- Gravitationslinseneffekt
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Als Gravitationslinseneffekt wird in der Astronomie die Ablenkung von Licht durch schwere Massen bezeichnet. Der Name rührt von der Analogie zu optischen Linsen und der wirkenden Kraft, der Gravitation, her.
Grundsätzlich wird dabei das Licht einer entfernten Quelle wie eines Sterns, einer Galaxie oder eines anderen astronomischen Objekts durch ein vom Betrachter aus gesehen davorliegendes Objekt, die Gravitationslinse, beeinflusst. In deren Gravitationsfeld ändert sich die Ausbreitungsrichtung des Lichtes, sodass die Position der Quelle am Himmel verschoben erscheint. Auch kann ihr Bild dabei verstärkt, verzerrt oder sogar vervielfältigt werden. Nach dem Odd-Number-Theorem tritt dabei immer eine ungerade Anzahl von Bildern auf.
Je nach Masse und Form (Massenverteilung) der beteiligten Objekte und ihren Lagen zueinander kann der Effekt unterschiedlich stark ausfallen, von spektakulär verzerrten Mehrfachbildern bis hin zu nur leichten Helligkeitsänderungen, sodass man vom Starken Gravitationslinseneffekt, vom Schwachen Gravitationslinseneffekt und vom Mikrolinseneffekt spricht. Ein Spezialfall des Gravitationslinseneffekts ist die Kosmische Scherung.
Nachdem es bereits um 1800 Überlegungen dazu gegeben hatte, wurde die gravitative Lichtablenkung erstmals 1915/16 von Albert Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie korrekt beschrieben. Nach ersten Beobachtungen an der Sonne 1919 und einigen theoretischen Arbeiten gelangen jedoch erst ab 1979 dank verbesserter Beobachtungstechniken Beobachtungen weiterer Gravitationslinsen.[1] [2] Seitdem hat sich der Gravitationslinseneffekt zu einem vielfältigen Gebiet der Beobachtenden Astronomie und auch einem Werkzeug für andere Felder wie die Kosmologie entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Siehe auch: Tests der allgemeinen RelativitätstheorieDie erste gezielte experimentelle Überprüfung der allgemeinen Relativitätstheorie, die in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregte und die allgemeine Relativitätstheorie berühmt machte, wurde 1919 durchgeführt[3] und überprüfte die Voraussage der allgemeinen Relativitätstheorie, dass Licht, wie jede elektromagnetische Strahlung, in einem Gravitationsfeld abgelenkt wird. Dabei wurde eine Sonnenfinsternis ausgenutzt, um die scheinbare Verschiebung der Position eines Sternes nahe der Sonnenscheibe zu messen, da hier der Effekt am stärksten sein sollte. Die Voraussage der Einstein'schen Theorie, dass Sternenlicht, das auf seinem Weg zur Erde den Rand der Sonnenscheibe streift, um 1,75 Bogensekunden abgelenkt werden sollte, wurde bei dieser ursprünglichen Messung mit einer Abweichung von 20 % bestätigt. Die aus der Newtonschen Gravitationstheorie folgende Ablenkung wäre nur 0,83" gewesen, wie bereits im März 1801 von Johann Georg von Soldner berechnet wurde.[4] Klassisch oder mithilfe der speziellen Relativitätstheorie berechnet, wäre der Effekt halb so groß, da sich nur die Zeitkoordinate und nicht die Raumkoordinate ändert.
Ähnliche Messungen wurden später mit verbesserten Instrumenten durchgeführt. In den 1960ern wurden die Positionen von Quasaren vermessen, womit eine Genauigkeit von 1,5 % erreicht wurde, während ähnliche Messungen mit dem VLBI (Very Long Baseline Interferometry) später die Genauigkeit auf 0,2 % steigerten. Auch wurden die Positionen von 100.000 Sternen durch den ESA-Satelliten Hipparcos vermessen, womit die Voraussagen der ART auf 0,1 % genau überprüft werden konnten. Die ESA-Raumsonde Gaia, welche bis 2012 gestartet werden soll, soll die Position von über einer Milliarde Sterne vermessen und damit die Raumkrümmung noch exakter bestimmen.
Phänomenologie
Prinzip
Interstellare Objekte mit einer sehr großen Masse lenken elektromagnetische Wellen in eine andere Richtung. Dementsprechend wird das Abbild des Hintergrundobjektes verlagert, verzerrt und möglicherweise vervielfacht.
Eine besondere Erscheinungsform ist Microlensing. Hier ist die Ablenkung so geringfügig, dass sie nicht als räumliche Verlagerung registriert wird, sondern sich als Helligkeitsanstieg (dann -abfall) bemerkbar macht.
Die Wirkung beruht in jedem Falle auf der durch Albert Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie als Wirkung der Gravitation auf die Raumzeit beschriebenen Krümmung des Raumes durch massehaltige Objekte oder Energie.
Dieser Effekt kann bei einer totalen Sonnenfinsternis an Sternen nachgewiesen werden, die sehr nah an der Blickrichtung zur Sonne liegen und durch diese sonst überstrahlt werden: Die Position dieser Sterne erscheint dann geringfügig von der Sonne weg verschoben. Die entsprechende Beobachtung durch Arthur Eddington lieferte 1919 die erste experimentelle Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie. Einstein hielt es für möglich aber kaum wahrscheinlich, dass man bei geeigneten Bedingungen Mehrfachabbildungen desselben Objektes wahrnehmen könne. Er dachte jedoch nur an Sterne als Auslöser dieses Effektes; 1937 untersuchte Fritz Zwicky die Auswirkung, die eine Galaxie als Gravitationslinse haben kann. 1963 erkannten Yu. G. Klimov, S. Liebes und Sjur Refsdal unabhängig, dass dann Quasare ideale Lichtquellen für diesen Effekt darstellen.
Starker Gravitationslinseneffekt
Um eine Gravitationslinse im üblichen, also astronomischen Sinne zu erhalten, sind normalerweise die extrem intensiven Gravitationsfelder astronomischer Objekte, wie Schwarzer Löcher, Galaxien oder Galaxienhaufen nötig. Bei diesen ist es möglich, dass eine hinter der Gravitationslinse liegende Lichtquelle nicht nur verschoben erscheint, sondern dass der Beobachter mehrere Bilder sieht. Die erste solche „starke Gravitationslinse“ wurde 1979 entdeckt: der „Twin Quasar“ Q0957+561. Ein bekanntes Beispiel ist das 1985 entdeckte Einsteinkreuz im Sternbild Pegasus, eine vierfache Abbildung desselben Objekts. Im Extremfall beobachtet man sogar ein linienförmiges Bild (also unendlich viele Abbildungen) einer punktförmigen Lichtquelle, dies sind die so genannten Einsteinringe.
Die erste Gravitationslinse, die nicht aus einer einzelnen Galaxie, sondern einem Galaxienhaufen (Abell 370) besteht, wurde im Jahre 1987 unabhängig voneinander von Soucail et al. und von Vahé Petrosian und Roger Lynds als solche erkannt.
Mikrolinseneffekt
- Hauptartikel: Mikrolinseneffekt
Anders als von Einstein angenommen (siehe oben), können auch die Effekte, die ein einzelner Stern auf die Strahlung eines Hintergrundobjektes ausübt, beobachtet werden. So hat man eine Reihe von MACHOs nachgewiesen, weil ein Einzelstern das Licht eines dahinterliegenden, wesentlich schwächeren Objektes gebündelt und so (kurzzeitig) verstärkt hat. Auch extrasolare Planeten konnten mit diesem Effekt nachgewiesen werden.
Der Brennpunkt des Linseneffektes der Sonne liegt in einer Entfernung von etwa 82,5 Milliarden Kilometern bzw. rund 550 Astronomischen Einheiten und würde eine Vergrößerung um einen Faktor von ungefähr 100 Millionen erbringen.
Anwendungen
Wenn eine Gravitationslinse (aus der Sicht des irdischen Beobachters) das Licht des Hintergrundobjektes bündelt, können Objekte untersucht werden, die ansonsten wegen ihrer geringen scheinbaren Helligkeit nicht registriert werden könnten. Damit ist es möglich, Galaxien in großer Entfernung und damit in sehr frühen Epochen der Entwicklung des Kosmos zu beobachten.
Außerdem liefert die Verteilung der Strahlung in der Bildebene die Möglichkeit, Eigenschaften (Masse und Massenverteilung) der Gravitationslinse selbst zu untersuchen. Dabei erhält man die Gesamtmasse direkt, ohne auf Unterstellungen hinsichtlich des Anteils der Dunklen Materie zurückgreifen zu müssen.
Statistische Auswertungen von Gravitationslinsenbildern können genutzt werden, Parameter wie etwa die Kosmologische Konstante oder die Materiedichte des gesamten Universums einzugrenzen. Auch die Hubble-Konstante kann unter Umständen mittels Gravitationslinsen näher bestimmt werden, wie Sjur Refsdal bereits 1964 vorhersagte. Forscher der Universität Zürich und der USA haben damit das Alter des Universums mit großer Genauigkeit auf nunmehr 13,5 Milliarden Jahre bestimmt.
Literatur
- Joachim Wambsganß: Gravitationslinsen - Universelle Werkzeuge der Astrophysik, 1999 (PostScript-Datei)
- Frédéric Courbin, et al.: Gravitational lensing - an astrophysical tool. Springer, Berlin 2002, ISBN 3-540-44355-X.
- Peter Schneider, Chris Kochanek, Joachim Wambsganss: Gravitational Lensing: Strong, Weak and Micro, Saas Fee Advanced Course 33, Springer, Berlin 2006, ISBN 3-540-30309-X
Weblinks
Commons: Gravitational lensing – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Albert Einstein: Linsenwirkung durch die Ablenkungswirkung des Gravitationsfeldes eines Sternes 12. April 1936, alberteinstein.info
Einzelnachweise
- ↑ Albert Einstein: Lens-Like Action of a Star by the Deviation of Light in the Gravitational Field Science, Vol. 84, No. 2188, 4.Dezember 1936, S.506-507, pdf; Sidney Liebes: Gravitational Lenses Physical Review, vol. 133, Issue 3B, 1964, S. 835-844 Abstract@nasa.ads
- ↑ V.R. Eshleman: Gravitational lens of the sun - Its potential for observations and communications over interstellar distances. Science, vol. 205, 14. September 1979, S.1133-1135 Abstract@nasa ads (Abgerufen am 23. Juni 2010)
- ↑ F. W. Dyson, A. S. Eddington, C. Davidson: A Determination of the Deflection of Light by the Sun's Gravitational Field, from Observations Made at the Total Eclipse of May 29, 1919. In: Philos. Trans. Royal Soc. London. 220A, 1920, S. 291–333 (Onlinedokument, PDF)
- ↑ Soldner, J. G. v.: Ueber die Ablenkung eines Lichtstrahls von seiner geradlinigen Bewegung, durch die Attraktion eines Weltkörpers, an welchem er nahe vorbei geht. In: Berliner Astronomisches Jahrbuch. 1804, S. 161-172.
Kategorien:- Astrophysikalischer Prozess
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