stein auf genreübliche Zutaten wie Kitsch, Rührseligkeit oder saftige Naturbilder verzichtet. Dialekt spricht in der Dorfgemeinschaft jedoch allein eine einzige Nebenfigur, was mitten im Schwarzwald selbst heute noch völlig unglaubwürdig ist. Ohnehin erreicht der Film längst nicht die Intensität der letzten Inszenierungen Steins ("Der große Tom", "Die Todesautomatik"). Die Führung der Darsteller aber ist wie stets bei diesem Regisseur bemerkenswert.“

Kino.de[6]

Wiedersehen mit einem Fremden ist ein Heimatfilm über Heimatlose. Vor den Kulissen einer heilen Schwarzwald-Welt strampeln die Einen, um endlich festen Boden unter ihre Füße zu bekommen, während die Anderen krampfhaft bemüht sind, den Krieg zu vergessen. Doch statt den Existenzkampf am Ende auf die Spitze zu treiben, setzt der Film inkonsequent auf Liebe und Verzicht. Zwar hält [Niki Stein] die Melodramatik auf kleiner Flamme, doch der finalen ethischen Säuberung fällt leider die Ambivalenz der Helden zum Opfer.“

Die Welt[7]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Verena Friederike Hasel: Heimkehr mit Hindernissen, Der Tagesspiegel vom 5. Mai 2010
  2. «Dresden» und Sat.1 ohne Chance, Quotenmeter.de vom 6. Mai 2010
  3. Wiedersehen mit einem Fremden im Lexikon des Internationalen Films
  4. Christian Buß: Heimkehrerdrama in der ARD: Gogol statt Goebbels, Spiegel Online vom 5. Mai 2010
  5. Duell der Frauen, Der Spiegel 18/2010
  6. Wiedersehn mit einem Fremden auf Kino.de
  7. André Mielke: Ein Heimatfilm über Heimatlose, Die Welt vom 5. Mai 2010

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