- Gleichung fünften Grades
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Eine Gleichung fünften Grades oder quintische Gleichung ist in der Mathematik ein Polynom vom Grad fünf. Es ist von der Form
- ax5 + bx4 + cx3 + dx2 + ex + f = 0,
wobei die Koeffizienten a,b,c,d,e und f Elemente eines Körpers (typischerweise die rationalen, reellen oder komplexen Zahlen), mit sind. Man spricht dann von einer Gleichung (oder einem Polynom) "über" diesem Körper.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Auflösen von Polynomgleichungen durch endliche Wurzelausdrücke (Radikale) ist ein altes Problem. Nachdem 1539 Gerolamo Cardano Lösungen für die allgemeinen Gleichungen bis zum Grad 4 veröffentlicht hatte, konzentrierten sich die Anstrengungen auf die Lösung der allgemeinen Gleichung fünften Grades. 1771 fand Gianfrancesco Malfatti als erster einen Lösungsweg, der allerdings nur im Fall der Auflösbarkeit durch Wurzelausdrücke funktioniert. Paolo Ruffini veröffentlichte 1799 einen lückenhaften Beweis für die Unauflösbarkeit der allgemeinen Gleichung 5. Grades. Da Ruffini für die damalige Zeit ungewohnte Argumente verwendete, die heute der Gruppentheorie zugeordnet werden, wurde sein Beweis zunächst nicht akzeptiert. 1824 gelang Niels Henrik Abel ein vollständiger Beweis dafür, dass die allgemeine Gleichung fünften Grades nicht durch Radikale auflösbar ist (Satz von Abel-Ruffini). In der Galoistheorie lässt sich der Beweis verkürzt so darstellen: Die Galoisgruppe der allgemeinen Gleichung n-ten Grades hat die Alternierende Gruppe An als Faktor, und diese Gruppe ist einfach für (vgl. Ikosaedergruppe), also nicht auflösbar. Charles Hermite gelang es 1858, die allgemeine Gleichung fünften Grades in jacobischen Thetafunktionen (aber natürlich nicht in Radikalen) zu lösen.
Lösbare Gleichungen fünften Grades
Manche Gleichungen fünften Grades können mit Wurzeln gelöst werden, etwa x5 − x4 − x + 1 = 0, die in der Form (x2 + 1)(x + 1)(x − 1)2 = 0 faktorisiert werden kann. Andere Gleichungen wie etwa x5 − x + 1 = 0 können nicht durch Wurzeln gelöst werden. Évariste Galois entwickelte um 1830 Techniken um zu bestimmen, ob eine gegebene Gleichung in Wurzeln lösbar ist (siehe Galoistheorie). Aufbauend auf diesen prinzipiellen Resultaten bewiesen George Paxton Young[1] und Carl Runge[2] 1885 ein explizites Kriterium dafür, ob eine gegebene Gleichung fünften Grades mit Wurzeln lösbar ist (Vgl. die Arbeit von Lazard für einen modernen Zugang). Sie zeigten, dass eine irreduzible Gleichung fünften Grades mit rationalen Koeffizienten in Bring-Jerrard-Form[3]
- x5 + ax + b = 0
genau dann mit Wurzeln lösbar ist, wenn sie die Form
mit rationalem μ und ν besitzt. Im Jahre 1994 fanden Blair Spearman and Kenneth S. Williams die Darstellung
für . Die Beziehung zwischen den beiden Parametrisierungen kann durch die Gleichung
mit
hergestellt werden. Im Fall der negativen Quadratwurzel erhält man bei geeigneter Skalierung den erste Parametrisierung, bei positiver Quadratwurzel die zweite mit . Daher ist es eine notwendige (aber keine hinreichende) Bedingung für eine lösbare Gleichung fünften Grades der Form
- z5 + aμ4z + bμ5 = 0
mit rationalem a,b und μ, dass die Gleichung
- y2 = (20 − a)(5 + a)
eine rationale Lösung y hat.
Mit Hilfe von Tschirnhaus-Transformationen ist es möglich, jede Gleichung fünften Grades in Bring-Jerrard Form zu bringen, daher geben sowohl die Parametrisierungen von Runge und Young als auch von Spearman und Williams notwendige und hinreichende Bedingungen um zu prüfen, ob eine beliebige Gleichung fünften Grades in Radikalen zu lösen ist.
Beispiele für lösbare Gleichungen fünften Grades
Eine Gleichung ist in Radikalen lösbar, wenn ihre Galoisgruppe eine auflösbare Gruppe ist. Für Gleichungen n-ten Grades ist ihre Galoisgruppe eine Untergruppe der Symmetrischen Gruppe Sn, der Permutationen von n Elementen.
Ein einfaches Beispiel für eine lösbare Gleichung ist x5 − 5x4 − 10x3 − 10x2 − 5x − 1 = 0 mit der Galoisgruppe F(5) die von den Permutationen "(1 2 3 4 5)" und "(1 2 4 3)" erzeugt wird; die einzige reelle Wurzel ist
Allerdings können die Lösungen auch wesentlich komplexer sein. Zum Beispiel hat die Gleichung x5 − 5x + 12 = 0 die Galoisgruppe D(5) welche von "(1 2 3 4 5)" und "(1 4)(2 3)" erzeugt wird, und die Lösung benötigt ausgeschrieben etwa 600 Symbole.
Literatur
- Charles Hermite: Sur la résolution de l'équation du cinquième degré. In: Œuvres de Charles Hermite. Band 2, Seiten 5-21, Gauthier-Villars, 1908 (online verfügbar).
- Felix Klein: Vorlesungen über das Ikosaeder und die Auflösung der Gleichungen vom fünften Grade. Leipzig 1884, ISBN 0-486-49528-0 (online verfügbar).
- Leopold Kronecker: Sur la résolution de l'equation du cinquième degré, extrait d'une lettre adressée à M. Hermite. In: Comptes Rendus de l'Académie des Sciences. Band 66 Nr. 1, 1858, Seiten 1150-1152.
- Blair Spearman und Kenneth S. Williams: Characterization of solvable quintics x5 + ax + b. In: American Mathematical Monthly. Band 101, 1994, Seiten 986-992.
- Ian Stewart: Galois Theory. 2. Auflage. Chapman and Hall, 1989, ISBN 0-412-34550-1.
- Jörg Bewersdorff: Algebra für Einsteiger: Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie. Vieweg, 2007, ISBN 978-3-8348-0095-4. Kapitel 8 beschreibt die Lösung lösbarer Gleichungen fünften Grades in der Form x5 + cx + d = 0 (Buchkapitel in englischer Übersetzung The solution of equations of the fifth degree ist online verfügbar).
- Victor S. Adamchik und David J. Jeffrey: Polynomial transformations of Tschirnhaus, Bring and Jerrard. In: ACM SIGSAM Bulletin. Band 37 Nr. 3, September 2003, Seiten 90-94 (online verfügbar).
- Ehrenfried Walter von Tschirnhaus: A method for removing all intermediate terms from a given equation. In: ACM SIGSAM Bulletin. Band 37 Nr. 1, März 2003, Seiten 1-3.
- Daniel Lazard: Solving quintics in radicals. In: Olav Arnfinn Laudal, Ragni Piene: The Legacy of Niels Henrik Abel. Berlin 2004, Seiten 207–225, ISBN 3-5404-3826-2.
- Peter Pesic: Abels Beweis. Springer 2005, ISBN 3-540-22285-5.
- Jean-Pierre Tignol: Galois' Theory of Algebraic Equations. World Scientific, 2004, ISBN 981-02-4541-6.
Einzelnachweise
- ↑ Young, G. P.: Solution of Solvable Irreducible Quintic Equations, Without the Aid of a Resolvent Sextic. In: Amer. J. Math. Band 7, Seiten 170-177, 1885.
- ↑ Runge, C.: Über die auflösbaren Gleichungen von der Form x5 + ux + v = 0. In: Acta Math. Band 7, Seiten 173-186, 1885.
- ↑ George Jerrard fand eine Methode, in Gleichungen n-ten Grades durch eine polynomiale Transformation die Terme der Ordnung (n-1), (n-2), (n-3) zu eliminieren, was auf die Bring-Jerrard Form im Fall n=5 führt. Für Gleichungen fünften Grades sind dabei nur Gleichungen bis zum vierten Grad zu lösen. Für Gleichungen fünften Grades ist die Methode, was Jerrard nicht bekannt war, schon von Erland Samuel Bring 1786 gefunden worden. Die Bring-Jerrard Form für Gleichungen 5. Grades wurde von Charles Hermite für die Lösung der Gleichung 5. Grades mittels elliptischer Modulfunktionen benutzt.
Siehe auch
Weblinks
- Mathworld - Quintic Equation - weitere Details über Methoden zur Lösung von Gleichungen fünften Grades.
- Abels und Galois' Aufsätze - die Originale sind online verfügbar.
- Solving the Quintic with Mathematica - Poster zur Gleichung fünften Grades.
- Solving Solvable Quintics - eine Methode zur Lösung lösbarer Gleichungen fünften Grades nach David S. Dummit. (PDF-Datei; 93 kB)
- Polynomial Transformations of Tschirnhaus, Bring and Jerrard - ein Aufsatz von Victor S. Adamchik & David J. Jeffrey zu Polynomtransformationen. (PDF-Datei; 81 kB)
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