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Weliko Tarnowo (Велико Търново) Basisdaten Staat: Bulgarien Oblast: Weliko Tarnowo Einwohner: 71.275 (14. Jun. 2007) Koordinaten: 43° 5′ N, 25° 39′ O43.08583333333325.655555555556325Koordinaten: 43° 5′ 9″ N, 25° 39′ 20″ O Höhe: 325 m Postleitzahl: 5000 Telefonvorwahl: (+359) 062 Kfz-Kennzeichen: BT Verwaltung Bürgermeister: Rumen Raschew Webpräsenz: www.veliko-tarnovo.net/ Weliko Tarnowo [vɛˈliko ˈtɤrnovo] (bulgarisch Велико Търново) auch nur Tarnowo ist eine Stadt und Gemeinde in Bulgarien. Sie ist gleichzeitig Verwaltungssitz der gleichnamige Oblast (Provinz). Die Stadt liegt im nördlichen Teil des Balkangebirges am Fluss Jantra. Weliko Tarnowo war Hauptstadt des Zweiten Bulgarisches Reiches.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Weliko Tarnowo zählt zu den ältesten Städten Bulgariens. Ihr Name wechselte in den unterschiedlichen Epochen von Tarnowo, Tarnowgrad über Trnowo zu Weliko Tarnowo, was auf Bulgarisch Großes oder Ruhmreiches Tarnowo bedeutet. Tarnowo war laut Zeitgenossen ein neues Jerusalem, Rom und Konstantinopel zugleich.[1]
Urgeschichte und Antike
Die ersten Siedlungsspuren sind aus prähistorischer Zeit und auf dem Hügel Trapesiza zu finden. Auch aus thrakischer Zeit gibt es in der ganzen Umgebung reichlich archäologische Funde. Während der Römerzeit wurde der Ort (1. bis 6. Jahrhundert n. Chr.) befestigt. Den Römern folgten die Byzantiner, dann die Slawen und Bulgaren.
Mittelalter
In die Geschichte trat Tarnowo (auch Tarnowgrad genannt) 1185 ein, als die beiden Boljarensöhne und späteren Zaren Asen und Peter in der „Sweti Georgi“ Kirche das bulgarische Volk zum Kampf gegen Byzanz aufriefen. Der Aufstand dauerte zwei Jahre und endete mit der Unabhängigkeit Nordostbulgariens und dessen Anerkennung durch Byzanz. Weliko Tarnowo wurde nach Pliska, Preslaw und Ohrid von 1187 bis 1393 zur vierten Hauptstadt des Bulgarischen Reiches und erlebte im 13. und 14. Jahrhundert eine Blütezeit.
Schon vor der Gründung des Zweiten Bulgarenreichs existierte auf dem Hügel Zarewez eine Burg der Feudalherrscher Petar und Iwan Asen. Aus dieser Anlage entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten das Zarenschloss. Im 13. und 14. Jahrhundert weitete sich die Innenstadt auf drei befestigten Hügeln - Zarewez (der Berg der Zaren), Trapesiza und Sweta Gora (Heiliges Wald) und Außenbezirke auf dem befestigten Momina Krepost (Frauenfestung). Auch zwischen den Hügelplateaus im Jantratal gelegen, entstanden Vierteln; wie das Asenenviertel, das Judenviertel oder das Frankenviertel. Die Stadt entwickelte sich zum politischen, religiösen und kulturellen Mittelpunkt des bulgarischen Feudalstaates.
Der wichtigste Ort in Tarnowgrad war der Hügel Zarewez. In der Festungsanlage konzentrierte sich die Staatsverwaltung. Die Festungsanlage besaß ein kompliziertes Fortifikationssystem und in ihrem Inneren befanden sich noch ein Handwerker- und Wohnviertel, Kirchen und Klöster. Auf dem höchsten Teil des Plateus erhoben sich die repräsentativen Paläste des Zaren und Patriarchen. Auf dem benachbarten Hügel Trapesiza waren die prachtvollen Besitztümer der Boljaren (Aristokraten). Auf dem Hügelplateu Sweta Gora wurden weitere Kloster und Kirchen errichtet, die zum geistigen und kulturellen Zentrum des bulgarischen Staates aufstiegen. Im größten von ihnen, dem Gottesmutter-Kloster (Sweta Bogorodiza Odigitria), entwickelten die Gelehrtenschule und die Malschule von Tarnovo eine rege Tätigkeit. Heute steht auf dem ehemaligen Platz des Klosters die Universität „Kyrill und Method“.
Nach und nach gelang es den bulgarischen Zaren, die feudale Zersplitterung des Landes zu überwinden. Iwan Asen II. fügte erneut Makedonien, Thrakien wie auch andere Gebiete dem Bulgarischen Reichs zu, so dass um die Mitte des 13. Jahrhunderts das bulgarische Zarenreich erneut der größte Staat auf dem Balkan war. Die politische und militärische Stärke Bulgariens wurde durch den Bau von zahlreichen Kirchen, Klöstern und Paläste kulturell verfestigt. Tarnowo galt im Mittelalter als einer der wichtigsten Pilgerorte auf der Balkanhalbinsel. Zahlreiche Reliquien von Heiligen, darunter die des Heiligen Sava von Serbien, hl. Dimitrios von Thessaloniki oder die des Heiligen Iwan Rilski wurde hier beigesetzt. Auf die glorreiche Zeit von Iwan Asen II. folgte eine Zeit innerer Spannungen.
Als 1277 ein großen Bauernaufstand ausbrach, öffneten die Einwohner Weliko Tarnowos im Frühjahr 1278 dem Bauernführer Ivajlo die Tore der Hauptstadt und krönten ihn zum Zaren. Während der „Tatarenstürme“ in der nachfolgenden Zeit rettete sich die Bevölkerung der Umgebung mehrmals hinter den dicken Festungsmauern Tarnowos. Unter dem Zaren Iwan Alexander erreichte das bulgarische Reich und die Kunstschule von Tarnowo letzte glorreiche Tage. Hier wirkten die großen Bulgaren des Mittelalters, der Patriarch Eftimij, Theodosios von Tarnowo, die Mönche Kiprian, Grigorij Camblak und Konstantin Kostenezki, die die literarische Errungenschaften der bulgarischen Literatur auch nach Serbien und Russland weiterbrachten, dien dort das Fundament der literarischen Entwicklung darstellten, so dass man von einem »Zweiten Südslawischen Einfluss« auf die Ukraine und Russland spricht.
Unter Fremdherrschaft
Fortdauernde innere politische Kontroversen und Auseinandersetzungen mit Serbien führten schließlich zu einer solchen Schwächung des Reiches, dass die Truppen des Osmanischen Reiches im Juli 1393 trotz heldenhaften Widerstandes nach dreimonatiger Belagerung Weliko Tarnowo einnehmen und zerstören konnten. Die Bevölkerung wurde großteils Zwangsausgesiedelt. Man baute die Stadt aber wieder auf, so dass sie in den nachfolgenden fünf Jahrhunderten osmanischer Besetzung eine relativ wichtige Rolle spielte. Aus den wenigen prachtvollen Kirchen die erhalten wurden, wurden jedoch von den neuen Herrschern in Moscheen und Pferdestähle umfunktioniert.
Die Stadt blieb jedoch immer ein Unruheherd, ständig gingen von hier Aufstandsversuche aus, der erste 1598 (Erste Aufstand von Tarnowo). Der Zweite Tarnowo Aufstand fand unter der Leitung des Prinzen von Tarnowo, Rostislaw Stratimirowitsch statt, war jedoch wie die folgenden (Aufstand von Tarnowo von 1700, der Weltschower-Aufstand von 1835, die Erhebung des Hauptmanns Djado Nikola (1856), Aufstand Hadschi Stawrew im 1862) erfolglos.
Während der Bulgarischen Wiedergeburt und im Züge des Kampfes um eine autokephale bulgarische Kirche brach 1838 in Tarnowo ein Aufstand gegen den griechischen Bischof Philaret aus. In der 1860-er entstanden hier die ersten Fabriken unter anderem für Seide, Spiritus, Papier oder Seife im heutigen Bulgarien. Die Architektur der Altstadt ist noch heute durch Gebäuden aus dieser Zeit geprägt. Auch der bekannteste bulgarische Architekt dieser Zeit, Koljo Fitscheto, arbeitete hier.
Während des Aprilaufstands von 1876 wurde Weliko Tarnowo Zentrum des „Ersten Revolutionären Region von Tarnowo“. Diese Revolutionäre Region umfasste die Gebieten um Weliko Tarnowo, Gorna Orjachowiza, Sewliewo, Gabrowo und Trojan. Hauptverantwortlicher war der Apostel und spätere Ministerpräsident Stefan Stambolow gemeinsam mit Christo Karaminkow-Bunito und Georgi Izmirliew-der Makedone, als Stellvertreter. Nach der blutigen Niederschlagung wurden in der Stadtmitte Batscho Kiro, Zanko Djustabanow und viele andere Freiheitskämpfer durch den Strang hingerichtet.
Nach der „Türkenherrschaft“
Nach der Befreiung Bulgariens von der türkischen Herrschaft durch die russische Armee wurde in Weliko Tarnowo am 10. April 1879 die erste konstituierende Versammlung zur Gründung des bulgarischen Staates abgehalten und die erste Verfassung des Königreichs. Sie galt als liberal und fortschrittlich und trug den Namen der Stadt – Verfassung von Tarnowo.
Die Stadt heute
Weliko Tarnowo zählt heute mit seine 71.275 Einwohnern (Stand 14. Juni 2007) zu den größten Städten Bulgariens. Sie ist ein wichtiger Verkehrsknoten in der strategische Nord-Süd-Route und mit eigenen Flughafen. Weliko Tarnowo ist Industriestadt (Nahrungs- und Genussmittel, Maschinenbau, Textilindustrie) einerseits und geistig-kulturelles Zentrum mit Hochschulen, Theater, Bildergalerie und Museen andererseits.
Wegen der besonders reizvollen Lage, am felsigen Steilufer und im Hinterland des Jantraflusses, der historischen Traditionen und der Architekturdenkmäler, ist Weliko Tarnowo auch ein bevorzugtes Touristenziel. Während der heutigen Bebauung der Altstadt, mit ihren Einfamilienhäuser und Reihenhäuser, vornehmlich aus der Zeit der Bulgarischen Wiedergeburt stammt, trifft vor allem in den Außenbezirken modernen Gebäuden.
Sehenswürdigkeiten
- „Petrus und Paulus“ Kirche (bulg. Свети Петар и Павел)
- „Heiligen Konstantin und Elena“ Kirche (bulg. Свети Константин и Елена)
- „Sweti Georgi“ Kirche (bulg. Свети Георги)
- Festungsanlage Zarewez
- „Sweti Dimitar“ Kirche (bulg. Свети Димитър)
- Die Kirche wurde 1185 erbaut und nach dem Heiligen Dimitrios von Thessaloniki benannt. Zeitweilig während der Herrschaft von Iwan Asen II. wurden die Reliquien von Theassloniki hier aufbewahrt. Die Kirche stellt ein einschiffiger Kuppelbau mit einem W-Turm über dem gewölbten Narthex dar. Die Außenfassaden sowie der Tambour sind durch Blendbögen gegliedert. Das Mauerwerk ist in Mischtechnik malerische mit Keramikinkrustationen verziert. Zusätzlich wurde die Kirch im 12. und 16. Jahrhundert mit Fresken ausgemalt. 1913 durch ein Erdbeben wurde die Kirche bis auf den Ostteil zerstört, jedoch 1981 wiederaufgebaut.
- Klosterkomplex der „Heiligen Vierzig Märtyrer“ (bulg. Свети 40 Мъченици)
Die Klosteranlage wurde im 13. Jahrhundert südlich vom Zarewez am rechten Ufer des Flusses Jantra erbaut. Bereits im 14. Jahrhundert, nach dem Fall Bulgariens unter osmanisch-türkischer Herrschaft, wurde sie zerstört und wenig später in eine Moschee mit Derwischkloster umgewandelt. Der noch nicht völlig ausgegrabene und erforschte Komplex der Großen Lawra von Tarnowo enthielt neben mehreren Klosterbauten das Katholikon (die Hauptkirche), eine dreischiffige Säulenbasilika (die heute „Heiligen Vierzig Märtyrer“ heißt). Die Basilika wurde 1230 erbaut und etwas später im Anschluss an den Narthex durch einen weiterern Bau, der als zusätzlicher Narthex oder Mausoleum diente, ergänzt. Das Kircheninnere wird durch die Memorialsäulen Khan Omurtags und des Zaren Iwan Asen II. beherrscht. Von der ursprünglichen Ausmalung aus der Gründngszeit sind wenige Reste im Narthex erhalten. In den letzten Jahren wurden einige Fragmente der Bemalung des W-Baus (Mitte 13. Jahrhunderts) freigelegt, die dem malerischen Stil der Tarnowo Kunstschule angehört.
In der Basilika „Heiligen Vierzig Märtyrer“ wurden im Mittelalter die Zarin Anna Maria von Ungarn und Irene Angelos Komnene, beide Ehefauen von Iwan Asen II., der Heilige Sava von Serbien, sowie viele weitere Angehörige der Zarenfamilien beigesetz. 2007 wurden auch die bei Ausgrabungen gefundenen Gebeine der Zaren Kaljoan und Michail III. Schischman hinzugefügt.
- Auch in der Umgebung der Stadt existieren immer noch, oder wurden wieder aufgebaut, zahlreiche mittelalterliche Klosteranlagen, wie das Preobraschenie (Verklärung des Herrn), Kilifarewo, Sweta Troica (Heilige Dreifaltigkeit) Kloster und die zahlreichen Klöster und Kirchen in Arbanasi.
Söhne der Stadt
- Hl. Patriarch Euthymios von Tarnowo (1375–1393)
- Krassimir Balakow, bulgarischer Fußballspieler und -trainer
- Kotoōshū Katsunori, Sumōringer in Japan
- Rostislaw Stratimirowitsch, bulgarischer Fürst
- Stefan Stambolow, bulgarischer Premierminister
- Sawa Mutkurow (1852–1891), bulgarischer General
- Emilijan Stanew (1907–1979), bulgarischer Schriftsteller
- Grigorij Camblak - Metropoliten von Kiew und Litauen
- Nikolaj Owtscharow, bulgarischer Archäologe und Historiker
- Iwan Fitschew, bulgarischer General
Partnerstädte
Weliko Tarnowo unterhält mit folgende Städte eine Partnerschaft[2]:
- Ohrid, Republik Mazedonien Datei:Flag of Macedonia.svg
- Poltawa, Ukraine
- Twer, Russland
- Bayonne, Frankreich
- Kraków, Polen
- Niš, Serbien
- Serres, Griechenland
- Sopron, Ungarn
- Toledo, Spanien
- Colonia Tovar, Venezuela
- Tarxien,Malta
Literatur und Einzelnachweisen
- Reinhardt Hootz: Kunstdenkmäler in Bulgarien. Ein Bildhandbuch, Deutscher Kunstverlag München, 1983, ISBN 3-422-00383-5
- Prof. Nikolaj Owtscharow: Tarnovgrad - die zweite Weltstadt nach Konstantiopel in Geschichte Bulgariens. Kurzer Abriss, Lettera Verlag, Plowdiw, 2006, ISBN 954-516-584-7
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Gerhard Podskalsky: Theologische Literatur des Mittelalters in Bulgarien und Serbien 815-1459, München, Beck, 2000, S. 74, ISBN 3-406-45024-5
- ↑ http://www.infotourism.net/story.php?storyid=1430
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