- Deppengenitiv
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Apostrophitis ist eine polemische Bezeichnung von Sprachkritikern und Sprachpflegern für die normwidrige Verwendung des Apostrophs.
Den auf solche Weise falsch gesetzten Apostroph bezeichnen manche Sprachkritiker auch als Deppenapostroph oder Idiotenapostroph, seltener auch als Kapostroph oder Katostroph.
Die griechische Endung -itis (-ίτις) bezeichnet im medizinischen Sprachgebrauch eine Entzündung. In der Umgangssprache wird als „krankhaft” angesehenes und in epidemischer Häufigkeit vorkommendes Verhalten oft mit Begriffen mit der Endung -itis bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Ausprägungen
Falsche Apostrophe sind in folgenden Fällen anzutreffen:
- Beim Genitiv: Die häufigste Form der Apostrophitis ist das abgetrennte Genitiv-s, der sogenannte (angel)sächsische Genitiv, wie bei Opa’s Pfeife, Schuster’s Rappen oder Deutschland’s Hauptstadt. Nach den alten deutschen Rechtschreibregeln war diese Schreibweise generell falsch. Nach der neuen deutschen Rechtschreibung gilt sie für solche Fälle als richtig, in denen der Apostroph die Grundform eine Personennamens verdeutlicht, z. B. bei Andrea’s Friseursalon, Willi’s Würstchenbude oder Mozart’s Sonaten. Selten ist die auch nach neuer Rechtschreibung normwidrige Abtrennung bei Genitiven mit der Endung -es, zum Beispiel Spezialität des Hause’s.
- Als Abtrennung des Fugen-s bei Komposita wie Einkauf’seck oder Bahnhof’s-Restaurant.
- Beim Plural: Häufig werden Apostrophe auch bei der Mehrzahlbildung von Lehnwörtern und Abkürzungen gesetzt. Beispiele: Auto’s, Snack’s, CD’s, AGB´s. In Großbritannien bezeichnet man den normwidrigen Gebrauch des Apostrophs beim Plural-s als greengrocers’ apostrophe (übersetzt „Gemüsehändler-Apostroph“, abgeleitet von der dort häufig beobachteten Fehlschreibung auf den handgeschriebenen Schildern an der Ware). In der niederländischen Schreibnorm hingegen wird das Plural-s regelgerecht mit Apostroph vom Substantiv dann getrennt, wenn dieses auf einen langen Vokal endet: twee piano’s, drie taxi’s, baby's.
- Bei der Zusammensetzung Präposition + bestimmter Artikel. Beispiele: in’s, an’s, um’s, zu’r. Einige dieser Verwendungen des Apostrophs waren bis zur Rechtschreibreform 1996 zulässig. Nach den seither gültigen Regeln darf ein Apostroph nur gesetzt werden, wenn die Zusammensetzung ohne Apostroph „undurchsichtig“ wäre (z. B. mit’m Fahrrad).[1]
- Beim Imperativ: Ebenfalls normwidrig ist der Apostroph gemäß der neuen Rechtschreibung bei der Befehlsform der 2. Person (z. B. Geh’ mit mir.), da der Schwund der früheren Imperativendung -e als regelmäßig akzeptiert ist.
- Bei Adjektiven, die von Personennamen abgeleitet sind: Diese sind nur dann richtig, wenn der Name besonders hervorgehoben werden soll und groß geschrieben wird. Nach alter deutscher Rechtschreibung wurde der Name der Person stets ohne Apostroph geschrieben. Ursprünglich stand an dieser Stelle -i-, das später durch einen Apostroph ersetzt wurde. Nach neuer deutscher Rechtschreibung hat man also die Wahl zwischen den Schreibweisen zipfsches Gesetz und Zipf’sches Gesetz. Falsch sind dagegen zipf’sches Gesetz und Zipfsches Gesetz (außer natürlich am Satzanfang).
- Vereinzelt treten auch willkürliche Apostrophe in anderen Fällen auf wie bei nicht’s, abend’s, recht’s, mittwoch’s oder samstag’s. Meist werden dabei Wortendungen aus Konsonant und s getrennt. Ein weiteres Beispiel ist staunst’e statt staunste oder Prenz’lberg statt Prenzl’berg (oder einfach Prenzlberg), oder Nudel’n statt Nudeln. Ein Geschäft in Bochum-Mitte heißt Gute’s von Anna, in Wien gibt es Schmied ’ chens Oase (mit Leerzeichen).
Eine Nebenentwicklung der Apostrophsetzung ist, dass heute häufig eines der diakritischen Zeichen ´ (Akut) und ` (Gravis) anstelle des eigentlichen Apostrophs (’) gesetzt wird. Dies ist ein Eingabefehler – statt des richtigen Zeichens wird ` oder ´ + Leertaste auf der deutschen Tastatur getippt. Die Eingabe von Umschalttaste („Shift“) + # wird in manchen Programmen sofort vom Fußzeichen (') zum echten Apostroph (’) umgesetzt. Falls nicht, bleibt das ebenfalls falsche Fußzeichen stehen, ähnlich den Zollzeichen (") statt der verschiedenen echten Anführungszeichen.
Geschichte
Die Verwendung von Apostrophen ist insbesondere vor dem Genitiv-s keine neue Erscheinung. Bis zum 19. Jahrhundert war diese Schreibweise üblich.
Der Duden missbilligte diese Verwendung des Apostrophs zunächst nur: Bei Genitiven sei es „nicht erforderlich“, einen Apostroph zu setzen. Erst in der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1901 wurde diese Verwendungsweise für normwidrig erklärt. In allen Epochen des 20. Jahrhunderts sind Fälle des nunmehr fehlerhaften Apostrophgebrauchs belegt. Wer vor 1901 schreiben gelernt hatte, verwendete häufig weiterhin den Apostroph. So setzte auch Thomas Mann regelmäßig den Genitiv-Apostroph: Baron Harry’s, Johnny’s, Amra’s.
Die erste nach der Eroberung durch die Alliierten erschienene Ausgabe einer deutschen Zeitung, die Aachener Nachrichten vom 24. Januar 1945, hatte als Titelschlagzeile „Alliierte Flugzeuge zerschlagen Rundstedt’s Rückzugskolonnen“.
Traditionsreiche Handelsmarken mit Genitiv-Apostroph sind unter anderem Beck’s Bier, Kaiser’s Kaffee Geschäft oder Hoffmann’s Stärkefabriken.
Der englische Genitiv als Ausnahme im Deutschen
Englische Handelsmarken und Franchise-Geschäfte enthalten als Markennamen gelegentlich einen Namen mit Apostroph und angehängtem Genitiv-s, wie beispielsweise McDonald’s. Dies ist im Englischen korrekt und stellt eine elliptische Veränderung von McDonald’s restaurant oder McDonald’s corporation dar, was im Englischen im Gegensatz zum Deutschen korrekt ist. So heißt es auch korrekt im Englischen I’m going to the grocer’s (ergänze: shop; dt. Ich gehe zum Lebensmittelgeschäft).
Es liegt die Vermutung nahe, dass sich einige deutsche Restaurants bei ihrer eigenen Namensgebung entweder bewusst an dieser Schreibweise orientieren oder aber dies im irrigen Glauben tun, dass es sich dabei auch im Deutschen um die richtige Schreibweise handele. Dabei handelt es sich oft um eine Form der Überanpassung, wie sie sich gegenwärtig auch in Leerzeichen in Komposita zeigt.
Weitere Ausnahmemöglichkeiten
Seit 1996 gilt im Zuge der Rechtschreibreform der (gelegentliche) Gebrauch des Apostrophs nicht mehr als falsch, wenn er die Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder dem Adjektiv-Suffix -sch verdeutlicht (§ 97 der amtlichen Regelung). Der Sinn dieser neuen Schreibtoleranz wird derzeit diskutiert und regt die Presse zu Abhandlungen in Kommentaren und Glossen an. [2] Dabei zeigt sich in diesbezüglichen Beiträgen nicht selten eine Uninformiertheit der Kommentatoren. Beispielsweise wird dem Apostroph ein sächliches Genus zugeordnet. Oder es wird die Tatsache, dass „Willi's Würstchenbude“ und „Goethe's Werke“ (siehe nebenstehendes Bild) nicht mehr als falsch gelten, als Falschinterpretation oder als Neuigkeit der letzten Dudenauflage ausgewiesen.
Kritik
Als Kritik am zusätzlichen Apostroph wird vorgetragen, dass er (wie auch die Leerzeichen in Komposita) die Lesegeschwindigkeit verringere, da er zum Innehalten führe. Er erschwere also das Überfliegen von Texten, da die Aufmerksamkeit von den sinntragenden Wörtern weg zu sinnarmen Syntaxzeichen hin gelenkt werde.
Zudem verändere der Apostroph das Schriftbild: Ein Apostroph hat eine Überlänge, ragt also aus den Buchstabenzeilen nach oben heraus und füge zusätzliche Leerstellen zwischen Buchstaben ein. Beides führe zu einem unruhigeren, zerrissenen Schriftbild.
Siehe auch
Quellen
- ↑ § 97 der Amtlichen Regelung [1]
- ↑ Der Deutschlandfunk zum „Sieg des Deppenapostrophs“: Schluss mit lustig
Weblinks
- Apostrophen und andere Katastrophen
- Zusammenfassung der Apostrophregeln
- Das „Kapostropheum“
- Apo’strophen-Alarm
- Apostrophenkatastrophen
- Zur Apostrophitis im Englischen: The Apostrophe Protection Society
- Zur Geschichte des Genitiv-Apostrophs in der Rubrik „Stimmt’s“ der Wochenzeitschrift „Die Zeit“
- Der Apostroph in der deutschen Gegenwartssprache (PDF)
- Der Gebrauch des Apostrophs im Überblick (Spiegel Online) – Artikel „Zwiebelfisch (Kolumne)“
- Immer Ärger mit dem Apostrophen
- Artikel in der Süddeutschen Zeitung mit dem Apostrophen-Sammler Gerd M. Hofmann
- Bremer Sprachblog: Apostrophenschutz, eine sprachwissenschaftliche Abhandlung des Themas
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