Der falsche Balduin

Der falsche Balduin
Balduin I. (Lateinisches Kaiserreich)

Balduin I. (* 1172; † 1205) war der erste Kaiser des sog. Lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel; als Graf von Flandern war er Balduin IX., als Graf von Hennegau Balduin VI.. Er war einer der Anführer des Vierten Kreuzzugs, dessen Ergebnis die Einnahme Konstantinopels und des größten Teils des Byzantinischen Reichs sowie die Gründung des kurzlebigen Lateinischen Kaiserreichs war, das auch Romania genannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Erste Jahre

Balduin war der Sohn von Balduin V. von Hennegau und der Gräfin Margarete I. von Flandern, Schwester des Philipp von Elsass. Als Philipp 1191 kinderlos starb, folgte ihm Balduin V., der als Balduin VIII. Flandern im Namen seiner Frau regierte.

1186 heiratete sein Sohn Marie von Champagne, Tochter des Grafen Heinrich I..

Margarete starb 1194 und vererbte Balduin die Grafschaft Flandern; sein Vater starb im Jahr darauf, so dass Balduin ihm auch im Hennegau nachfolgte.

Graf von Flandern und Hennegau

Balduin nahm Besitz von einem stark verkleinerten Flandern, da sein Onkel einen großen Teil, darunter auch das Artois, an Balduins Schwester Elisabeth (auch Isabella genannt) bei ihrer Heirat mit König Philipp II. von Frankreich als Mitgift vergeben hatte, weitere bedeutende Stücke an seine eigene Frau. Als Elisabeth 1190 starb, behielt Philipp die Mitgift. In den acht Jahren seiner Herrschaft in Flandern war Balduin bestrebt, das Artois zurückzugewinnen, was er im Januar 1200 im Frieden von Péronne erreichte, als Philipp den größten Teil des Artois herausgab.

In seinem Kampf gegen Philipp hatte sich Balduin einigen von dessen Gegnern verbündet, darunter Richard Löwenherz, König von England, dessen Bruder Johann ohne Land, sowie dem deutschen König Otto IV..

Einen Monat nach dem Friedensschluss mit Philipp, am 23. Februar 1200, nahm Balduin das Kreuz. Er verbrachte die nächsten beiden Jahre mit den Vorbereitungen und brach am 14. April 1202 zum Vierten Kreuzzug auf.

Um den Hennegau in geordnetem Zustand zu hinterlassen, gab er zwei bemerkenswerte Chartas heraus. Die eine enthielt ein detailliertes Strafgesetzbuch und scheint auf einer heute verlorenen Charta seines Vaters zu basieren. Die andere legte eine genaue Nachfolgeregelung fest. Beide Chartas sind wesentlicher Teil der gesetzgebenden Tradition in diesem Teil Europas geworden.

Balduin ließ eine zweijährige Tochter und seine schwangere Ehefrau Marie zurück, die von 1202 bis 1204 Regentin in Flandern und Hennegau war und ihm Anfang 1204 nach der Geburt der zweiten Tochter folgte. Beide erwarteten sie eine Rückkehr in wenigen Jahren, tatsächlich aber sahen sie ihre Heimat und ihre Töchter nicht wieder.

Nachfolger Maries als Regenten wurden ab 1204 Balduins jüngerer Bruder Philipp von Namur in Flandern, sowie Balduins Onkel Wilhelm von Thy (ein unehelicher Sohn des Grafen Balduin IV. von Hennegau) im Hennegau.

In der Zwischenzeit waren die Kreuzfahrer bis Konstantinopel gelangt, hatten die Stadt eingenommen und geplündert sowie die Entscheidung getroffen, ein Lateinisches Kaiserreichzu errichten.

Lateinischer Kaiser

Wappen des Lateinischen Kaisers von Konstantinopel

Die Kaiserkrone wurde Enrico Dandolo angeboten, dem Dogen von Venedig, der sie ablehnte. Zur Wahl standen nun Balduin und Bonifatius von Montferrat. Am 9. Mai 1204 wurde Balduin gewählt, am 26. Mai gekrönt. Er war jung, galant, fromm und tugendhaft, einer der wenigen, die ihre Gelübde streng beachteten und der populärste unter den Anführern des Kreuzzugs.

Balduins Ehefrau Marie war, in Unkenntnis der Ereignisse, nach Akkon gesegelt. Dort erfuhr sie seine Wahl zum Kaiser, starb aber im August 1204 an der Pest.

Das Lateinische Kaiserreich wurde nach feudalen Prinzipien organisiert: der Kaiser stand über den Fürsten, die Teile des eroberten Landes als Lehen erhielten. Sein eigenes Territorium sollte aus der Stadt Konstantinopel, den benachbarten Gebieten in Europa und Asien, sowie einigen entlegenen Distrikten und Inseln wie Lemnos, Lesbos, Chios und Tenos bestehen, die noch erobert werden sollten. Auch war der Widerstand der Griechen in Thrakien zu brechen und Thessaloniki zu sichern. Bei dieser Unternehmung im Sommer 1204 stieß Balduin mit Bonifatius zusammen, dem unterlegenen Kandidaten bei der Kaiserwahl, dem als König von Salonika ein großes Territorium in Makedonien versprochen worden war. Er hoffte jedoch, sich vom Kaiser unabhängig zu machen und keine Huldigungen für sein Reich abzugeben. Er opponierte deshalb gegen Balduins Plan, gegen Thessaloniki zu marschieren. Der Gegensatz zwischen Flamen und Lombarden vergrößerte den Streit. Balduin bestand darauf, nach Thessaloniki zu gehen, Bonifatius hingegen belagerte Adrianopel, wo Balduin einen Statthalter eingesetzt hatte – Bürgerkrieg schien unvermeidlich. Enrico Dandolo und Ludwig I., der Graf von Blois, brachten schließlich eine Übereinkunft zustande, nach der Bonifatius Thessaloniki als Lehen vom Kaiser nahm und gleichzeitig Befehlshaber der Truppen wurde, welche die noch nicht unterworfenen Teile Griechenlands erobern sollten.

Im folgenden Winter (1204/1205) führten die Europäer Krieg in Bithynien, an dem auch Heinrich, Balduins Bruder, teilnahm. Im Februar 1205 rebellierten die Griechen in Thrakien, wobei sie Unterstützung vom Zaren der Bulgaren Kalojan erhofften, dessen Bündnisangebote Balduin zurückgewiesen hatte. Sie verjagten die Garnison von Adrianopel, worauf Balduin, Dandolo, der Graf von Blois und Gottfried von Villehardouin (der spätere Chronist) die Stadt belagerten. Der Bulgarenkönig sandte zum Entsatz eine Armee, die der der Kreuzfahrer zahlenmäßig weit überlegen war. Die fränkischen Ritter wurden aber am 14. April 1205 geschlagen; der Graf von Blois fiel, Kaiser Balduin wurde gefangen genommen (siehe Schlacht von Adrianopel (1205)) und in die bulgarische Hauptstadt Tarnowo gebracht, wo er in dem heute nach ihn benannten Balduin-Turm der Festung Zarewez festgehalten wurde.

Eine Zeit lang war sein Schicksal unklar, und sein Bruder Heinrich übernahm die Regentschaft. Mitte Juli schrieb Zar Kalojan an Papst Innozenz III., dass Balduin in der Gefangenschaft gestorben sei.

Kinder und Nachfolger

Sein Bruder Heinrich im August zum Kaiser gekrönt.

In Flandern war weiterhin umstritten, ob Balduin wirklich gestorben war. Sein Bruder Philipp von Namur blieb Regent. Schließlich wurden beide Töchter, Johanna und Margarete II. Gräfinnen von Flandern.

Der falsche Balduin

Zwanzig Jahre später, 1225, trat in Flandern ein Mann auf, der vorgab, Balduin zu sein. Sein Anspruch wurde in Flandern von verschiedenen Rebellen gegen die Gräfin Johanna aufgegriffen. Eine Anzahl von Leuten, die Balduin gekannt hatten, trafen den angeblichen Grafen und Kaiser und wiesen seinen Anspruch zurück. Er wurde 1226 hingerichtet.

Literatur

  • John C. Moore: 'Baldwin IX of Flanders, Philip Augustus and the Papal Power', Speculum, Band 37, Ausgabe 1 (Januar 1962), 79–89
  • Robert Lee Wolff: 'Baldwin of Flanders and Hainault, First Latin Emperor of Constantinople: His Life, Death, and Resurrection, 1172–1255', Speculum, Band 27, Ausgabe 3 (Juli 1952), 281–322

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Margarete I. Graf von Flandern
1194–1205
Johanna
Balduin V. Graf von Hennegau
1195–1205
--- Lateinischer Kaiser
1204–1205
Heinrich

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