Galut

Galut

Der Begriff Diaspora (griechisch διασπορά diaspora = Verstreutheit) bezeichnet seit dem späten 19. Jahrhundert hauptsächlich religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt verstreut sind. Er kann aber auch einfach eine Minderheitssituation vor allem einer Religionsgruppe bezeichnen.

Inhaltsverzeichnis

Allgemein

Ursprünglich wurden mit „Diaspora“ geschlossene Siedlungen der Juden bezeichnet, die nach dem Untergang des Reiches Juda 586 v. Chr. zunächst im Babylonischen Exil entstanden und sich in den folgenden Jahrhunderten von hier und von Palästina aus ausbreiteten, die jüdische Diaspora. Seit der frühen Neuzeit wird der Begriff auch auf konfessionelle Minderheiten des Christentums bezogen.

Das Wort ist eine Prägung der Septuaginta Deut. 28, 64 u. ö. „du sollst eine Diaspora sein in allen Reichen auf Erden“, wobei diaspora als Euphemismus für „Entsetzen“, oder „Schande“ etc. gewählt wurde.

Heute bezieht sich Diaspora auf

  • die jüdische Diaspora im modernen Sinn – die Juden, die außerhalb des jüdischen Staates Israel leben. Unter Diaspora wird überwiegend das freiwillige und unter Galut (hebr.) das unfreiwillige Exil verstanden (siehe auch Link unten). Es werden traditionell vier Galut unterschieden: das babylonische Exil, das persische Exil, das hellenistische Exil und das im Prinzip bis heute andauernde „edomitische Exil“ (im Römischen Reich und seinen Nachfolgezivilisationen)
  • die christliche Diaspora – christliche Minderheiten vor allem in Ost- und Südostasien; auch die konfessionelle Diaspora (z. B. Katholiken in Nord-, Protestanten in Südeuropa)
  • die afrikanische Diaspora – die Gesamtheit der Afrikaner und ihrer Kulturen, die historisch durch die Sklaverei verstreut wurden
  • die irische Diaspora – die Millionen verstreuter irischer Flüchtlinge in Folge des irischen Kartoffelhungers und politischer Unterdrückung
  • die armenische Diaspora – entstanden durch die Vertreibungen, denen die Armenier im Laufe der Geschichte immer wieder durch verschiedene Eroberer (Perser, Araber, Mongolen, Türken) ausgesetzt waren. Die Überlebenden flohen zunächst in mehrere Gebiete des Nahen Ostens und bildeten später weltweit zahlreiche weitere Diaspora-Gemeinden (vor allem in Amerika und Frankreich)
  • Kroaten, ca. 2,5 Million Kroaten außerhalb Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas infolge wirtschaftlicher Missstände während der politischen Zugehörigkeit Kroatiens zu Österreich-Ungarn und danach Jugoslawien sowie politischer Unterdrückung.
  • die südostasiatische Diaspora – die verstreuten Flüchtlinge der zahlreichen Kriege in Südostasien (Zweiter Weltkrieg, Koreakrieg, Vietnamkrieg)
  • die islamische Diaspora – die muslimische Minderheit in Europa und Nordamerika.
  • die russische Diaspora - ca. 4,4 Millionen Russen in Europa und 4 Millionen in Amerika [1] [2] [3] [4].

Moderne Diaspora

Das 20. Jahrhundert ist als Jahrhundert der Migration durch zahllose Flüchtlingsströme gekennzeichnet, die ihre Ursachen in Krieg, Nationalismus und Rassismus haben. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sahen zahlreiche Flüchtlinge aus Europa, Asien und Nordafrika ihr Heil in Amerika.

Zu den Flüchtlingsethnien zählen u. a.:

Die größte Zahl durch Flucht entwurzelter ethnischer Gruppen befindet sich in Afrika.

Bedeutung

Über die materiellen Probleme hinaus stellt die Diasporasituation die Menschen vor die Frage der kulturellen Identität. Oft betonen und überhöhen sie die Werte ihres Ursprunglandes. Ein Effekt, für den es sogar eine deutsche Redensart gibt: Je weiter von Rom, desto besser die Katholiken.

Freiwillige oder erzwungene Ab- und Ausgrenzung einerseits, Assimilation bis zum Verlust der eigenen Ethnosprache oder Religion andererseits sind die Extreme, zwischen denen Diasporabevölkerungen ihren Weg suchen. Die dabei seit Jahrhunderten gewonnenen Erfahrungen können wertvoll sein für eine Welt, in der kulturelle Vielfalt zur Normalsituation wird.

Insgesamt entwickeln Minderheiten, die lange Zeit nirgends hoffen dürfen, eine Mehrheit zu werden, durchaus spezifische „Politik“-Konzepte; auch gegenüber anderen Minderheiten.

Literatur

  • G. Sheffer: Diaspora Politics. At Home Abroad. Cambridge 2003, ISBN 0-521-81137-6.
  • R. Mayer: Diaspora. Eine kritische Begriffserklärung. Bielefeld 2005, ISBN 3-89942-311-9.

Siehe auch

Weblinks

Referenzen

  1. http://www.inosmi.ru/print/226533.html
  2. http://www.ln.mid.ru/Brp_4.nsf/arh/B6BE784B3E2ABD1343256DF8003AC21C?OpenDocument
  3. http://www.demoscope.ru/weekly/2006/0251/tema02.php
  4. V. G. Makarov; V. S. Christoforov: «Passažiry ‹filosofskogo paroxoda›. (Sud’by intelligencii, repressirovannoj letom-osen’ju 1922g.)». In: Voprosy filosofii Nr. 7 (600) 2003, S. 113-137 [russ.: «Die Passagiere des ‹Philosophenschiffs›. (Die Schicksale der im Sommer/Herbst 1922 verfolgten Intelligenzija)»; enthält eine Liste mit biographischen Angaben zu allen 1922-1923 aus Russland exilierten Intellektuellen].
  5. Serbien-Montenegro.de | Serben in Deutschland

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