- Getto Litzmannstadt
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Das Ghetto Litzmannstadt (auch Ghetto Lodsch) in Łódź, nach dem General und NSDAP-Mitglied Karl Litzmann (1850–1936) benannt, war eines der größten Judenghettos des gesamten „Dritten Reiches“ (neben denen in Warschau und Krakau). Es diente, wie die anderen Ghettos auch, als Zwischenstation jüdischer Bürger vor der Deportation in die Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno), Auschwitz, Majdanek, Treblinka und Sobibor.
Karte vom heutigen PolenInhaltsverzeichnis
Einrichtung des Ghettos
Am 10. Dezember 1939 wurde vom Regierungspräsidenten Friedrich Uebelhoer[1] ein Rundschreiben zur Bildung eines Ghettos in der Stadt Lodsch verschickt. Das Schreiben enthielt Vorschläge zur Lage des Ghettos im Norden der Stadt, zur Abtrennung von dem Rest der Stadt und zur Versorgung der Bewohner.[W 1] Das Schreiben endete mit der Aussage, dass die Errichtung des Ghettos nur eine Zwischenlösung darstellen soll und am Ende „...das Ghetto und die Stadt Lodz von Juden gesäubert...“.[W 2] werden sollten. Im Februar 1940, fünf Monate nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurden durch den deutschen Polizeipräsidenten von Lodsch, SS- Brigadeführer Johannes Schäfer, die im Norden der Stadt gelegenen Viertel Stare Miasto (Altstadt), Baluty und Marysin, alle drei besonders rückständige Stadtteile, in denen 90% der Häuser über keinen Wasseranschluss verfügten, per Dekret zum Ghetto erklärt.
Alle nichtjüdischen Bewohner hatten den Bereich bis zum 30. April des Jahres zu verlassen, und gleichzeitig wurden zu den bereits ansässigen 60.000 Juden weitere 100.000 Lodscher Juden per Zwang einquartiert. Das neue, etwa vier Quadratkilometer[2] große, Judenghetto wurde sogleich mit Stacheldraht und Mauerwerk umgeben, wozu teilweise auch ganze Straßenzüge abgerissen wurden. Von nun an war es den Juden bei Todesstrafe verboten, ohne Erlaubnis das Ghetto zu verlassen. Die Anweisung des Kommandeurs der Schutzpolizei Litzmannstadts Walter Rudolf Keuck vom 19. Mai 1940 sah vor, dass beim Versuch das Ghetto illegal zu Verlassen sofort ohne Vorwarnung zu schießen sei. Dasselbe galt für Personen die beim Schmuggeln angetroffen wurden..[W 3] Für die Kontrolle der Einhaltung dieses Verbotes sorgten an der Ghettogrenze in Wachtürmen postierte bewaffnete SS-Wacheinheiten.
Am 24. Juni 1940 veröffentlichte der Judenälteste Chaim Rumkowski die Bekanntmachung, dass ab dem 28. Juni 1940 nur noch Ghettogeld, Rumkowski sprach von Mark-Quittungen, für Zahlungen im Ghetto verwendet werden darf..[W 4]
Lebensbedingungen
Von Anfang an waren die Lebensbedingungen innerhalb der Ghettomauern unmenschlich: Die Menschen litten unter Unterernährung, starben massenhaft an Krankheiten und viele erfroren im Winter. Teilweise starben die Menschen auf offener Straße. Doch trotzdem wurden immer mehr Juden, vor allem westeuropäische, nach Litzmannstadt deportiert. Leiter des Ghettos war seit Mai 1940 Hans Biebow. Zwischen 1940 und 1944 starben 43.441 Personen innerhalb des Ghettos. Im Mai 1941 waren 20.000 Juden mit Tuberkulose infiziert.[W 5] 1940 gab es im Ghetto 39.559 Kinder, 20.318 Jungen und 19.241 Mädchen, unter 14 Jahren, 1941 kamen weitere 2.538 aus anderen Gegenden hinzu. Bis 1942 wurden noch 347 Kinder innerhalb des Ghettos geboren, in dem Jahre lebten insgesamt nur noch 11.329 Jungen und 10.598 Mädchen im Ghetto Litzmannstadt.[3]
Ausbeutung
Für die Nationalsozialisten stellte die enorme Masse an „Menschenmaterial“ ein großes Arbeitspotential dar: Zwangsarbeiter aus Litzmannstadt waren für die Auftraggeber billig, ja beinahe kostenlos, denn den 5 Reichsmark, die jeder der 70.000 Zwangsarbeiter an Gewinn einbrachte, standen nur 30 Reichspfennig an Arbeitskosten gegenüber. Vor allem Soldatenuniformen, Stiefel, Waffenteile und Munition wurden in Litzmannstadt gefertigt. Durch ihre „kriegswichtige“ Tätigkeit hofften viele Juden, der Deportation entrinnen zu können. Regelmäßig wurde auch Besitz der Juden von den Deutschen beschlagnahmt. Hierbei kam es vor allem zu Beginn des Ghettos zu Kompetenzstreitigkeiten der deutschen Behörden. Während die Wirtschafts- und Ernährungsstelle Ghetto die Güter des Ghettos als ihr Eigentum betrachtete, beschlagnahmten auch verschiedene andere deutschen Stellen Güter des Ghettos. Auch eine Bekanntmachung des Polizeipräsidenten vom Dezember 1939 und ein Rundschreiben des Regierungspräsidenten vom 4. März 1940 änderten daran nichts. So beschlagnahmte die Kriminalpolizei, deren Aufgabe die Verhinderung von Schmuggel war, hauptsächlich Gold und Schmuckgegenstände..[W 6]
Selbstverwaltung
Die deutschen Besatzer delegierten fast die gesamte das Ghetto Litzmannstadt betreffende Organisationsarbeit an ihre eigenen Opfer weiter – von der Zusammenstellung der Transportlisten für die nächsten Deportationen in die Vernichtungslager bis hin zur Errichtung von Schulen, der Verteilung der (dürftigen und minderwertigen) Nahrungsmittelrationen an die Bewohner. Zu diesem Zweck wurde – wie in anderen Ghettos auch – ein Judenrat eingerichtet, der mit den oben genannten Aufgaben betreut wurde. Die Gründung des Judenrates erfolgte am 13./14. Oktober 1940. Chaim Rumkowski war als „Judenältester“ von Litzmannstadt gleichzeitig dessen Leiter.
Deportationslisten
Eine der aufgezwungenen Aufgaben des Judenrates war die Zusammenstellung der Listen für die kommenden Transporte, denn diese betraf unmittelbar die Ermordung der eigenen Glaubensbrüder. Zwar gaukelten die Nationalsozialisten den Juden immer noch vor, ihre Glaubensbrüder würde man im Osten zu Arbeitseinsätzen heranziehen, doch keines der Mitglieder des Judenrates glaubte diesen Lügen. Um das Aufkommen von Unruhen zu vermeiden, behaupteten die Mitglieder dieses Rates sowie die Angehörigen der jüdischen „Sicherheitspolizei“, welche von dem Ratsmitglied Leon Rozenblatt geleitet wurde, nach wie vor, man würde die Abtransportierten zum Arbeitseinsatz im Osten gebrauchen.
Dem Judenrat wurden von den Besatzern bestimmte, meist wöchentliche Quoten auferlegt, die es strikt einzuhalten galt. Bei Nichterfüllung der Quoten wurden das ohnehin schon überhaupt nicht ausreichende Essen für die Ghettobewohner noch mehr gekürzt oder andere Strafmaßnahmen verhängt. Zeitweilig betrug die Quote der auszuliefernden Juden wöchentlich 20.000 Personen.
Schulen
Um wenigstens ein Minimum an Bildung zu gewährleisten gab es bis zum Jahr 1942 Schulen im Ghetto. In 23 Elementarschulen lernten etwa 13.000 Kindern, in zwei Mittelschulen weitere 1.278. Es gab 414 unentgeltlich arbeitende Lehrer. Die Schulen wurden 1942 geschlossen als das Ghetto offiziell in ein Arbeitslager umgewandelt wurde..[W 7]
Das Ende des Ghettos von Litzmannstadt
Unter dem Eindruck der vorrückenden Sowjetarmee begann man mit der schrittweisen Auflösung des Ghettos Litzmannstadt. Ursprünglich hatte Himmler geplant, das Ghetto nach und nach in ein Konzentrationslager umzuwandeln. Stattdessen wurden die Quoten für den Judenrat aber nach und nach erhöht, angeblich für Aufräumarbeiten im Reich. In Wirklichkeit wurden viele der Abtransportierten in Auschwitz vergast. Junge und Gesunde wurden aber auch in großer Zahl ins Lager eingewiesen oder als sogenannte "Durchgangsjuden" ins Deutsche Reich zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie weitergeschickt. Mehrere hundert jüdische Frauen gelangten 1944 so beispielsweise in die Außenlager des KZ Flossenbürg in Freiberg (500), Oederan (200) und Hainichen (150)[4].
Am 28. August 1944 wurde Chaim Rumkowski mit seiner Familie in Auschwitz ermordet. Die Liquidation des Ghettos Litzmannstadt ging schnell voran, so dass am 19. Januar 1945 nur noch 870 Mitglieder eines Aufräumkommandos[5], 30 Kinder und 80 Erwachsene, die sich vor den Deportationen hatten verstecken können.[W 8], von der einmarschierenden sowjetischen Armee befreit wurden.
Verweise
Siehe auch
- Judenpost, eigentlich „Judenpost Litzmannstadt-Getto“, offizielle Bezeichnung eines im Ghetto gegründeten Postdienstes
- Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt
Literatur
- Jurek Becker: Jakob der Lügner Suhrkamp Taschenbuch 774
- Lucjan Dobroszycki (Hrsg.): The chronicle of the Łódź ghetto, 1941-1944, New Haven 1984; ISBN 0-300-03208-0, 1987 ISBN 0-300039-24-7
- Sascha Feuchert, Erwin Leibfried, Jörg Riecke (Hrsg.): Die Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt. Wallstein Verlag, Göttingen. 2007, 5 Bände. ISBN 3-89244-834-5
- Guido Knopp: Holokaust. C. Bertelsmann 2000, ISBN 3-570-00351-5
- Andrea Löw: Juden im Getto Litzmannstadt. Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung, Verhalten. Wallstein Verlag, Göttingen. 2006. ISBN 978-3-8353-0050-7. Rezension von Klaus A. Lankheit in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 23, Seite 8 vom 27. Januar 2007. (Das Buch geht insbesondere auf die Schwierigkeiten der jüd. Verwaltungseinrichtungen ein.)
- Jens Jürgen Ventzki: Opfer des Holocaust: Roma und Sinti. Unerwünschte Transporte. Die reichsdeutschen Juden und die österreichischen Sinti und Roma im Ghetto Lodz in: "Das jüdische Echo. Europäisches Forum für Kultur und Politik" (Jahrbuch) Oktober 2004 [1], S. 141ff
- Die letzten Tage des Gettos von Łódź. Aus: Analyse & kritik Nr. 493 vom 18. März 2005
- "Unser einziger Weg ist Arbeit"-Das Getto von Lodz 1940-1944,Ausstellungskatalog Jüdisches Museum Frankfurt/M 1990 ISBN 3-85409-169-9 ,Erhard Löcker Verlag Wien
Ausstellung
- "Give me Your Children". Die Kinder im Ghetto von Lodz. Dokumente und Spuren New York, YIVO Institute for Jewish Research [2] bis 3. Sept. 2007
Weblinks
- Das deutsche "Ghetto Litzmannstadt" im polnischen Lódz - Artikel bei Shoa.de
- Chronologie zur Geschichte des Gettos Łódź/Litzmannstadt
- doew.at - Deportationen in das Ghetto Łódź/Litzmannstadt im Oktober/November 1941
- Ghetto Łódź (englisch)
- United States Holocaust Memorial Museum - Library Bibliography: Łódź Ghetto (englisch)
- Sonderausstellung zum Ghetto Litzmannstadt in der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz 1999–2000
- Publikationen über das Ghetto Litzmannstadt bei Ostmitteleuropa-LitDok / Herder-Institut (Marburg)
Fußnoten
- ↑ auch Friedrich Übelhör
- ↑ Inge Schlotzhauer, Unser einziger Weg ist Arbeit in Semit 3/90, S. 60
- ↑ N. Grüss, Kinder Martyrologie, Buenos Aires 1947, S. 49; hier nach Josef Wulf, 1962, S. 36
- ↑ Cziborra, Pascal. KZ Freiberg. Geheime Schwangerschaft. Lorbeer Verlag. Bielefeld. 2008. S.184ff.
- ↑ Inge Schlotzhauer, Unser einziger Weg ist Arbeit in Semit 3/90, S. 61
Josef Wulf, Lodz - das letzte Ghetto auf polnischem Boden, Bonn 1962
51.78666666666719.46Koordinaten: 51° 47′ 12″ N, 19° 27′ 36″ O
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