Ernst Günther Schenck

Ernst Günther Schenck

Ernst Günther Schenck (* 3. August 1904 in Marburg; † 21. Dezember 1998 in Aachen) war ein deutscher Arzt, der während des Dritten Reiches zahlreiche Funktionen in Wehrmacht und SS bekleidete, zuletzt als Obersturmbannführer.[1] Durch seine Arbeit in einem Notlazarett in der ehemaligen Reichskanzlei während der letzten Kriegstage kam es zur Begegnung mit Adolf Hitler, den er hinsichtlich des beabsichtigten Suizids beriet, weswegen unter anderem Joachim Fest und James P. O’Donnell Schencks Erinnerungen in ihren Publikationen verwerteten. Einem breiterem Publikum wurde Schenck durch Bernd Eichingers Film Der Untergang bekannt, in dem er als vernünftiger, mahnender Gegenpol zu bis zum Schluss fanatisierten Nazis dargestellt wird. Diese positive Darstellung entspricht allerdings nur einem Teilaspekt der Persönlichkeit Schencks, der als SS-Arzt im KZ Mauthausen auch Menschenversuche durchführte, bei denen Häftlinge durch Hungerödeme umkamen.[2][3]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schenck, Sohn eines Privatdozenten, war nach einem Medizinstudium und seiner ärztlichen Approbation ab 1930 Assistenzarzt an der Heidelberger Ludolf-Krehl-Klinik. Von 1931 bis 1934 war er Oberassistent am Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten trat er 1933 der SA bei. 1934 wurde er Oberarzt. 1937 trat er der NSDAP bei und wurde Mitglied in verschiedenen NS-Organisationen, wie dem NS-Ärztebund, dem NS-Dozentenbund, der Deutschen Arbeitsfront, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und dem Reichsluftschutzbund. Im selben Jahr wurde er Referent im Hauptamt für Volksgesundheit der NSDAP-Reichsleitung. Ebenso arbeitete er beim Institut für Ernährung und Heilpflanzenkunde in Dachau mit. Im Juni 1939 gründete er zusammen mit Karl Kötschau die Gesellschaft für Naturgemäße Lebens- und Heilweise, die jedoch nur wenige Monate Bestand hatte. Noch 1939 wurde er Berater des Reichsgesundheitsführers Leonardo Conti. Seit 1940 war Schenck Ernährungsinspekteur der Waffen-SS. Nachdem er 1941 Chefarzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses in München-Schwabing geworden war, erfolgte 1942 seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor. Als Mitarbeiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts war er von 1943 bis 1944 verantwortlich für „Ernährungsversuche“ im KZ Mauthausen. In dieser Rolle behauptete er 1943: „Die Gemüse- und Kartoffelversorgung der KZ ist zum größten Teil ausgezeichnet“.[4] 1944 wurde er zum Ernährungsinspekteur der Wehrmacht und zum Oberstarzt befördert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er von 1945 bis 1955 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland arbeitete er in der pharmazeutischen Industrie, darunter auch bei Grünenthal. Ferner nahm er eine Tätigkeit als Wiedergutmachungsexperte für Hungerschäden beim Verband der Heimkehrer auf.

Literatur

  • Gine Elsner, Heilkräuter, "Volksernährung", Menschenversuche : Ernst Günther Schenck (1904-1998): Eine deutsche Arztkarriere. Hamburg 2010, ISBN 978-3-89965-419-6
  • Hannes Heer: „Hitler war’s“. Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit. Aufbau-Verlag, Berlin 2005 , ISBN 3-351-02601-3. Als Taschenbuch lfbar noch im Jahr 2010
    Heer vergleicht u.a. die Darstellung Schencks im Film „Der Untergang“ mit seiner tatsächlichen Biografie. Rezension
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 530–531.
  • Christoph Kopke: Das KZ als Experimentierfeld: Ernst Günther Schenck und die Plantage in Dachau. in: Gabriel Ralph, Elissa Mailänder Koslov, Monika Neuhofer, Else Rieger (Hrsg.): Lagersystem und Repräsentation. Interdisziplinäre Studien zur Geschichte der Konzentrationslager. Tübingen 2004 ISBN 978-3-86099-553-2 . Seite 13-28.
  • Christoph Kopke: Der „Ernährungsinspekteur der Waffen-SS“. Zur Rolle des Mediziners Ernst-Günther Schenck im Nationalsozialismus. in: Medizin und Verbrechen : Festschrift zum 60. Geburtstag von Walter Wuttke. hrsg. Christoph Kopke. [Mit Beitr. von: Willi Dreßen ...] Ulm 2001, ISBN 3-932577-32-9
  • Christoph Kopke: Der Mediziner Ernst Günther Schenck im Nationalsozialismus und seine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit
    Arbeitstitel der in Arbeit befindlichen Dissertation)
  • Stefan Reinecke: Der Arzt von Berlin - Der gute Geist im Führerbunker: Doch wer war Ernst Günther Schenck, wenn ihn nicht Bernd Eichinger und Oliver Hirschgiebel zeichnen?. in: die tageszeitung (taz) Nr. 7462 vom 15. September 2004, Seite 15,

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 530.
  2. „Der Arzt von Berlin“, Artikel von Stefan Reinecke, in: die tageszeitung, 15. September 2004
  3. Quellensammlung anlässlich des Films „Der Untergang“
  4. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer Taschenbuch 2005, S. 530.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ernst-Günther Schenck — (* 3. August 1904 in Marburg; † 21. Dezember 1998 in Aachen) war ein deutscher Arzt, der während des Dritten Reiches zahlreiche Funktionen in Wehrmacht und SS bekleidete, zuletzt als Obersturmbannführer.[1] Durch seine Arbeit in einem Notlazarett …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst-Günther Schenck — Saltar a navegación, búsqueda Ernst Günther Schenck (3 de octubre de 1904 – Aquisgrán 21 de diciembre de 1998) fue un doctor alemán que ingresó en las Sturmabteilung (SA) en 1933. Debido a un encuentro con Adolf Hitler durante los últimos días de …   Wikipedia Español

  • Ernst-Günther Schenck — (October 3 1904 ndash; December 21, 1998) was a German doctor who joined the Sturmabteilung (SA) in 1933. Because of a chance encounter with Adolf Hitler during the closing days of World War II, his memoirs proved historically valuable. [Schenck …   Wikipedia

  • Ernst-Günther Schenck — Pour les articles homonymes, voir Schenck. Ernst Günther Schenck (3 octobre 1904, Marbourg – 21 décembre 1998, Aix la Chapelle, était un médecin allemand et un SS Standartenführer. Notamment connu pour sa présence dans le… …   Wikipédia en Français

  • Ernst G. Schenck — Ernst Günther Schenck (* 3. August 1904 in Marburg; † 21. Dezember 1998 in Aachen) war ein deutscher Arzt, der während des Dritten Reiches zahlreiche Funktionen in Wehrmacht und SS bekleidete, zuletzt als Obersturmbannführer.[1] Durch seine… …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst-Günther Schenk — Ernst Günther Schenck (* 3. August 1904 in Marburg; † 21. Dezember 1998 in Aachen) war ein deutscher Arzt, der während des Dritten Reiches zahlreiche Funktionen in Wehrmacht und SS bekleidete, zuletzt als Obersturmbannführer.[1] Durch seine… …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst-Günther Baade — Pour les articles homonymes, voir Baade. Ernst Günther Baade …   Wikipédia en Français

  • Ernst Schenck — Ernst Günther Schenck (* 3. August 1904 in Marburg; † 21. Dezember 1998 in Aachen) war ein deutscher Arzt, der während des Dritten Reiches zahlreiche Funktionen in Wehrmacht und SS bekleidete, zuletzt als Obersturmbannführer.[1] Durch seine… …   Deutsch Wikipedia

  • Schenck — ist der Familienname folgender Personen: Adolf Schenck (1860–1936), deutscher Geograph und Mineraloge Adolf Schenck (Entomologe) († 1878), deutscher Oberlehrer und Insektenkundler August Friedrich Albrecht Schenck (1828–1901), deutscher Maler… …   Deutsch Wikipedia

  • Schenck — may refer to: * Aubrey Schenck (1908 1999), film producer * Carl Alwyn Schenck (1868 1955), pioneer of forestry in the USA and Europe * Carl Schenck (1835 1910), German mercantilist and founder of the Carl Schenck Eisengießerei Waagenfabrik *… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”