Emerging Conversation

Emerging Conversation

Die Emerging Church (auch „Emerging Conversation“ und „Emerging Churches“) ist eine dezentrale, stark heterogene Bewegung von verschiedenen Christen, die in ihrem Umfeld und in ihrer jeweiligen Tradition auf die Herausforderungen der Postmoderne reagieren wollen. „Emerging Church“ (Die sich entwickelnde Kirche) überträgt aktuelle Erkenntnisse der Biologie, der Hirnforschung, der Wirtschaft und der Philosophie auf die Situation der Gemeinde.

Inhaltsverzeichnis

Namen

Das englische Partizip emerging heißt so viel wie „im Entstehen begriffen sein“ und wird im Englischen in verschiedenen Kontexten verwendet. Es soll andeuten, dass die Bewegung im Fluss ist, sich ständig entwickeln möchte und sich selbst als unfertig und fragil bezeichnet. Daher auch eine gewisse Scheu davor, zu stark festgelegt und definiert zu sein. Es gab einige Diskussionen, ob man sich selbst als Kirche oder Bewegung bezeichnen möchte, da man dies als die Homogenität einer eigenen Denomination missverstehen könnte. Deshalb bevorzugen viele den Ausdruck „Emerging Conversation“, da dieser Ausdruck inklusiver ist (Die Schwelle, an einer Konversation teilzunehmen ist niedriger als die Schwelle, einer Bewegung oder Kirche beizutreten).

Ryan Bolger und Eddie Gibbs betitelten ihr Buch[1] das diese Bewegung darstellen sollte, mit „Emerging Churches“, um Pluralität darzustellen.

Außerdem ist der Ausdruck „emerging“ als Anlehnung an die Theorie der Emergenz zu verstehen, die u.A. das Verhalten von sozialen Systemen mit flacher Hierarchie beschreibt.

Abzugrenzen ist Emerging Church von Organisationen wie Emergent Village (USA) oder Emergent Deutschland (D), die meist aus verschiedenen Leitern von Emerging Churches besteht, aber nicht beanspruchen, die gesamte Bewegung zu repräsentieren.

Verschiedene Ströme

An der Emerging Conversation nehmen verschiedenste Menschen aus verschiedensten Hintergründen teil: Kirchengründer, gebildete Laien, Künstler, Medienschaffende und Akademiker. Man kann deshalb verschiedene Ströme von Emerging Church ausmachen:

  • Zum einen gibt es die stark theologische Richtung, die vor allem aus Postevangelikalen und Postcharismatikern, aber auch zunehmend aus Katholiken, (Post-)Liberalen und Orthodoxen Christen, besteht. Beispiele dafür wäre Scot McKnight[2].
  • Auf der anderen Seite gibt es innovative Evangelikale, die ohne starke theologische Veränderungen Gottesdienste so verändern wollen, dass sie attraktiv für postmodern geprägte Menschen sind; zum Beispiel Dan Kimball, dessen Buch „Emerging Church“[3] ins Deutsche übersetzt wurde.
  • Zuletzt gibt es jene auf der Grenze zwischen Theorie und Praxis. Diese versuchen mithilfe von soziologischen Theorien Gemeinde als ein Netzwerk von Beziehungen zu verstehen und auszuleben. Außerdem schaffen sie oft äußerst innovative und kreative Liturgien. Ein Beispiel hierfür wäre die aus Großbritannien stammende Alternative Worship Bewegung (die relativ unabhängig von der amerikanischen Emerging Church Bewegung entstanden ist).

Auseinandersetzung mit der Postmoderne

Nach Auskunft von Marc Driscoll [4] begann die Geschichte der Emerging Church (in Amerika) im Umkreis des so genannten Leadership Networks in den 90er Jahren. Dies war eine progressive Evangelikale Gruppe, die sich zunächst damit beschäftigte, wie der christliche Glaube der "Generation X nahe gebracht werden konnte. Doch bald merkte man, dass es sich um viel gewichtigere, generationenübergreifendere Veränderungen handelte, die in der Gesellschaft stattfanden. So stieß man auf verschiedene Theorien der Postmoderne: dem Hinterfragen des westlichen Weltbildes, das in Folge der Aufklärung v.A. durch René Descartes entstand und sehr stark rationale Beweisführung und die allgemeingültige Vernunft betonte. Postmoderne Denker versuchten die Paradigmen der Moderne zu hinterfragen (Dekonstruktion). Bei der Beschäftigung mit Postmodernen Denkern fiel einigen Christen auf, dass ihre eigenen Traditionen oft mehr von modernistischen Denkvoraussetzungen geprägt sind, als sie bisher angenommen haben. Diese ständen aber heute bei der Verkündigung und beim Ausleben des Evangeliums im Weg und müssten ebenso hinterfragt werden.

Theologische Tendenzen

In der Emerging Church Bewegung gibt es auch was die Theologie anbelangt keine Homogenität. Viele versuchen grundsätzlich ihrer Tradition theologisch treu zu bleiben, aber bestimmte neue Akzente zu setzen. Einige theologische Tendenzen sind aber dennoch festzustellen, auch wenn sie nicht von allen gleich geteilt werden:

Inkarnation

Sehr zentral ist die Inkarnation - die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Diese wird als Ausgangspunkt genommen, um zu zeigen, dass man auch das Evangelium in verschiedene Kulturen inkarnieren muss. Das ist ein Unterschied zu der Auffassung, anderen Kulturen das Evangelium zu bringen; da ersteres eine große Wechselwirkung zwischen Kultur und Evangelium bedeutet. Diese Auffassung, die betont, man müsse in dieser Welt leben und nicht vor ihr fliehen, ist auch ein Gegengewicht zu der starken Subkulturbildung im freikirchlichen Christentum,

Reich Gottes

Ein starker Fokus ist auch das Reich Gottes. In dem Versuch, die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens stärker zu betonen, versucht man einen besonderen Akzent auf das Reich Gottes zu legen. Damit verwandt ist der Ausdruck „missional“, der abzugrenzen ist von „missionarisch“. Es ist der Versuch einen ganzheitlichen Missionsbegriff zu finden, der soziales und kulturelles Engagement mit einschließt. Wesentlich dafür ist, dass Mission keine Aktivität der Kirche, sondern ein Handeln Gottes in der Gesellschaft ist, das die Kirche unterstützen, aber auch behindern kann. Im evangelikalen Bereich bedeutet das oft ein Abwenden von einer premilleniaristischen Eschatologie (Erwartung der Wiederkunft Christi vor Eintritt des biblischen "Tausendjährigen Reiches"), die als zynisch empfunden wird, hin zu Modellen, die als hoffnungsvoller empfunden werden.

Kommunitarismus

Es gibt einige inhaltliche Überschneidungen mit dem Kommunitarismus (bewusst oder unbewusst), da beispielsweise kritisiert wird, dass das protestantische Christentum in Folge der Reformation einen zu hohen Stellenwert auf das Individuum und seine Beziehung mit Gott legt und den Aspekt der Gemeinschaft vernachlässigt. Einige Emerging Churches probieren auch neue klosterähnliche Modelle von Kirche aus.

Narrative Theologie

Emerging Church betont den narrativen Aspekt von Theologie. Dieses findet auf zwei Ebenen statt: zum einen auf der stilistischen, zum anderen auf der theologischen Ebene. Auf der stilistischen Ebene wird die Geschichte als Mittel von Kommunikation einer abstrakten, systematischen Predigt vorgezogen. Geschichte kann hier das Erzählen von persönlichen Erlebnissen, gleichnisähnlichen fiktiven Erzählungen oder kunstvollen, mehrdeutigen Texten, die im Gottesdienst benutzt werden, bedeuten. Auf der anderen Seite verstehen viele die Bibel selbst als eine große Geschichte. Es gilt nun nicht mehr, aus der Geschichte durch Analyse systematisch abstrakte Dogmen zu extrahieren, sondern man behält die Form der Geschichte bei und lernt, sich in sie hineinzuversetzen. Ein Beispiel dafür ist Brian McLarens „The story we find ourselves in“[5]; ein apologetisches Buch, dass in Form einer Geschichte geschrieben ist.

Ökumene

Da ein Kernwert die Dialogbereitschaft ist, steht das Lernen von anderen Traditionen im Vordergrund. Die Herangehensweise an das Thema ist aber weniger wie das bisherige Modell von Ökumene stark „top-down“, also vom Verfassen von gemeinsamen theologischen Erklärungen geprägt und mehr „bottom-up“, also stärker auf Vernetzung von interessierten Laien und auf Zusammenarbeit fixiert.

Praxis

Blogs

Die Emerging Conversation ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einem sehr großen Teil (neben traditionellen Formen wie Kongressen, Podiumsdiskussionen etc.) im Internet verortet ist. Die meisten der theologischen und praxisbezogenen Debatten findet auf Blogs statt. Dadurch hat die Emerging Conversation den Charakter eines weltweiten Netzwerkes.

Kirche als Netzwerk

Unter Aufnahme von bestimmten soziologischen Theorien wird Kirche zunehmend als dezentrales Netzwerk verstanden. Das Institutionelle und Formale von Kirche soll eingeschränkt werden, Hierarchien sollen abgeflacht werden; so soll eine stärkere Partizipation aller Teilnehmer erreicht werden. Dies entspricht der reformatorischen Betonung des Priestertums aller Gläubigen.

kulturelle Relevanz

Emerging Church lässt sich gut als Versuch verstehen, den christlichen Glauben mit der Kultur in Dialog zu setzen. Deshalb ist es nahezu allen Emerging Churches wichtig, die gegenwärtige Kultur zu kennen, in ihr zu leben und sich am kulturellen Schaffen aktiv zu beteiligen.

soziales Engagement

Aus dem umfassenderen Missionsbegriff und der Forderung, dass Orthodoxie (der rechte Glauben) mit Orthopraxis (das rechte Handeln) zusammengehen muss, folgt eine starke Betonung von sozialem Engagement. Auf der einen Seite kann dies klassische diakonische Tätigkeiten beinhalten, auf der anderen Seite wird auch das Eintreten für soziale Gerechtigkeit gefordert. In Amerika sind Teile der Emerging Church auch gegen die christliche Rechte positioniert, da sie diesen Aspekt zu sehr vernachlässigen würde.

Inklusivismus

Emerging Church bedeutet auch den Versuch, verschiedene kulturelle Hintergründe in die Kirche zu integrieren. Nicht mehr nur die bürgerliche Mittelschicht soll Träger der Religion sein- was immer mit Abgrenzung und Ausschluss verbunden wäre- sondern verschiedene Kulturen und Subkulturen sollen willkommen sein.

Liturgieinnovationen

Das sicher auffälligste Merkmal von Emerging Churches sind die Liturgieinnovationen. Es wird zwar oft betont, dass Emerging Church eigentlich weniger Wert auf den Gottesdienst als zentrales Element legt, trotzdem stecken viele Emerging Churches große Energie in die Gestaltung von neuen Gottesdienstformen. Hierbei spielt auch der partizipatorische Ansatz eine Rolle: viele sollen bei der Gestaltung des Gottesdienstes mitwirken und ihn nicht nur passiv konsumieren. Dabei können bestimmte Gegenstände aus der Alltagswelt, kreative Beiträge, Einsatz von neuen Medien und alten Formen wie Weihrauch zur Geltung kommen. Der gesamte Gottesdienst soll eine Botschaft kommunizieren, anstatt den inhaltlichen Teil auf eine zentrale Predigt zu beschränken.

Kritik

Kritisiert wurde die Emerging Church Bewegung bisher besonders von konservativen Evangelikalen. Zentral ist dabei ein Buch von D.A. Carson[6] . Dabei werden die Ansichten eines Leiters von Emergent Village, Brian McLaren, besonders kritisiert. Darauf wurde entgegnet, dass Brian McLaren nicht repräsentativ für die Bewegung ist. Eine Übersicht über verschiedene Kritiken findet sich hier[7] . Verschiedene Kritikpunkte sind:

  • Relativismus: Die Emerging Church, so konservative Kritiker, legt ein zu starkes Gewicht auf Pluralität und verliert so die absolute Wahrheit des Evangeliums aus den Augen. Besonders fehlt den Kritikern in einigen Äußerungen die Exklusivität des Heils in Jesus Christus.
  • Kreuzestheologie: Wo in der Emerging Conversation Stimmen laut werden, die nicht eine typisch reformierte Kreuzestheologie vertreten, werden diese heftig kritisiert.
  • Verweltlichung: Anpassung an den Zeitgeist und mangelnde Kritik an der Gesellschaft.

Einzelnachweise

  1. von Eddie Gibbs, Ryan Bolger: Emerging Churches: Creating Christian Community in Postmodern Cultures, Baker Academic, 2006
  2. Scot McKnights Blog: http://www.jesuscreed.org/ Stand:Mai 2007
  3. Dan Kimball: Emerging Church,Die postmoderne Kirche. Spiritualität und Gemeinde für neue Generationen, Gerth Medien 2005.
  4. Youtube Video: http://www.youtube.com/watch?v=RcbnGXSYxuI. Stand: 6. Mai 2007.
  5. Brian D. McLaren: The story we find ourselves in, Further adventures of a new kind of Christian, Jossey-Bass, 2003
  6. D.A. Carson:Becoming Conversant with the Emerging Church: Understanding a Movement and Its Implications, Zondervan, 2005
  7. Andrew Jones Blog fasst Kritiken zusammen: http://tallskinnykiwi.typepad.com/tallskinnykiwi/2004/12/the_skinny_on_e.html

Literatur

  • Kester Brewin: The Complex Christ, deutscher Titel Der Jesus-Faktor - Eine leidenschaftliche Theologie der Veränderung. C & P Verlag, Glashütten 2005, ISBN 3-928093-73-8.
  • Donald A. Carson: Emerging Church. Abschied von der biblischen Lehre?. CLV, Bielefeld 2008. ISBN 3893979891.
  • Rudolf Ebertshäuser: Aufbruch in ein neues Christsein? Emerging Church. Der Irrweg der postmodernen Evangelikalen. CLKV-Verlag, Steffisburg 2008.
  • Denton Gandy: Die Emerging Church Bewegung (DOC, 35 Seiten), Facharbeit für Missiologie, 2005.
  • Tony Jones: The New Christians: Dispatches from the Emergent Frontier. Jossey Bass 2008. ISBN 0787994715.
  • Dan Kimball: The Emerging Church, deutscher Titel Emerging Church - die postmoderne Kirche. Gerth Medien, Asslar 2005. ISBN 3-86591-042-4.
  • Fabian Vogt: Das 1x1 der Emerging Church. C & P Verlag, Glashütten 2006. ISBN 3928093789.

Weblinks

Kritik


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