- Flavius Philostratos
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Flavius Philostratos (* um 165/170; † zwischen 244 und 249) ist der bekannteste von vier als Philostratos von Lemnos bezeichneten griechischen Sophisten, die im 2. und 3. Jahrhundert lebten. In der Suda, einer byzantinischen Enzyklopädie, sind drei der vier angeführt, wobei Flavius Philostratos als "der Zweite" bezeichnet wird.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Flavius Philostratos wurde um 165/170 geboren. Seine Familie stammte von der Insel Lemnos, wo sie über Besitzungen verfügte. Er scheint zumindest einen Teil seiner Jugend dort verbracht zu haben. Sein Vater hieß Philostratos Veros und besaß – wie damals alle Lemnier − das athenische Bürgerrecht. In Athen erhielt Flavius Philostratos seine Ausbildung. Sein Lehrer war Proklos von Naukratis; wahrscheinlich studierte er außerdem auch bei Damianos von Ephesos, Hippodromos von Larissa (Hippodromos von Thessalien) und Antipatros von Hierapolis (Publius Aelius Antipater). Der Suda zufolge machte er in Athen und Rom als Redner und Lehrer Karriere. Möglicherweise ist er mit dem Lucius Flavius Philostratus identisch, der in drei Inschriften als prominente Athener Persönlichkeit erscheint. In einer der Inschriften, die aus dem ersten Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts stammt, wird Lucius Flavius Philostratus als Befehlshaber der Hopliten bezeichnet; dieses Amt war damals nicht mehr militärisch, sondern es handelte sich um einen für die öffentliche Lebensmittelversorgung zuständigen ranghohen Beamten. Wahrscheinlich ist Philostratos "der Zweite" mit dem Sophisten Flavius Philostratos gleichzusetzen, den die Stadt Athen mit einer Statue in Olympia ehrte.
Um 205/207 fand Philostratos in Rom Zugang zum Hof des Kaisers Septimius Severus, wo er die Gunst der Kaiserin Julia Domna erlangte. Anscheinend pflegte er die kaiserliche Familie auf Reisen zu begleiten; unter Caracalla ist er 212 oder 213 in Gallien in der Umgebung des Kaisers bezeugt, vielleicht war er auch beim Orientfeldzug Caracallas 214–217 in dessen Nähe. Nach dem Tod Julia Domnas (217) zog er sich wohl nach Athen zurück; dort verbrachte er offenbar seine letzten Lebensjahre als Rhetoriklehrer. Er starb der Suda zufolge in der Regierungszeit des Kaisers Philippus Arabs (244–249).
Flavius Philostratos war mit einer Frau namens Aurelia Melitine verheiratet und hatte mit ihr zwei Söhne, von denen einer – ebenso wie weitere Verwandte – senatorischen Ranges war.
Werke
Philostratos schrieb in griechischer Sprache folgende Werke:
- eine Lebensbeschreibung des Neupythagoreers Apollonios von Tyana in acht Büchern, die Philostratos im Zeitraum 217–238 vollendete. Damit erfüllte er einen Auftrag der damals bereits verstorbenen Kaiserin Julia Domna. Seine Darstellung hat das Bild des Apollonios bis in die Gegenwart geprägt. Sie enthält zwar Informationen aus älteren, verlorenen Schriften, ist aber romanhaft angelegt, und ihre Glaubwürdigkeit wird von der modernen Forschung in vieler Hinsicht bestritten. Ihre chronologischen Angaben weichen stark von der Wirklichkeit ab, und eine wichtige Quelle, auf die sich Philostratos beruft, das Tagebuch des Damis, ist eine literarische Fiktion. Ein zentrales Anliegen des Philostratos ist es, Apollonios nicht als Magier, sondern als weisen Philosophen erscheinen zu lassen, der die Welt von Spanien bis Äthiopien und Indien bereist und dem tyrannischen Kaiser Domitian furchtlos entgegentritt.
- "Lebensbeschreibungen der Sophisten" (Bíoi sophistōn) in zwei Büchern, 242/243 dem Kaiser Gordian III. gewidmet.[1] Das Werk enthält 59 Biographien, von denen die meisten bedeutende griechische Sophisten der römischen Kaiserzeit zum Thema haben, die im Zeitraum von Kaiser Nero bis zur Gegenwart des Autors lebten - eine Epoche, für die Philostratos den Begriff der "Neuen" oder "Zweiten" Sophistik prägte. Daneben werden auch zehn "klassische" Sophisten des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. sowie acht Philosophen, die Philostratos zu den Sophisten zählte, vorgestellt. Das Werk ist als kultur- und sozialgeschichtliche Quelle von hohem Wert.
- "Über die Gymnastik" (Gymnastikós), eine historische und protreptische Darstellung der griechischen Athletik und insbesondere der Olympischen Spiele. Dieses Werk vollendete Philostratos wahrscheinlich nach 219. Seine Verfasserschaft ist nicht gesichert, aber sehr wahrscheinlich.
- "Über Heroen" (Hērōikós), ein nach 213 entstandener Dialog zwischen einem phönizischen Matrosen und einem Weinhändler. Die Zuschreibung an Philostratos ist plausibel, aber nicht gesichert. Der Weinhändler berichtet von seiner Begegnung mit Geistern von Helden des Trojanischen Krieges. Dieser Rahmen gestattet es dem Autor, eine von Homers Ilias abweichende Darstellung der mythischen Vorgänge zu bieten; an einer Stelle ("Gesang des Achilleus") fügt er sogar eigene Verse ein.
- "Bildbeschreibungen" (Eikónes), eine Sammlung von Beschreibungen von Gemälden meist mythischen Inhalts, die sich in einer Galerie in einem Vorort von Neapel befanden. Ob Philostratos "der Zweite" tatsächlich der Verfasser ist, ist unsicher. Außer der ihm zugeschriebenen Sammlung von Bildbeschreibungen gibt es noch eine weitere, deren Verfasser ein anderer, jüngerer Philostratos war, der sich als Enkel des Autors der ersten Sammlung bezeichnet.
- eine kurze Abhandlung (Dialéxis) über das Verhältnis von Natur und Kultur, die als Dialexis II bezeichnet wird. Eine andere Abhandlung (Dialexis I) handelt vom Briefstil und stammt wohl von einem gleichnamigen Neffen des Philostratos. Der Suda zufolge schrieb Philostratos "der Zweite" noch weitere Abhandlungen; offenbar stellte er seine Abhandlungen (Dialéxeis) in einer Sammlung zusammen.
- eine Sammlung von 73 Briefen, darunter 58 Liebesbriefe. Die Namen der jungen Empfänger bzw. Empfängerinnen der Liebesbriefe bleiben bis auf drei ungenannt. Von den nichterotischen Briefen, deren Echtheit teilweise unsicher ist, ist einer (Brief 73) an die Kaiserin Julia Domna gerichtet. Darin verteidigt Philostratos die Sophisten: Platon habe sie nicht beneidet, sondern von ihnen gelernt und ihnen nachgeeifert; die Kritik Plutarchs an den Sophisten sei abzuweisen.
- "Nero" (Nérōn), ein Dialog, in dem sich der stoische Philosoph Gaius Musonius Rufus mit einem Gesprächspartner namens Menekrates über das gescheiterte Vorhaben Kaiser Neros, den Isthmus von Korinth zu durchstechen, unterhält. Ferner ist von Neros Griechenlandreise, seinem künstlerischen Ehrgeiz und seinem Muttermord die Rede. Die Suda schreibt das Werk einem anderen Philostratos zu, doch stammt es wahrscheinlich von Philostratos "dem Zweiten".
- Die Suda schreibt Philostratos "dem Zweiten" auch Epigramme zu. Nur eines davon kann mit einiger Wahrscheinlichkeit identifiziert werden. Es war für eine Statue oder bildliche Darstellung des Telephos bestimmt und ist in der Anthologia Planudea des Maximus Planudes überliefert (Nr. 110).
Ausgaben und Übersetzungen
- Briefe
- Allen Rogers Benner/Francis H. Fobes (Hrsg.): The Letters of Alciphron, Aelian and Philostratus. Harvard University Press, Cambridge (Mass.) 1979, ISBN 0-434-99383-2 (Nachdruck der Ausgabe von 1949; enthält S. 385–545 den griechischen Text mit englischer Übersetzung)
- Dialexis II
- Philostratos: Dialexis 2. In: Ewen Bowie/Jaś Elsner (Hrsg.): Philostratus. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-82720-1, S. 356–357 (griechischer Text), 42–43 (englische Übersetzung)
- Gymnasticus
- Julius Jüthner (Hrsg.): Philostratos über Gymnastik. Grüner, Amsterdam 1969 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1909; kritische Edition mit Übersetzung und Kommentar)
- Heroicus
- Ludo de Lannoy (Hrsg): Flavii Philostrati Heroicus. Teubner, Leipzig 1977 (kritische Edition)
- Andreas Beschorner (Hrsg.): Helden und Heroen, Homer und Caracalla. Levante editori, Bari 1999 (enthält den griechischen Text der kritischen Edition von Lannoy mit deutscher Übersetzung und Kommentar)
- Peter Grossardt: Einführung, Übersetzung und Kommentar zum Heroikos von Flavius Philostrat. 1. Teilband: Einführung und Übersetzung. 2. Teilband: Kommentar. Schwabe, Basel 2006, ISBN 978-3-7965-2203-1
- Imagines
- Otto Schönberger (Hrsg.): Philostratos: Die Bilder. 2. Auflage, Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2359-5 (griechischer Text mit deutscher Übersetzung)
- Vita Apollonii
- Vroni Mumprecht (Hrsg.): Philostratos: Das Leben des Apollonios von Tyana. Artemis-Verlag, München 1983, ISBN 3-7608-1646-0 (griechischer Text mit deutscher Übersetzung)
- Vitae sophistarum
- Wilmer Cave Wright (Hrsg.): Philostratus and Eunapius: The Lives of the Sophists. Harvard University Press, Cambridge (Mass.) 1989, ISBN 0-674-99149-4 (Nachdruck der Ausgabe von 1921; griechischer Text mit englischer Übersetzung)
Literatur
- Allgemein
- Graham Anderson: Philostratus. Biography and Belles Lettres in the Third Century A.D. Croom Helm, London 1986, ISBN 0-7099-0575-0
- Ewen Bowie / Jaś Elsner (Hrsg.): Philostratus. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-82720-1
- Heroicus
- Ellen Bradshaw Aitken / Jennifer K. Berenson Maclean (Hrsg.): Philostratus's Heroikos. Religion and Cultural Identity in the Third Century C.E. Society of Biblical Literature, Atlanta 2004, ISBN 1-58983-091-1
- Vita Apollonii
- Matthias Dall'Asta: Philosoph, Magier, Scharlatan und Antichrist. Zur Rezeption von Philostrats Vita Apollonii in der Renaissance. Winter, Heidelberg 2008
- Jaap-Jan Flinterman: Power, Paideia & Pythagoreanism. Greek Identity, Conceptions of the Relationship between Philosophers and Monarchs, and Political Ideas in Philostratus' Life of Apollonius. Gieben, Amsterdam 1995, ISBN 90-5063-236-X
- Thomas Schirren: Philosophos Bios. Die antike Philosophenbiographie als symbolische Form. Studien zur Vita Apollonii des Philostrat. Winter, Heidelberg 2005, ISBN 3-8253-5118-1
- Vitae sophistarum
- Susanne Rothe: Kommentar zu ausgewählten Sophistenviten des Philostratos. Die Lehrstuhlinhaber in Athen und Rom. Julius Groos, Heidelberg 1989, ISBN 3-87276-628-7
Weblinks
- Jona Lendering: Artikel. In: Livius.org (englisch)
- Bildbeschreibungen: Dionysos-Szenen (Hans Zimmermann)
Anmerkungen
- ↑ Zur Datierung siehe Christopher P. Jones: Philostratus and the Gordiani. In: Mediterraneo Antico 5, 2002, S. 759–767; Bowie/Elsner (2009) S. 29. Nach einer älteren Hypothese entstand das Werk 237/238 und war dem 238 erhobenen Kaiser Gordian I. gewidmet.
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