Franz Rademacher

Franz Rademacher

Franz Rademacher (* 20. Februar 1906 in Neustrelitz; † 17. März 1973 in Bonn) war ein deutscher NS-Diplomat. Er war als Leiter des „Judenreferates“ des Auswärtigen Amtes mitverantwortlich für Planung und Realisierung des Holocausts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn eines Lokomotivführers studierte Rechtswissenschaften und arbeitete ab 1932 als Gerichtsassessor. Zwischen 1932 und 1934 war er Mitglied in der SA, und ab März 1933 der NSDAP.

Im Dezember 1937 trat er in den diplomatischen Dienst und wurde zwischen 1938 und 1940 Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Uruguay. Im März 1940 wechselte er ins Auswärtige Amt, wo er im Range eines Legationsrates die Leitung des „Judenreferats“ übernahm. Referent in seinem Referat war Eberhard von Thadden.[1] In seiner neuen Dienststelle war Rademacher maßgeblich am Entwurf des Madagaskarplanes beteiligt, der die Deportation aller im Deutschen Reich lebenden Juden vorsah. Deshalb stand er in ständigem Kontakt mit dem Referat von Adolf Eichmann im Reichssicherheitshauptamt.

Zu seinen Kriegsverbrechen zählen die im Oktober 1941 angeordneten Massendeportationen und Exekutionen serbischer Juden in Belgrad. Als Rademacher nach Belgrad fuhr, um mit den Vertretern anderer Behörden und dem Reichssicherheitshauptamt diese Maßnahmen gegen die Juden zu koordinieren, gab er bei seiner Abrechnung der Reisekosten als Grund für die Dienstreise an: „Liquidation von Juden in Belgrad.“[2] Zudem war er mitverantwortlich für die Deportation belgischer, holländischer und französischer Juden.

In einer von Rademacher verfassten und von Luther unterzeichneten Vortragsnotiz vom 4. Dezember 1941 für Ernst von Weizsäcker heißt es:

„Die Gelegenheit dieses Krieges muss benutzt werden, in Europa die Judenfrage endgültig zu bereinigen. Die zweckmäßigste Lösung hierfür wäre, alle europäischen Staaten dazu zu bringen, die deutschen Judengesetze bei sich einzuführen und zuzustimmen, dass die Juden unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit den Maßnahmen des Aufenthaltslandes unterworfen werden, während das Vermögen der Juden für die Endlösung zur Verfügung gestellt werden sollte.“[3]

Am 6. März 1942 nahm er an einer auf die Wannseekonferenz folgende Besprechung zur „Endlösung der Judenfrage“ teil.[4] In zwei an die Unterstaatssekretäre Martin Luther, Friedrich Gaus und Ernst Woermann und den Staatssekretär Ernst von Weizsäcker gerichteten Schreiben vom 7. März und vom 11. Juni 1942 informierte er diese darauf über „Künftige Maßnahmen gegen Mischlinge I. und II. Grades”[5] und die „Frage der Sterilisierung der 70 000 Mischlinge”.[6] Am 20. März desselben Jahres schrieb er einen Eilbrief an Adolf Eichmann, in dem er die Zustimmung des Auswärtigen Amtes erteilte: „Seitens des Auswärtigen Amtes bestehen keine Bedenken gegen die geplante Abschiebung von 6000 Juden französischer Staatsangehörigkeit bzw. staatenlose Juden nach dem Konzentrationslager Auschwitz (Oberschlesien).“[7]

Rademacher, der zuletzt den Rang eines SS-Obersturmführers hatte,[4] wurde als Mitarbeiter von Unterstaatssekretär Martin Luther nach dessen Sturz im April 1943 zum Rücktritt gezwungen. Bis zum Kriegsende tat er Dienst als Marineoffizier.

Nach Kriegsende

1945 – bei Kriegsende – konnte Rademacher zunächst mit Erfolg untertauchen, doch bereits im September 1947 gelang es den Amerikanern, ihn zu verhaften. Ursprünglich sollte gegen ihn Anklage im Wilhelmstraßen-Prozess erhoben werden, doch durch eine Erweiterung der Anklage auf Mitglieder anderer Dienststellen mit Sitz in der Wilhelmstraße wurde Rademacher von der Liste gestrichen.[8] Er wurde kurze Zeit darauf irrtümlich freigelassen. Am 17. März 1952 wurde Rademacher wegen Beihilfe zum Totschlag an 1300 Juden vom Landgericht Nürnberg-Fürth zu 3 Jahren und 5 Monaten Haft verurteilt, aus der er im Juli – unter Anrechnung seiner 29 Monate Untersuchungshaft – vorläufig entlassen wurde.[9]

Im August 1952 gelang es einer neonazistischen Organisation, Rademacher mit einem spanischen Pass auf den Namen „Tomé Roselle“ nach Syrien zu schmuggeln.[4] Dort wurde er 1962 von dem BND-Mitarbeiter Hans Rechenberg für den deutschen Auslandsnachrichtendienst angeworben und 1963 wegen des Vorwurfs der Spionage verhaftet, doch wegen Krankheit bereits im Oktober 1965 begnadigt und freigelassen. Nachdem Rademacher im September 1966 nach Deutschland zurückgekehrt war, wurde er am 2. Mai 1968 vom Landgericht Bamberg zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt,[4] die allerdings bereits als verbüßt galt. Im Januar 1971 ordnete der Bundesgerichtshof einen erneuten Prozess an, der jedoch nicht mehr eröffnet werden konnte, da Rademacher zwischenzeitlich im März 1973 starb.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. München 1970, S. 292.
  2. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 15; siehe auch Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24. Oktober 2010 sowie online Das Auswärtige Amt und der Holocaust. In: FAZ.NET vom 23. Oktober 2010
  3. Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. München 2010, S. 186
  4. a b c d Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 476.
  5. Franz Rademacher: "Künftige Maßnahmen gegen Mischlinge I. und II. Grades". Auswärtiges Amt, 11. Juni 1942, abgerufen am 27. April 2010 (PDF).
  6. Franz Rademacher: "Aufzeichnung". Auswärtiges Amt, 7. März 1942, abgerufen am 27. April 2010 (PDF).
  7. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 476.
  8. Dirk Pöppmann: Robert Kempner und Ernst von Weizsäcker im Wilhelmstraßenprozess. Zur Diskussion über die Beteiligung der deutschen Funktionselite an den NS-Verbrechen. S. 173. In: Irmtrud Wojak, Susanne Meinl: Im Labyrinth der Schuld. Frankfurt/M 2003, ISBN 3-593-37373-4
  9. dpa: Drei Jahre und fünf Monate für Rademacher. In: FAZ. 18. März 1952, ISSN 0174-4909. via FAZ vom 12. November 2010, S. 10

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