Fischerstechen

Fischerstechen

Mit Fischerstechen wird ein alter Fischerbrauch bezeichnet. Es stellt einen Wettkampf zwischen zwei Mannschaften dar, die auf (Ruder-) Booten gegeneinander antreten. Ziel ist es in der Regel, die Mitglieder der anderen Mannschaften mit Hilfe eines Speers von ihren Booten ins Wasser zu stoßen. Ein bekanntes und sehr altes Fischerstechen findet in Ulm statt. Der Brauch findet sich heute jedoch auch in anderen deutschen Städten und Regionen. Ähnliche Wettkämpfe werden im (europäischen) Ausland und hier insbesondere in Frankreich veranstaltet.

Inhaltsverzeichnis

Fischerstechen in Ulm

Das Fischerstechen in Ulm am 26. Juni 1865
Das Ulmer Fischerstechen beginnt mit einem Festzug
Fischertanz auf dem Ulmer Kornhausplatz
Das Fischerstechen in Ulm am 19. Juli 2009

Das Ulmer Fischerstechen dürfte ins 14./15. Jahrhundert zurückreichen. Es lässt sich aber erst 1545 in den Ratsprotokollen belegen. Seit 1662 wurde das zunächst im Frühjahr stattfindende Fischerstechen regelmäßig am Dienstag nach dem Schwörmontag veranstaltet. Einer Lokalsage zufolge beobachteten zwei Ulmer Fischer ein Ritterturnier, das die in Ulm ansässigen Mönche des Klosters Reichenau veranstalteten. Die beiden meinten, dass sie das auch könnten, wobei sie dann mangels Pferden mit ihren Zillen gegeneinander starteten.

Heute findet es alle vier Jahre, bei besonderen Ulmer Anlässen auch in drei- bzw. fünfjährigem Abstand am zweit- und drittletzten Sonntag im Juli statt. Am Vormittag ziehen traditionell die Mitglieder des Ulmer Schiffervereins durch die Ulmer Innenstadt, wobei an ausgewählten zentralen Plätzen zu schlichter Trommelmusik jeweils die historischen Tänze der Fischerzunft aufgeführt werden. Bei dem Umzug wird auch die Ulmer „Stadthymne“, der „Fischermarsch“, gespielt. An diesem Umzug nehmen unter anderem teil: Weißfischer, Zillenfahrer, Kirchweihjungfern, Fahnen- und Speerträger, die Fischerfrauen, Ulmer Stadtsoldaten sowie die Ulmischen Freireiter, alle gekleidet nach der Art der mittelalterlichen Fischer- und Schifferzunft (sowohl Alltags- als auch festliche Kleidung). Im Festzug mit dabei sind als wichtigste Gruppe die 15 Stecherpaare, die am Nachmittag beim eigentlichen Fischerstechen gegeneinander antreten werden.

Das eigentliche Stechen findet vor Tausenden von Zuschauern am Nachmittag auf der Donau als Turnier nach strengen und komplizierten Regeln statt. Dabei fährt bei jeder Paarung je eine Zille vom Ulmer und vom Neu-Ulmer Ufer ab. Diese Holzboote sind rund zehn Meter lang und einen Meter breit. Die Stecher stehen am hinteren Ende der Zille auf dem Standplatz, drei Fahrer bewegen eine Zille, der vordere und der hintere steuern, während der mittlere für die nötige Geschwindigkeit sorgt. Die gegeneinander fahrenden, ihrer Rolle entsprechend kostümierten Stecher stellen Figuren dar, in denen sich die Geschichte des Ulmer Fischerstechens und der Zeitgeist verschiedener Epochen widerspiegelt. Vor allem aber leben die Ulmer Geschichte und die unzähligen Sagen um Ulm und um Ulm herum in ihnen weiter. Dabei gibt es 14 feste Paare mit 28 Figuren sowie ein von Sonntag zu Sonntag wechselndes Überraschungspaar: zwei Gegenspieler aus dem aktuellen Zeitgeschehen. Diese 15 Paare treffen zunächst in der Hauptrunde aufeinander.

Es gilt, „trocken“ zu bleiben und nicht „nass“ zu werden: Ein Stecher gilt als „nass“ und somit nicht mehr als „trocken“, wenn er ins Wasser fällt, vom Standplatz in die Zille tritt, seinen Speer verliert, nach dem Speer des Gegners greift, durch unfaires Handeln seinen eigenen Sturz verhindert oder den des Gegners provoziert. Der Zunftmeister und das Schiedsgericht entscheiden in Zweifelsfällen, ob ein Stecher trocken geblieben ist. Der Speer ist ca. 2,80 Meter lang, an der Spitze durch eine gepolsterte Scheibe entschärft und am anderen Ende mit einem gerundeten Querholz versehen. Dieses wird an die Schulter gepresst und dient so zur Stabilisierung des Speers. Es gibt Hauptrunden, Zwischenrunden und das Finale. Da das Ulmer Fischerstechen an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen stattfindet, stechen nach dem Tagesfinale am zweiten Sonntag die beiden Tagessieger um den Gesamtsieg.

Ausrichter des Ulmer Fischerstechens ist der Ulmer Schifferverein e.V. als Nachfolgeorganisation der Ulmer Schiffer- und Fischerzunft. Die Teilnehmer sind hauptsächlich Nachfahren von Angehörigen dieser Zünfte. Der Personenkreis, welcher am Stechen teilnehmen darf, wird streng nach überlieferten Regeln ausgewählt. Veranstalter ist die Stadt Ulm. Das nächste Fischerstechen, die Umzüge und die damit verbundenen Fischertänze finden am 22. Juli 2013 statt.

Weitere Fischerstechen

Fischerstechen in Agde, Frankreich
Fischerstechen in Frankfurt a.M., Mainfest
  • Das Cannstatter Fischerstechen findet alle zwei Jahre Ende Juni auf dem Neckar statt
  • Das Ketscher Fischerstechen
  • Das Hallenser Fischerstechen im Rahmen des Laternenfestes
  • Das traditionelle Fischerstechen in Worms im Rahmen des Backfischfestes
  • Das Fischerstechen in Bamberg im Rahmen der Sandkerwa am letzten vollen Wochenende im August
  • Das traditionelle Fischerstechen in Bad Kreuznach
  • Das seit 1980 ausgetragene Fischerstechen auf dem Natursee in Inneringen (Stadtteil von Hettingen)
  • Das seit 1982 alle 4 Jahre stattfindende Fischerstechen in Türkenfeld wird von der ansässigen Feuerwehr ausgerichtet
  • Das Fischerstechen (französisch: les joutes) in Agde
  • Das Fischerstechen in Sète
  • Das Fischerstechen in Seligenstadt findet alle 5 Jahre auf dem Main statt.
  • Das traditionelle Fischerstechen in Seehausen am Staffelsee, jedes Jahr am 15. August.
  • Das traditionelle Fischerstechen in Langenargen am Bodensee, das jedes Jahr seit 1932 durch den Turnverein (Abt. Handball) und die Berufsfischer durchgeführt wird.
  • In Nürnberg im Rahmen des Altstadtfestes
  • Das traditionelle Fischerstechen in Seeshaupt am Starnberger See findet jährlich unterhalb der St. Michaels Kirche statt
  • Das traditionelle Fischerstechen in Friedrichshafen, jedes Jahr am Seehasenfest ausgetragen seit 1952
  • Das traditionelle Fischerstechen in Eddersheim (Hattersheim am Main) im Rahmen des jährlich stattfindenden Fischerfest
  • Das traditionelle Fischerstechen in Gernsheim findet jährlich beim Rheinischen Fischerfest statt
  • Das historische Fischerstechen in Frankfurt am Main im Rahmen des traditionellen Mainfestes wird vom DLRG veranstaltet
  • Das Fischerstechen in Besigheim beim Winzerfest seit 1999 alle 2 Jahre
  • Das Fischerstechen in Iznang findet alle 3 Jahre im Untersee (Bodensee) statt
  • Das Fischerstechen in Neuhaus am Inn findet seit 2009 jährlich zum traditionellen Grenzlandfest statt. Es treten Vereine aus Deutschland und Österreich gegeneinander an.


Literatur

  • Nachricht vom Fischerstechen in Ulm, in: Schwäbisches Archiv, 1. Band, 4. Stück, 1790, S. 527-535 (Digitalisat)

Weitere Ulmer Traditionen am Schwörwochenende

Weblinks

 Commons: Fischerstechen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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  • Fischerstechen — Fischerstechen, ein Kampfspiel zu Wasser, bei dem die mit langen hölzernen Spießen bewaffneten Kämpfer, die an den äußersten Enden leichter Kähne stehen, sich gegenseitig aus dem Gleichgewicht zu bringen suchen, so daß der Überwundene ins Wasser… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Fischerstechen — Fị|scher|ste|chen 〈n.; s; unz.〉 Kampfspiel auf dem Wasser, bei dem die in Kähnen stehenden Kämpfer mit langen Stangen einander aus dem Gleichgewicht zu bringen suchen * * * Fị|scher|ste|chen, das; s, : (in manchen Gegenden noch lebendiger)… …   Universal-Lexikon

  • Fischerstechen, das — Das Físcherstếchen, des s, plur. ut nom. sing. ein festliches Spiel der Fischer an einigen Orten, da sie einander mit Stangen von den Kähnen stechen, d.i. in das Wasser stoßen. Ein Fischerstechen halten …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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