Dwinger

Dwinger

Edwin Erich Dwinger (* 23. April 1898 in Kiel; † 17. Dezember 1981 in Gmund am Tegernsee) war ein deutscher Schriftsteller. Er gilt als „Prototyp eines nationalistischen und faschistischen Schriftstellers“.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dwinger, Sohn eines technischen Offiziers der Kaiserlichen Marine und einer Russin, meldete sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 als Kriegsfreiwilliger zur Kavallerie. An der Ostfront geriet er 1915 schwer verwundet in russische Kriegsgefangenschaft und schloss sich der Weißen Armee an. Von 1918 bis 1920 nahm er an den Kämpfen der Koltschak-Armee gegen die Bolschewiki teil und flüchtete anschließend in die Mongolei. Hierüber berichtet er in seinem Roman Zwischen Weiß und Rot.

1921 kehrte er nach Deutschland zurück und lebte als Landwirt und Schriftsteller in Tanneck im Allgäu. In den schriftstellerischen Zeugnissen von Dwinger nahm insbesondere das Thema (europäischer) „Osten“ einen utopischen, „ja gleichsam ›heilsgeschichtlichen‹ Charakter eines anvisierten deutschen Ostimperiums an“.[2]

In den Jahren zwischen 1929 und 1932 wurde die Romantrilogie Die deutsche Passion veröffentlicht, in der Dwinger seine Kriegserlebnisse in Russland verarbeitete. Aufgrund dieser Publikation wurde Dwinger von den Nationalsozialisten als authentischer Zeuge für sowjetische Massenmorde betrachtet. Dwinger setzte sich propagandistisch für das NS-Regime ein. 1935 wurde er zum Reichskultursenator in der Reichskulturkammer ernannt.

Am 9. November 1936 wurde Dwinger auf Veranlassung von Heinrich Himmler in die SS aufgenommen (Mitglieds-Nr. 277.082) und erhielt den Rang eines Untersturmführers im Stab der 15. SS-Reiterstandarte, wo er am 9. Februar 1938 zum Obersturmführer aufstieg.[3] Er war auch Mitglied im nationalsozialistisch geprägten Eutiner Dichterkreis, der 1936 vom Eutiner NS-Regierungspräsidenten und SA-Gruppenführer Johann Heinrich Böhmcker gegründet wurde.[4] Am 1. Mai 1937 trat Dwinger in die NSDAP ein (Mitglieds-Nr. 5.293.309).[5]

Dwinger veröffentlichte außerdem den Roman Die letzten Reiter über Freikorps-Männer im Baltikum und die Reportage Spanische Silhouetten über den Spanischen Bürgerkrieg aus nationalspanischer Sicht, sowie Der Tod in Polen. Die volksdeutsche Passion, in der der Bromberger Blutsonntag vom 3. September 1939 dargestellt wird.

Im Zweiten Weltkrieg war Dwinger seit 1941 Kriegsberichterstatter mit SS-Sondervollmachten an der Ostfront und veröffentlichte darüber 1942 den Roman Wiedersehen mit Russland. Tagebuch vom Ostfeldzug. 1943 wurde er zeitweise unter Hausarrest gestellt, weil er dagegen protestiert hatte, dass die NS-Politik Russen grundsätzlich als „Untermenschen“ ansah, und weil er Kontakte zum russischen General Wlassow gepflegt hatte.

Nach dem Krieg vertrat Dwinger die These, er habe sich für eine Art „besseren Nationalsozialismus“ ohne Rassismus eingesetzt. Das wirkt aber wenig glaubwürdig, wenn man Dwingers Romane liest, z. B. Wir rufen Deutschland, in dem Schwarze als „Halbtiere“ bezeichnet werden, ohne dass der Ich-Erzähler dazu auf Distanz geht.[6] Dwinger legte Wert auf die Feststellung, er habe sich selbst nie als Nationalsozialist verstanden, sondern als revolutionärer Nationalist und Antikommunist, was ihm auch während der Entnazifizierung zugestanden wurde: begleitet von öffentlichen Protesten, wurde Dwinger 1948 als einfacher Mitläufer eingestuft. Das dürfte auch auf seine Schutzbehauptungen zurückzuführen sein, er habe Kontakt zu den Attentätern des 20. Juli gehabt und sei „für rassisch und politisch Verfolgte eingetreten“.[7]

1931 erwarb Dwinger den Hedwigshof auf dem Sulzberg im Allgäu (Gemeinde Seeg) und verfasste weiterhin nationalistische und antikommunistische Bücher, die hohe Auflagen erzielten sowie den utopischen Kriegsroman Es geschah im Jahre 1965, in dem er einen atomaren Weltkrieg beschreibt.

Zahlreiche von Dwingers Schriften wurden in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[8][9][10]

Werke (Auswahl)

Zwischen Weiß und Rot, 1930
  • Das große Grab. Sibirischer Roman, 1920
  • Korsakoff. Die Geschichte eines Heimatlosen, 1926
  • Das letzte Opfer, Roman, 1928
  • Die Armee hinter Stacheldraht. Das Sibirische Tagebuch, 1929
  • Zwischen Weiß und Rot. Die russische Tragödie 1919-1920, 1930
  • Die zwölf Räuber, Roman, 1931
  • Wir rufen Deutschland. Heimkehr und Vermächtnis. 1921-1924, 1932
  • Die Gefangenen, Schauspiel, 1933
  • Der letzte Traum. Eine deutsche Tragödie, 1934
  • Wo ist Deutschland?, Schauspiel, 1934
  • Die letzten Reiter, 1935
  • Auf halbem Wege, Roman, 1939
  • Der Tod in Polen. Die volksdeutsche Passion, 1940
  • Panzerführer. Tagebuchblätter vom Frankreichfeldzug, 1941
  • Wiedersehen mit Sowjetrussland. Tagebuch vom Ostfeldzug, 1942
  • Dichter unter den Waffen. Ein Kriegsalmanach deutscher Dichtung, hrsg. v. Werbe- u. Beratungsamt für das Deutsche Schrifttum beim Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Portraitphotographien mit Kurzbibliographien, Kurzbiographien und Schaffensproben der bekanntesten Dichter der Zeit: Dwinger u.a.), 1941
  • Wenn die Dämme brechen ... Untergang Ostpreußens, 1950
  • General Wlassow. Eine Tragödie unserer Zeit, 1951
  • Sie suchten die Freiheit... Schicksalsweg eines Reitervolkes, 1952
  • Hanka. Roman eines Jägers. 1953
  • Ein Erbhof im Allgäu, 144 S. Text mit 80 ganzseit. Aufnahmen v. Hans Retzlaff, Verlag F. Bruckmann AG, München, Jahr?
  • Das Glück der Erde. Reiterbrevier für Pferdefreunde, 1957
  • Es geschah im Jahre 1965, 1957
  • Die zwölf Gespräche, 1933 - 1945, 1966

Literatur

  • Axel W. Claesges: Edwin Erich Dwinger. Ein Leben in Tagebüchern. Nashville, Tenn: Univ. Diss. 1968.
  • Leid der Worte. Panorama des literarischen Nationalsozialismus, hrsg. v. Jörg Thunecke. Bonn: Bouvier 1987. (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft; 367) ISBN 3-416-01930-X
  • Horst Friedrich List: Edwin Erich Dwinger, der Chronist unserer Zeit. Freiburg im Breisgau u.a. Diekreiter 1952.
  • Armin Mohler u. Karlheinz Weißmann: Die konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, 6., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Graz: Ares-Verlag 2005. ISBN 3-902475-02-1
  • Helmut Müssener: Becher und Dwinger. In: Kürbiskern. München 1982, 2, S. 125-137.
  • Helmut Müssener: Edwin Erich Dwingers Roman „Zwischen Weiß und Rot“ – Die russische Tragödie als deutsches Trauerspiel. In: Wulf Koepke und Michael Winkler: Deutschsprachige Exilliteratur. Studien zu ihrer Bestimmung im Kontext der Epoche 1930–1960. Bonn 1984. S. 125–143.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kurt Böttcher u. a. (Hrsg.): Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller. 20. Jahrhundert. Hildesheim, Zürich, New York: Olms, 1993. S. 156. ISBN 3-487-09611-0
  2. Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, S. 56, ISBN 3-8965-0213-1. (Quelle: Karl Schlögel: Sibirien ist eine deutsche Seelenlandschaft. Rußland als Projektionsfläche deutscher Träume und Albträume im Zwanzigsten Jahrhundert: Die Romane von Edwin Dwinger, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7. Mai 1998.)
  3. Gerd Simon 2005, S. 6, 7, 8, 15.
  4. Lawrence D. Stokes: Der Eutiner Dichterkreis und der Nationalsozialismus 1936–1945: Eine Dokumentation. Neumünster: Wachholtz, 2001. (Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; Bd. 111.) ISBN 3-529-02211-X
  5. Gerd Simon 2005, S. 15.
  6. Jürgen Hillesheim und Elisabeth Michael: Lexikon nationalsozialistischer Dichter: Biographien, Analysen, Bibliographien. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1993, S. 124. ISBN 3-88479-511-2
  7. Gerd Simon: Chronologie Dwinger, Edwin Erich.
  8. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-d.html
  9. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-d.html
  10. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-d.html

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