Feuerwerksanstalt

Feuerwerksanstalt

Die Wöllersdorfer Werke ("Feuerwerksanstalt") sind heute eine Fabrikansiedlung im Bereich von Wiener Neustadt, Bad Fischau und Wöllersdorf. Früher war dort eine große Munitionsfabrik in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie.

Inhaltsverzeichnis

Munitionsfabrik

Ab 1815 begann man auf der dünnbesiedelten Heide zwischen Wiener Neustadt und dem nordwestlich gelegenen Wöllersdorf mit der Errichtung von Laboratorien und Einrichtungen für die Pulvererzeugung.

Als Besonderheit wurden auch einfache Raketen, ähnlich Feuerwerkskörpern, hergestellt, welche gebündelt von Werfern verschossen wurden. Die Fabrikationsstätte wurde als "Raketendörfl" bezeichnet und das "K.u.k. Feuerwerkskorps" zur militärischen Anwendung der neuen "Raketenartillerie" aufgestellt. Daraus entstand die noch heute verwendete Ortsbezeichnung Feuerwerksanstalt als Ortsteil der Gemeinde Wöllersdorf.

Zwischen 1860 und 1870 wurden die Raketenbatterien aufgrund ihrer hohen Streuung und geringen Treffgenauigkeit in konventionelle Geschützbatterien umgewandelt.

Ab 1868 begann der stetige Ausbau zur Erzeugung von Artillerie- und Gewehrmunition für die Armee und Kriegsmarine. Die Bezeichnung lautete "K.u.k. Artillerie-Haupt-Laboratorium" und ab 1895 "K.u.k. Munitionsfabrik Wöllersdorf".

Während der gesamten Dauer des 1. Weltkrieges war die Wöllersdorf-Feuerwerksanstalt der Mittelpunkt der K.u.K. Rüstungsanlagen in und um Wiener Neustadt mit weiteren Werken in Berndorf, Hirtenberg, Enzesfeld, Blumau und Theresienfeld. Allein das Wöllersdorfer Werk erstreckte sich über fast 3 km², auf welchen 635 Bauobjekte vorhanden waren. Etwa 40 km Normalspurgleise, über 70 km Schmalspurbahnen und über 26 km Betonstraßen erschlossen die Anlagen. Die Belegschaft stieg von 5.000 im Jahre 1914 auf über 40.000 im Jahr 1918, die je 70 Arbeitsstunden pro Woche zu leisten hatten.

Zwischenkriegszeit

Ab Ende 1918 unter Aufsicht des Alliierten Rates verwaltete der neue Staat Österreich das Areal. Ende 1919 wurden die meisten Anlagen der Wöllersdorfer Munitionsfabrik in die „Staatlichen Industriewerke“ eingegliedert. Die Baulichkeiten standen ab 1922 leer, wurden aber mit der Hoffnung auf Nachnutzung und Besiedelung durch neue Industriebetriebe gewartet und gepflegt. Bis auf die Ansiedelung einiger kleinerer Firmen zerschlugen sich mehrere Großprojekte wegen korrupten, spekulativen Machenschaften der Beteiligten und der einsetzenden Weltwirtschaftskrise.

Als Überbleibsel produzierte etwas weiter nördlich die Hirtenberger Patronenfabrik weiterhin Munition und wurde 1920 durch einen Brand komplett zerstört und 1924 wiederaufgebaut. Daraus entstanden nach einer wechselvollen Geschichte 2004 die Hirtenberger Defence Systems, die Hirtenberger Automotive Systems und die Hirtenberger Präzisionstechnik.

1933 gab die Hirtenberger Patronenfabrik einem innenpolitischen Ereignis großer Tragweite den Namen: die Hirtenberger Waffenaffäre, ein groß angelegter Schmuggel von italienischen Waffen über Österreich nach Ungarn. Es ging um 40 Waggons mit 84.000 Gewehren und 980 Maschinengewehren, die auf dem Fabriksgelände zwischengelagert waren und mit denen das ungarische Horthy-Regime und die österreichische Heimwehr aufgerüstet werden sollten. Der damalige Besitzer der Patronenfabrik Fritz Mandl war ein enger Freund von Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg.

Anhaltelager des Österreichischen Ständestaates

Ab Oktober 1933 richtete die Regierung des Ständestaates (Austrofaschismus) in einigen Hallen des Werkes ein Anhaltelager, nach deutschem Vorbild der Konzentrationslager, für Regimekritiker und Exponenten der verbotenen Parteien NSDAP und KPÖ ab 1933 und der Sozialdemokratische Partei ab 1934 ein.

Im Oktober 1933 wurden die ersten Häftlinge – neun National­sozialisten und ein Kommunist – nach Wöllersdorf gebracht. Ab Februar 1934 wurden hunderte Schutzbündler und sozialdemokratische Funktionäre in den Tagen nach der blutigen Niederwerfung des Februaraufstandes nach Wöllersdorf deportiert.

Am 1. Mai 1934 befanden sich 831 politische Gefangene im Lager – 508 Sozialdemokraten und Kommunisten, sowie 323 National­sozialisten. Nach dem Juliputsch vom Juli 1934 füllte sich das Anhaltelager Wöllersdorf wiederum mit tausenden Neu­ankömmlingen; im Oktober 1934 war mit über 5.000 Personen der Höchststand erreicht.

Durch die Amnestie des Jahres 1936 verringerte sich die Zahl der Inhaftierten auf rund 500 Personen.

Nach der Unterredung des Bundeskanzlers Kurt Schuschnigg mit Adolf Hitler im Februar 1938 wurde das Lager schließlich aufgelöst. Im März 1938 fanden die Baracken allerdings noch einmal für die vorübergehende Inhaftierung von austro­faschistischen Funktionären Verwendung. Bereits am 2. April 1938 wurde das Lager Wöllersdorf geschlossen und die Baracken niedergebrannt. Die verbliebenen österreichischen Gefangenen verlegte man in das KZ Dachau.

Zweiter Weltkrieg

Zum Zeitpunkt des Anschlusses an das Deutsche Reich am 12. März 1938 waren die Gebäude noch fast zur Gänze vorhanden und wie fast die gesamte Infrastruktur in einem tadellosen Zustand - so dass sich das Gelände als idealer Standort als Luftpark für den nahegelegenen Fliegerhorst Wiener Neustadt anbot.

So wurde nach Beschluss der höchsten Luftwaffenstellen im Sommer 1938 mit der Adaptierung der Anlagen zum Luftpark XVII Wiener Neustadt - Wöllersdorf begonnen.

Die Anlagen wurden bei einem großen Bombenangriff der amerikanischen Luftwaffe am 29. Mai 1944 großteils zerstört, die Reste in der letzten Märzwoche 1945 gesprengt und während der darauffolgenden Kampfhandlungen mit der Roten Armee zerstört.

Nachkriegszeit

Schalthaus des Kraftwerks

Das große Trümmerfeld hatte auch für die sowjetische Besatzungsmacht keine Bedeutung, alles noch Brauchbare wurde als Baumaterial wiederverwertet. Größere Baufragmente sowie etliche funktionslos gewordene Schlote wurden in den späten 40er Jahren gesprengt. Am westlichen Teil des Geländes wurden einige Unternehmen angesiedelt und als eines der wenig erhalten gebliebenen Gebäude wurde das ehemalige Schalthaus des Kraftwerkes renoviert und dient bereits seit 1925 einer Betonfertigteilfirma als Bürogebäude. 1916 vom Architekten Ludwig Müller – einem Schüler Otto Wagners – errichtet, gilt es heute als eines der letzten eindrucksvollen Beispiele damaliger Industriearchitektur. Ein weiterer Teil des Areals in der Nähe der heutigen Autobahnabfahrt Wöllersdorf wurde mit Siedlungshäusern bebaut.

Im Ostteil, Richtung Flugplatz Wiener Neustadt-West, befinden sich seit 1992 innerhalb eines kleinen Föhrenwaldes die modernen Kasernen- und Trainingsanlagen der österreichischen Antiterror-Einheit Einsatzkommando Cobra. Das übrige, dazwischenliegende Gelände ist von Gestrüpp bewachsenes, von Schützengräben, Granat- und Bombentrichtern zerfurchtes Ödland. Teilweise sind auch noch die überwachsenen Grundmauern von Gebäuden zu sehen. An einigen Stellen wird Schotter abgebaut.

Nordöstlich von Wiener Neustadt zeugt noch die gut erhaltene Ruine des Pulverturms von den sich ehemals weit ausbreitenden Produktionsstätten.

Am 12. Februar 1974 wurde zum 40. Jahrestag des Februaraufstandes ein Mahnmal zum Gedenken an die Inhaftierten im Anhaltelager errichtet.


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