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Ein Turbofan ist ein Strahltriebwerk mit mindestens zwei Wellen, teilweise getrennten Luftströmen und einer stark vergrößerten ersten Verdichterstufe. Man spricht wegen des zweiten Luftstroms auch vom Zweistrom-Strahltriebwerk oder Mantelstromtriebwerk, russische Hersteller sprechen vom Nebenstrom-Triebwerk (Bypass Engine).
Weist das Triebwerk ein besonders hohes Nebenstromverhältnis auf, so spricht man von einem Fan- (deutsch Gebläse) oder Bläsertriebwerk. Im Vergleich zu anderen Strahltriebwerksarten hat es durch den vorn befindlichen Fan einen größeren Durchmesser.
Praktisch alle strahlgetriebenen Flugzeuge werden mit Turbofans ausgerüstet.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsweise
Meistens ist der Bläser vor dem Verdichter angeordnet. In seltenen Fällen, etwa dem General Electric CJ805-23 und dem General Electric CF700, befindet sich der Bläser im hinteren Bereich des Triebwerks. Diese Anordnung wird Aft-Fan genannt. Die Funktionsweise ist jedoch grundsätzlich gleich.
Bei den meisten Triebwerken ist die erste Stufe der Gasturbine nur Teil des Verdichters, die den Luftstrom aufteilt in einen
- inneren Luftstrom (Primärstrom), der in die Gasturbine gelangt (mit Verdichter, Brennkammer und Turbine), und einen
- äußeren Luftstrom (Nebenstrom oder Sekundärstrom), der durch den Fan außen an der Turbine vorbeigeführt wird. Er wirkt dabei wie ein ummantelter Propeller und erzeugt etwa 80 % des Vortriebs.
Charakteristisch für einen Turbofan ist das Nebenstromverhältnis. Das ist das Verhältnis der Luftmenge, die außen durch den Fan strömt, zu der Luftmenge, die durch die Gasturbine strömt. Moderne Turbofans in Zivilflugzeugen haben ein Nebenstromverhältnis (engl. Bypass ratio) von 80:20 = 4 bis 90:10 = 9. Sekundär- und Primärstrom zusammen bilden den Gesamtschub. Eine extreme Auslegung zeigt das Kusnezow NK-93-Triebwerk, bei dem eine Propellerturbine auf zwei gegenläufigen, gekapselten Propellern arbeitet. Hier wird bereits jetzt ein Bypassverhältnis von 16,6 (etwa 94,3:5,7) erreicht.
Es wird zwischen Niederdruck- (ND) und Hochdruck- (HD) Kompressor sowie Niederdruck- und Hochdruckturbine unterschieden. Generell ist die dem Triebwerk über die Turbine entzogene Schubenergie größer als bei einem Einstrom-Strahltriebwerk, da mit ihr der Fan angetrieben werden muss.
Der Fan hat die Aufgabe, große Luftmassen anzusaugen und zum Kompressor und in den Nebenstrom zu leiten. Aufgrund des großen Fandurchmessers (beispielsweise beim Rolls-Royce Trent 900 2,95 m) kann dieser nicht mehr über eine Welle mit dem Kompressor und der Turbine gekoppelt werden, da die Schaufelspitzen eine zu hohe Geschwindigkeit erreichen würden. Daher werden entweder ein Untersetzungsgetriebe oder zwei bis drei Wellen benutzt, um die beiden Komponenten mit unterschiedlichen Drehzahlen betreiben zu können. Realisiert wird dies durch eine verschachtelte Wellenanordnung: Ein Rohrprofil als Primär- und ein Rundprofil als Sekundärwelle. Die Sekundärwelle führt durch die Primärwelle und ist länger als diese. Neben einer unterschiedlichen Drehzahl ist auch eine entgegengesetzte Drehrichtung möglich, wodurch die zu transportierenden Luftmassen stabilisiert werden. Üblich ist es, die unterschiedlichen Drehrichtungen durch die Veränderung der Schaufelwinkel von Kompressor und Turbine zu erreichen.
In Turbofan-Triebwerken der Rolls-Royce Trent-Serie von Rolls-Royce befinden sich drei Wellensysteme. Dies ermöglicht eine weitere Unterteilung von Kompressor und Turbine.
Als Getriebefan (engl. Geared Turbofan) werden Turbofan-Triebwerke mit zwei oder drei Wellen bezeichnet, die ein Untersetzungsgetriebe (etwa 3:1 bis 4:1) zwischen Fan und Niederdruckturbine besitzen. Dadurch können beide im für sie optimalen Drehzahlbereich arbeiten, was Treibstoff spart und den Geräuschpegel reduziert. Die zusätzliche Masse des Getriebes wird durch eine geringere Masse der schnelllaufenden Niederdruckturbine wettgemacht, sodass ein Getriebefan nicht schwerer sein muss. Ein derartiges Triebwerk gibt es in der Schubklasse für Geschäftsreiseflugzeuge seit 1972 mit dem Honeywell TFE731. Die ersten Versuche, diese Technologie für größere Antriebe anzuwenden, wurden Mitte der 1980er-Jahre mit dem 578-DX von Pratt & Whitney zusammen mit Allison gemacht. 1986 entwickelte IAE mit dem SuperFan ein entsprechendes Triebwerk für den A340, das aber aufgrund von technischen Risiken nicht zu Ende entwickelt wurde. Bei Pratt & Whitney hatten 1992 bzw. 2001 wieder Getriebefans (der Advanced Ducted Prop bzw. Advanced Technology Fan Integrator) mit 236 kN bzw. 56 kN Schub ihren Erstlauf, die jedoch beide nie in Serie gingen. Da diese Technik eine Treibstoffverbrauchssenkung von über 10 % gegenüber jetzigen Triebwerken ermöglicht, entwickeln P&W und MTU trotz dieser Misserfolge zur Zeit (2008) ein Triebwerk mit dieser Technologie auf Basis des PW6000 für die Bombardier CSeries (ab 2013) und die Nachfolger von A320 und B737. Der Prototyp dieses Triebwerkes hatte am 11. Juli 2008 seinen Erstflug und soll unter dem Namen Pratt & Whitney PW1000G PurePower vermarktet werden.[1]
Mit Zweistromtriebwerken kann bei Geschwindigkeiten zwischen 600 und 850 km/h bei gesenkten Kosten durch geringeren Kraftstoffverbrauch ein hoher Luftdurchsatz erzielt werden. Die Luft des Sekundärstroms kann entweder direkt ausgestoßen oder dem Primärstrom beigefügt werden. Der Vorteil der zweiten Vorgehensweise ist die Bildung einer Pufferschicht zwischen den heißen Abgasen und der Umgebungsluft, was die Lärmemission des Abgasstrahls verringert.
Heute werden fast ausschließlich Zweistromtriebwerke genutzt, da sie einen höheren Wirkungsgrad und höhere Sicherheit bieten als Einstromtriebwerke. Je nach Verwendungszweck ist das Nebenstromverhältnis unterschiedlich. Für hohe Geschwindigkeiten bis in den Überschallbereich, wie beispielsweise beim EJ200 für den Eurofighter Typhoon steht die Schubenergie im Vordergrund, weswegen das Nebenstromverhältnis gering ist. Bei zivilen und militärischen Passagier- und Transportmaschinen stehen niedrige Verbrauchs-, Verschleiß- und Lärmwerte im Vordergrund, weswegen hier das Nebenstromverhältnis sehr hoch ist.
Nachteilig ist die im Vergleich zu Propellerantrieben größere Gefahr einer Beschädigung durch das Einsaugen fremder Objekte, der so genannte Foreign Object Damage (FOD), wie etwa Vogelschlag. Um diesen zu verhindern, ist auf dem vorderen Teil der Fan-Nabe (Spinner) bei vielen Fluggesellschaften eine weiße Spirale aufgemalt (Spinner Paint), deren Bewegung von Vögeln vermutlich auch bei hoher Drehzahl zu erkennen ist und sie möglicherweise abschreckt. Moderne Triebwerke müssen eine Resistenz gegenüber bis zu 1,8 kg schweren Vögeln aufweisen. Um die Aspekte der biologischen Flugsicherheit kümmert sich in Deutschland der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr e. V.
Geschichte
Das erste funktionsfähige Zweistromtriebwerk war das Daimler-Benz DB 670 (auch 109-007), dessen erster Prüfstandlauf am 1. April 1943 erfolgte. Das Rolls-Royce Conway (Erstflug 1954 und ursprünglich für die Handley Page Victor konstruiert) stand ebenso wie das Pratt & Whitney JT3D (eigentlich für die Boeing B-52H) 1959 bereit. Beide waren Abwandlungen von Turbojet-Motoren und wiesen ein niedriges Nebenstromverhältnis auf. Sie waren ursprünglich militärische Entwicklungen. Die zivile Zulassung des JT3D erfolgte einige Monate später als beim Conway.
Das russische Solowjow D-20 folgte 1960, war aber von vornherein für die zivile Luftfahrt ausgelegt. Es eröffnete außerdem in der Tupolew Tu-124 den Kurzstreckenverkehr für das Strahltriebwerk.
Die Entwicklung der heute genutzten Turbofantriebwerke mit hohem Nebenstromverhältnis geht auf eine Ausschreibung der USAF für ein Turbofantriebwerk für den Militärtransporter Lockheed C-5 Galaxy zurück, da für dieses über 350 t schwere Langstrecken-Transportflugzeug Turbojet- oder Turbofantriebwerke mit niedrigem Nebenstromverhältnis zu viel Treibstoff verbraucht hätten und zu schwach waren. Den Wettbewerb gewann General Electric mit dem General Electric TF39. Das Pratt & Whitney JT9D basiert auf einem Konkurrenzentwurf für diesen Wettbewerb und wird an der Boeing 747 eingesetzt.
Hersteller
Westliche Hersteller von Zweistromstrahltriebwerken sind
und Kooperationen derselben zu
In Russland stellt Awiadwigatel Bypassmotoren her.
Einzelnachweise
- ↑ FliegerRevue Oktober 2008, S.32-33, Dreh mit Getriebe - Triebwerke der Zukunft
Siehe auch
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