- Ghosttown
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Unter Geisterstadt versteht man für gewöhnlich eine völlig aufgegebene, meist abgelegene Siedlung. Typische Geisterstädte bestehen aus halbverfallenen Gebäuden. Demgegenüber werden meist im Mittelalter aufgegebene, heute vollkommen zerstörte Siedlungen oder Wirtschaftsflächen Wüstung genannt.
Geisterstädte befinden sich häufig in Gegenden mit ehemals reichen Bodenschatzvorkommen. Nachdem die Vorkommen – etwa an Gold oder Diamanten – sich erschöpften und der Boom vorbei war, wurden diese Siedlungen häufig rasch von ihren Bewohnern wieder verlassen. Beispiele sind die alten, heute verlassenen Diamantenstädte Kolmanskuppe und Elisabethbucht in Namibia oder viele Ghost Towns in der kalifornischen Sierra Nevada und in den goldführenden Bergbaugebieten Nevadas im Westen der Vereinigten Staaten.
Daneben gibt es „Halb-Geisterstädte“, die noch immer von wenigen Menschen bewohnt werden, die Jahrzehnte nach der Zeit des Goldrausches ungebrochen besessen sind von der Suche nach einem großen Gold- oder Silberfund, der meist ihr einziger Lebensinhalt geworden ist. Gelegentlich verdienen sie ein wenig Geld mit Touristen, mit sporadischer Statisterie bei Spielfilmen, oder sie bieten Schürf- und Gelegenheitsfunde wie rohe Halbedelsteine, wettergebleichte Tierschädel oder skurril geformte Wurzeln zum Verkauf an.
Geisterstädte konservieren oft wie Freilichtmuseen die Vergangenheit. Manchmal sind ihre Bewohner noch die einzigen Zeugen, die von der bewegten Geschichte des Ortes und seiner ehemaligen Einwohner berichten können. Einige kümmern sich sorgsam um die Bewahrung des Originalzustandes der Siedlung, obwohl sie selbst diese Zeit nicht mehr erlebt haben.
Solche Geisterstädte sind beispielsweise Bodie, Coloma (Gold) und Calico (Silber) in Kalifornien, Rhyolite in Nevada (Gold), Silverton in Australien und Sewell in Chile (Kupfer).
Sonderfälle sind Städte, die aufgrund von Katastrophen evakuiert werden mussten. Bekannteste Beispiele sind die ukrainischen Städte Prypjat und Tschornobyl, sowie weitere umliegende Orte, die 1986 durch einen Super-GAU im Kernkraftwerk Tschernobyl (siehe Katastrophe von Tschernobyl) verstrahlt worden sind. Sie entstanden nicht durch freiwillige Abwanderung in Monaten oder Jahren, sondern durch Zwangsevakuierung der Bevölkerung innerhalb von Stunden. So auch die US-amerikanische Kleinstadt Centralia, die wegen eines 1962 begonnenen unterirdischen Kohlebrands evakuiert wurde. Die Feuer brennen noch heute. Ein weiteres Beispiel ist Plymouth, die ehemalige Hauptstadt der Karibikinsel Montserrat, die nach einem Vulkanausbruch im Jahr 1997 aufgegeben wurde.
Andere Sonderfälle sind Siedlungen, die einem Stausee weichen mussten und häufig an anderer Stelle neu aufgebaut wurden. Beispiele hier für sind etwa Schulenberg im Oberharz oder Tignes (Frankreich). Allerdings wurden – entgegen populärer Klischees – in der Regel sämtliche Gebäude vor der Flutung abgerissen, so dass meist lediglich Grundmauern, Reste von Straßen und Brückenpfeiler übrig blieben. Eine Ausnahme stellt der Kirchturm des aufgegebenen Dorfes Alt-Graun in Südtirol dar, der aus Denkmalschutzgründen erhalten wurde und noch heute aus dem Reschensee ragt.
Der Entstehung geisterstadtähnlicher Wohngebiete durch heutige lokale Veränderungen will das Quartiersmanagement entgegenwirken.
Situation in Deutschland
In der Vergangenheit Deutschlands entstanden einige Geisterstädte, wenn Dörfer als Truppenübungsplätze vorgesehen wurden (z. B. das Dorf Lopau), oder sie in dem Sperrgebiet der ehemaligen innerdeutschen Grenze lagen.
Hauptsächlich entstehen Geisterstädte und Geisterdörfer in Deutschland jedoch vorübergehend durch die Umsetzung von Abbauplänen im Braunkohletagebau. Die Bewohner der betroffenen Dörfer müssen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt Ihre Häuser verlassen und diese aufgeben. Die Gebäude werden abgerissen, die Bäume beseitigt und Friedhofsgräber an einen anderen Ort verlegt. Dann tragen die Kohlebagger die Erde unter dem ehemaligen Ort ab. Der letzte auf diese Weise verschwundene Ort ist Otzenrath in Nordrhein-Westfalen. Ein Teil des ehemaligen Ortes ist bereits in der Abbaugrube von Garzweiler II verschwunden (Stand Dezember 2007), ebenso wie ein Teil der Autobahn A44 zwischen dem Kreuz Jackerath und MG-Wanlo.
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