- Eberhard Gothein
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Eberhard Gothein (* 29. Oktober 1853 in Neumarkt; † 13. November 1923 in Berlin) war ein deutscher Nationalökonom, Kultur- und Wirtschaftshistoriker.
Inhaltsverzeichnis
Biographie
Eberhard Gothein war Schüler des Maria-Magdalenen-Gymnasiums in Breslau und legte dort zusammen mit Paul Ehrlich im Jahre 1872 die Reifeprüfung ab. Anschließend studierte er an den Universitäten Breslau und Heidelberg mit den Schwerpunkten Geschichte und Kunstgeschichte. 1877 wurde er mit der Dissertation Der gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms zum Dr. phil. promoviert. 1878 konnte er sich an der Universität Breslau habilitieren. Als Professor der Volkswirtschaftslehre lehrte Gothein seit 1885 an der Universität Karlsruhe, seit 1890 an der Universität Bonn und von 1904 bis 1923 an der Universität Heidelberg, wo er den Lehrstuhl Max Webers für Nationalökonomie übernahm. Als Rektor der Universität Heidelberg registrierte er 1914 mit großer Sorge die deutsche Mobilmachung und den Beginn des Ersten Weltkrieges. Auf einer Informationsreise ins Ruhrgebiet konferiert er mit den Industriellen Klöckner und Stinnes und später auch mit Thyssen.
Am 12. Januar 1919 wurde Eberhard Gothein für die Deutsche Demokratische Partei in die verfassunggebende Landesversammlung gewählt. An der Entwicklung einer Landesverfassung für die Republik Baden konnte er mitwirken. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Breslauer Schulfreund Heinrich Rosin, derzeit Professor an der Universität Freiburg, setzte er sich für die Erwachsenenbildung ein. Und 1922 nahm Gothein noch den Ruf des Auswärtigen Amtes nach Berlin an, um die Ausbildung künftiger Diplomaten zu reformieren.
Gothein vertrat in der Nachfolge Jacob Burckhardts das Recht der Kulturgeschichte auf Eigenständigkeit. Unter seinen Schriften sind vor allem die Darstellungen zur Geschichte des südwestdeutschen Raumes von großer Bedeutung. Im Jahr 1924 wurden seine zweibändigen Schriften zur Kulturgeschichte der Renaissance, Reformation und Gegenreformation posthum veröffentlicht.
Als Nationalökonom setzte Gothein sich für die Umsetzung von theoretischem Wissen in praktische Anwendungen ein: So kämpfte er für die Gründung einer Handelshochschule in Köln, an der er ab 1901 auch lehrte. 1905 war er stark beteiligt an der Gründung der Handelshochschule Mannheim. Die berufsbildende Schule im Bereich der kaufmännischen Aus- und Weiterbildung in Mannheim trägt seinen Namen: Eberhard-Gothein-Schule.[1]
Eberhard Gothein war verheiratet mit der Kunsthistorikerin Marie Luise Gothein. Der Ehe entstammten ihre Söhne Percy Gothein und Werner Gothein. Eberhard Gotheins jüngerer Bruder Georg Gothein war Reichsschatzminister im Kabinett Scheidemann.
Interdisziplinäre Position
Das Ehepaar Gothein korrespondierte während vierzig Jahren in 2.000 Briefen, die der Kulturhistoriker Michael Maurer, Universität Jena, im Jahr 1999 in der Heidelberger Universitätsbibliothek ausfindig gemacht hatte. Im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojektes Adieu Geschichte, und doch auf Wiedersehen förderte die Fritz Thyssen Stiftung die wissenschaftliche Darstellung der kulturhistorischen Position von Eberhard Gothein, die er bereits 1889 in seiner Schrift Aufgaben der Kulturgeschichte als eine interdisziplinäre Sichtweise formulierte. Den Formulierungen widersprach sein Kollege Dietrich Schäfer, der allein die politische Geschichte im Vordergrund sehen wollte. Zur Fragestellung formulierte Michael Maurer zu Beginn der Forschungen:
„Es schien sich bereits mit Eberhard Gothein die Kulturgeschichte als Wissenschaftsgebiet zu etablieren, nachdem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zahllose landeskundliche Geschichtsvereine und vor allem das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg gegründet worden waren, aber wenig später wurden im sogenannten Lamprecht-Streit die kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte aus der Geschichtswissenschaft ausgegrenzt. Das galt bis vor wenigen Jahren.[2]“
Den Methodenstreit hatte Karl Lamprecht um 1890 ausgelöst. In dem Konflikt ging es um völlig gegensätzliche Positionen der Geschichtsschreibung. Lamprecht meinte, dass Kultur- und Wirtschaftsgeschichte vorrangig und Politik- und Personengeschichte nachrangig seien. Der vorherrschenden deskriptiven Auffassung eines Leopold von Ranke setzte Lamprecht eine entwicklungsorientierte Geschichtsschreibung entgegen.
Eberhard-Gothein-Preis
Den Eberhard-Gothein-Preis haben für die Stadt Pforzheim die Initiatoren Löbliche Singer, Reuchlin-Gesellschaft und Förderverein für das Stadtarchiv im Jahr 2009 ausgelobt. Der Preis, der mit einem Preisgeld verbunden ist, zeichnet in einem Rhythmus von drei Jahren ausgewählte Arbeiten zur Stadtgeschichte Pforzheims aus. Die Jury wird von den Auslobern gebildet. In der Begründung für die Namensgebung heißt es, Eberhard Gothein sei der einzige Fachhistoriker des 19. Jahrhunderts, der sich eingehend mit Pforzheims Stadtgeschichte befasst habe und seine Ergebnisse auch publizierte.
Veröffentlichungen
- Der gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms. Dissertation. Breslau 1877.
- Die Aufgaben der Kulturgeschichte. Veit & Comp, Leipzig 1889.
- Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften. Trübner, Strassburg 1892.
- Die badischen Markgrafschaften im 16. Jahrhundert. Winter, Heidelberg 1910.
- Die Renaissance in Süditalien. Duncker & Humblot, München 1924.
Literatur
- Marie Luise Gothein: Eberhard Gothein. Ein Lebensbild. Seinen Briefen nacherzählt. Kohlhammer, Stuttgart 1931.
- Michael Maurer: Eberhard Gothein (1853-1923). Leben und Werk zwischen Kulturgeschichte und Nationalökonomie. Böhlau, Köln u.a. 2007, ISBN 978-3-412-22606-0
- Michael Maurer, Johanna Sänger und Editha Ulrich (Hrsg.): „Im Schaffen geniessen.“ Der Briefwechsel der Kulturwissenschaftler Eberhard und Maria Luise Gothein (1883-1923). Böhlau, Köln u.a. 2006, ISBN 978-3-412-34705-5
- Andreas Cser: Eberhard Gothein (1853-1923). Max Webers Nachfolger auf dem Heidelberger Lehrstuhl [für Nationalökonomie]. Aspekte seiner Wissenschaftsbiographie. In: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 11, 2006/07, S. 57-82. ISSN 1432-6116
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Eberhard-Gothein-Schule, Stadt Mannheim
- ↑ Zu Prof. Maurers Forschungsprojekt über Gotheins Briefe, Informationsdienst Wissenschaft (IDW), 12. Februar 1999
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