- Evangelisch-reformierte Kirche in Bremen-Blumenthal
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Die Evangelisch-reformierte Kirche in Bremen-Blumenthal ist die Kirche der Evangelisch-reformierten Gemeinde, die zur Bremischen Evangelischen Kirche gehört. Sie ist ein Einzeldenkmal der Denkmalliste des Landes Bremen.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die 1879 errichtete Kirche in Blumenthal ist die älteste evangelische Kirche im Stadtteil. Außerdem enthält sie Zeugen, die bis in das 16. Jahrhundert zurückführen.
Die erste kleine Pfarrkirche mit Glockenstuhl wurde wahrscheinlich nach der Reformation errichtet und mit einem lutherischen Prediger besetzt. 1568 bis 1580 setzte Christoph Pezel in Bremen das reformierte Bekenntnis durch, das auch für Blumenthal gültig wurde. 1584 wurde die Renaissance-Kanzel eingebaut und blieb bis zur Erweiterung der Kirche 1662 in Gebrauch. 1604 ersetzte der „Alte Turm“ den bisherigen Glockenstuhl. 1732 wurde die schon zweimal vergrößerte Kirche wegen der wachsenden Einwohnerzahl abgerissen und durch einen größeren Bau ersetzt. Der Turm blieb erhalten. 1741 ging das Amt Blumenthal von Bremen an das vorwiegend lutherische Kurfürstentum Hannover über, das in Personalunion mit England regiert wurde. Die Gemeinde zählte mit Lehe, Ringstedt, Holßel und Neuenkirchen (Osterstade) zu den „5 Reformierten an der Unterweser“.
1879 wurden die heutige Kirche und das Pfarrhaus erbaut, weil Blumenthal durch die Industrialisierung rasch wuchs. Der Architekt Johannes Vollmer entwarf und leitete den Bau. Sie ist der erste Sakralbau seines Wirkens als Kirchenarchitekt. Er wählte den neugotischen Stil, der zu dieser Zeit im evangelischen Kirchenbau vorherrschte. Der Reeder Christian Heinrich Wätjen stellte die Bausumme von 200.000 Goldmark zur Verfügung. Zwei Jahre hatte der Kirchenrat sich gegen das Angebot gewehrt, bis eine Gruppe von Gemeindegliedern ihn zur Annahme drängte.
Die Kirche bildet mit dem vierjochigen Langhaus, dem Querschiff und der Apsis die traditionelle altkirchliche Kreuzform. Von der üblichen Ostung weicht sie etwas nach Nordosten ab. In den drei ersten Jochen ist sie fast einschiffig, abgesehen von schmalen Seitengängen. Im vierten Joch weitet sich der Raum durch an die Vierung anschließende kapellenartige Anbauten. Durch sie wird der Zentralbereich von Langhaus und Querhaus dreischiffig und bildet ein geräumiges Quadrat, in dem die Gemeinde sich nahe an der Kanzel und am Abendmahlstisch versammeln kann. Auch die Emporen finden im erweiterten Querschiff reichlich Platz, ohne den Raum optisch einzuengen. Die Kirche bot ursprünglich 1.100 Sitzplätze, deren Zahl später durch Auseinanderrücken der Bänke verringert worden ist.
Bauwerk
Der Innenraum hat weiße Wände und Gewölbe vom roten Ziegelwerk der gemauerten Pfeiler, Rippen, Simse und Brüstungen. Im Osten steht der schmucklose steinerne Tisch für das Abendmahl, der nach reformierter Tradition nicht „Altar“ genannt wird. Die erhöhte Kanzel an der Südseite, die zum Bau gehört, betont den Rang der Predigt.
Hinter dem Tisch erhebt sich als beherrschendes Symbol ein großes Holzkreuz ohne Korpus. Es wurde bei einer Umgestaltung nach 1960 in den damals einheitlich weiß überstrichenen Raum gestellt und hob sich deutlich vom Hintergrund ab. Seit der Renovierung der Kirche, mit der die roten Ziegelelemente wieder sichtbar gemacht wurden, ist es der Architektur nicht mehr angepasst.
In den Fenstern befinden sich als Symbole das Christusmonogramm JHS, eine Dornenkrone, ein Abendmahlskelch, Kornähren, eine Krippe, ein Schiff mit Kreuzmast und eine Weinrebe. Drei Kreuze stellen den Tod Christi auf Golgatha dar. Kreuz und Schlange bedeuten den Sieg über die Sünde. Ein Kreuz auf der Weltkugel symbolisiert die Siegeskraft des Glaubens. Die Krippe symbolisiert die Botschaft der Engel an die Hirten. Die Öllampe mahnt zur Wachsamkeit. Weiterhin befinden sich dort ein Stern und die Taube als Symbol der Taufe und des Heiligen Geistes. Die seitlichen Chorfenster enthalten seit 1949 die Namen der gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs.
Die Originalkanzel an der Südseite ist in ihrer Höhe auf die Emporen abgestimmt, damit die dort sitzenden Teilnehmer die Predigt verstehen und den Pastor sehen können. Diese Kanzel ist inzwischen kaum noch in Gebrauch.
Die alte Kanzel von 1585 steht der Originalkanzel gegenüber an der Nordseite. Das Ausstattungsstück gehörte nicht in die heutige Kirche. Von ihr hat der erste reformierte Pastor von Blumenthal gepredigt. Wahrscheinlich hat der Senat zu Bremen sie als Patron gestiftet, weil sich die Gemeinde eine künstlerisch geschnitzte Kanzel nicht leisten konnte. Diese älteste noch erhaltene Kanzel aller bremischen Kirchen hat ein seltenes Bildprogramm. Sie war nur 70 Jahre in Gebrauch, dann wurde das alte Kirchlein vergrößert. Die Kanzel wurde durch eine neue ersetzt, und geriet in die Abstellkammer. Dadurch sind Reste ihrer alten Farbfassungen erhalten geblieben, die dem Restaurator nach 1980 eine Wiederherstellung der ursprünglichen Farbigkeit ermöglichte. Geschmückt ist die Kanzel in der Formensprache der Frührenaissance. Andererseits ist die Kanzel gestaltet im Geiste der reformierten Lehre und des biblischen Bilderverbots. Die vier Felder des Kanzelkorbes sind gegliedert durch Bögen und korinthische Säulen, die in der Bildsprache der Renaissance einen Tempel symbolisieren. Über den Bögen befinden sich in den Zwickeln Mauerquader, die das himmlische Jerusalem andeuten. Die vier pyramidenförmig geschliffenen Edelsteine in den Bögen verdeutlichen die Herrlichkeit Gottes. Die großen Deckelpokale im mittleren der drei Ebenen bezeichnen nicht den Kelch des Heils aus dem Abendmahl, sondern den des Zornes Gottes, der im Gericht ausgegossen wird über die Abtrünnigen unter den Menschen. Mit diesen Sinnbildern wird das endzeitliche Drama der Offenbarung des Johannes beschrieben. Verstärkt werden die Aussagen von den Schmuckbändern an der Sockel- und Kopfleiste; die Blumen verkörpern den himmlischen Garten, die Früchte die guten Werke, und die Lorbeerblätter das reine Gewissen.
Die Orgel wurde 1950 erbaut von Alfred Führer, Wilhelmshaven.
In der Turmhalle steht eine Büste des Kirchenstifters C. H. Wätjen. Der Bremer Kaufmann und Reeder wollte sein nahe liegendes Park- und Gutsgelände um das Pfarrhausgrundstück und weiteres Kirchenland vergrößern. Er hat die Neubauten großzügig, aber nicht ganz uneigennützig mit 200.000 Reichstalern finanziert.
Im Portal nennen zwei Steintafeln die Namen der Gefallenen des 1. Weltkriegs 1914–18, während die des 2. Weltkrieges 1939-45 in den seitlichen Chorfenstern stehen.
Außenanlagen
An der Außenwand, auf dem Friedhof und beim Alten Turm befinden sich alte Grabsteine. Besonders imposant ist südöstlich der Kirche die Grabstelle von Ferdinand Ulrich (1884–1915), einem kaufmännischen Direktor der Bremer Woll-Kämmerei mit der Gestalt einer Trauernden aus Metallguss. Wenige Meter neben jener Grabstelle liegt das Grab der Schriftstellerin und Reformpädagogin Tami Oelfken.
Am Ende des Weges in Verlängerung des Nordausgangs wurde im Baujahr der neuen Kirche eine Eiche gepflanzt. Als sie 2004 abgestorben war, hat die Bildhauerin Nicola Dormagen aus ihr ein Kunstwerk gestaltet. Auf drei transparenten Tafeln erzählt der Baum, was er in seinen 125 Lebensjahren um sich herum sah, hörte und fühlte.
Der Turm am nördlichen Ende des Friedhofes gehörte zur alten Kirche, die 1879 durch den Neubau ersetzt und abgerissen wurde. Erbaut 1604, ist dies älteste kirchliche Bauwerk Blumenthals auf Wunsch des Stifters Wätjen erhalten geblieben. Es enthält ein von Jan Noltenius gestaltetes Mahnmal für die Blumenthaler Gefallenen der beiden Weltkriege. Das Holzrelief des Bildhauers Walter Wadephul stellt einen toten Soldaten dar, um den eine Frau trauert. Ein Engel weist mit ausgerecktem Arm tröstend nach oben. Zwei Klöppel im Inneren des Turms gehörten zu den Glocken, die einst die Gemeinde zusammengerufen haben. Außen an der Ostseite sind drei alte Steintafeln eingelassen. Eine ehrt die zur Bauzeit des Turms bis 1604 regierenden Bremischen Bürgermeister Johan Esich, Heinrich Zobel (1558-1597), Daniel von Büren (1512–1593) und Henrich Houken durch ihre Wappen. Auf der zweiten dankt die Gemeinde 1732 mit einer lateinischen Inschrift den Ratsherren Werner Köhne und Henrich Meier für Spenden zum Neubau der Kirche. Die dritte Tafel zeigt in barocker Pracht die Wappen dieser beiden Familien. Der 1904 gegründete Bürgerverein Lüßum[2] betreut ehrenamtlich den Turm und die umgebende Anlage mit den historischen Grabsteinen.
Ein historisches Fundstück, das wahrscheinlich aus einem Sandsteinfries der alten Kirche stammt, ist im Innenhof des neuen Gemeindehauses angebracht. Dargestellt ist Abrahams Opfer (Gen 22,1-19 EU) mit den lateinischen Worten aus seiner Berufungsgeschichte: DEUS IMPUTAT EUM AD IUSTITIAM (Gott rechnete ihm (seinen Glauben) zur Gerechtigkeit an).
Einzelnachweise
- ↑ http://www.denkmalpflege.bremen.de/sixcms/media.php/13/Denkmalliste_2008_07_30.pdf S. 4, aufgerufen 8. August
- ↑ http://www.buergervereine-bremen.de/wirbvl.htm
Literatur
- Rolf Gramatzki: Bremer Kanzeln aus Renaissance und Barock. Verlag Hauschid, Bremen 2001, ISBN 978-3897570719
- L. Halenbeck: Blumenthal und Schönebeck. Bremen 1878.
- Dieter Krampf: Johannes Vollmer (1845–1920). Ein Architekt des deutschen protestantischen Kirchenbaus im 19. und 20. Jahrhundert. Dissertation. Bonn 1990.
- Alfred Tietjen: Blumenthal – meine Heimat. 1937
Weblinks
53.18258.5833333333333Koordinaten: 53° 10′ 57″ N, 8° 35′ 0″ O
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