Gerhard Riege

Gerhard Riege
Gerhard Riege, 1990

Gerhard Riege (* 23. Mai 1930 in Gräfenroda; † 15. Februar 1992 in Geunitz, Gemeinde Reinstädt[1]) war ein deutscher Rechtswissenschaftler und Politiker (Kulturbund/PDS).

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und wissenschaftliche Tätigkeit

Nach Volksschule und Aufbauschule in Neudietendorf erwarb Riege 1949 sein Abitur in Jena und studierte dort Rechtswissenschaft. Nach dem Staatsexamen 1953 wurde er Assistent an der juristischen Fakultät. Der Promotion 1957 mit der Arbeit „Das Vertretungssystem in den volksdemokratischen Ländern Europas“ folgte sieben Jahre später die Habilitation mit der Arbeit „Die Staatsbürgerschaft der DDR“. 1964 wurde er Dozent, im Folgejahr Professor für öffentliches Recht an der Universität Jena.[2] Bei der Jenenser Hochschulwahl am 23. Februar 1990 wurde Riege dann zunächst als Rektor gewählt, allerdings musste wegen Formfehlern die Wahl wiederholt werden. Riege trat nicht mehr an.[3]

Politik

1946 trat Riege der SED bei und blieb auch nach 1990 Mitglied der PDS. Für den Kulturbund saß er im Geraer Bezirkstag, für die PDS 1990 in der ersten frei gewählten Volkskammer. Im gleichen Jahr zog er über die thüringische Landesliste seiner Partei in den 12. Deutschen Bundestag ein.[2] 1992 erhängte er sich in seinem Garten, nachdem bekannt wurde, dass er von 1954 bis 1960 als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR gearbeitet hatte. Dokumentiert wurden die Kontakte durch eine Verpflichtungserklärung und eine „schmale IM-Akte“ mit vier Berichten.[4] Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Joachim Gauck schätzte Rieges IM-Tätigkeit als „eher bedeutungslos“ ein.[5] Riege konnte sich angeblich an eine Verpflichtungserklärung nicht erinnern,[6] gegenüber der PDS-Fraktion gab er an, dass er an seine Stasi-Mitarbeit nicht mehr gedacht habe.[1] Die Partei machte ihm daraufhin den Vorwurf der „Unaufrichtigkeit“, sein Landesverband distanzierte sich von ihm.[6] Im Abschiedsbrief an seine Frau schrieb er, er habe Angst vor dem Hass, der ihm im Bundestag entgegenschlage „aus Mündern und Augen und Haltung von Leuten“.[7]

Der Suizid löste parteiübergreifend Betroffenheit aus. Beispielsweise erklärte der thüringische Landtagspräsident Gottfried Müller daraufhin in seinem Kondolenzbrief an Rieges Witwe, dass bei der unbedingt nötigen Aufarbeitung der Vergangenheit gerechter, humaner und politisch klüger verfahren werden müsse.[8]

Familie

Riege war verheiratet und hatte drei Kinder.[2]

Veröffentlichungen

  • Die Rolle der Wahlen in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1958
  • Zwei Staaten, zwei Staatsbürgerschaften, Berlin 1967
  • mit Paul Fiedler. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena in der Hochschulreform. Berlin 1969
  • Der Bürger im sozialistischen Staat, Berlin 1973
  • mit Hans-Jürgen Kulke, Nationalität deutsch, Staatsbürgerschaft DDR. Berlin 1979
  • Zur Geschichte und Funktion der politischen und persönlichen Grundrechte in der DDR. Studie, Jena 1984
  • Hrsg., Dokumente zum Thüringer Staatsrecht. 1920–1952. Stuttgart 1991
  • mit Uwe-Jens Heuer, Der Rechtsstaat – eine Legende? Erfahrungen zweier Rechtswissenschaftler 1990/91 in Volkskammer und Bundestag. Baden-Baden 1992

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Neues Maueropfer. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1992 (online).
  2. a b c Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag 12. Wahlperiode, 63. Auflage, Rheinbreitbach 1991, S. 203
  3. Michael Ploenus, Innerer Aufbruch und Reform – Die Wende an der Universität Jena 1988–1991 (PDF) In: die hochschule 1/2002, S. 134ff., abgerufen am 27. April 2009
  4. Udo Grashoff: „In einem Anfall von Depression ...“ Selbsttötungen in der DDR. S. 255 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  5. Dorit Pries: Stasi-Mitarbeiter in deutschen Parlamenten?:die Überprüfung der Abgeordneten auf eine Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR. S. 303 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  6. a b Udo Grashoff: „In einem Anfall von Depression ...“ Selbsttötungen in der DDR. S. 254 (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  7. Gunter Hofmann: Nahe-Sein als Dank. In: Die Zeit, Nr. 9/1992
  8. Wir erleben jetzt einen Hexen-Sabbat. In: Hamburger Abendblatt, 18. Februar 1992

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