Growian

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Growian

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Lage
Growian (Schleswig-Holstein)
Growian
Lage in Schleswig-HolsteinSchleswig-Holstein Schleswig-Holstein
Koordinaten 53° 55′ 38,4″ N, 8° 57′ 0,2″ O53.9273338.950066Koordinaten: 53° 55′ 38,4″ N, 8° 57′ 0,2″ O
Land Deutschland
Daten
Primärenergie Windenergie
Leistung 3 Megawatt
Typ Windkraftanlage
Eigentümer Growian GmbH
Betreiber Growian GmbH
Projektbeginn 1976
Betriebsaufnahme 1983
Stilllegung 1987
Turbine zweiflügligen Leeläufer
mit horizontaler Achse
Eingespeiste Energie im
Jahre
projektiert: 12 GWh

Die (oft auch der) Growian (auch GROWIAN, Große Windenergieanlage) war eine öffentlich geförderte Windkraftanlage, die zur Technologieerprobung in den 1980er Jahren im Kaiser-Wilhelm-Koog bei Marne errichtet wurde. Es handelte sich um einen zweiflügligen Leeläufer (Rotor läuft auf der windabgewandten Seite des Turmes) mit einer Nabenhöhe von etwa 100 Metern.

Growian war lange Zeit die größte Windkraftanlage der Welt. Vieles an der Anlage war neu und in dieser Größenordnung noch nicht erprobt. Da die Gehäuseauslegung fehlerhaft war, konnte die Anlage nicht bei voller Leistung betrieben werden. Die Probleme mit Werkstoffen und Konstruktion ermöglichten keinen kontinuierlichen Testbetrieb. Die meiste Zeit zwischen dem ersten Probelauf am 6. Juli 1983 bis zum Betriebsende im August 1987 stand die Anlage still. Offizieller Betriebsbeginn war am 4. Oktober 1983.[1] Der offizielle Startschuss des Probebetriebs wurde am 17. Oktober 1983 bei einer feierlichen Eröffnung gegeben. 1987 wurde Growian demontiert.

Inhaltsverzeichnis

Technische Daten

Die elektrische Nennleistung der Growian betrug 3.000 kW (3 MW), was damals Weltrekord bedeutete. Der Rotor hatte eine Pendelnabe und einen Durchmesser von 100,4 m. Die zwei Rotorblätter waren mechanisch-elektrisch verstellbar. Sie rotierten mit etwa 18,5 Umdrehungen pro Minute. Im Gegensatz zu den meisten moderneren Anlagen liefen die Blätter hinter dem Turm, also leeseitig.[2]

Das Maschinenhaus in 100 Metern Höhe war 340 Tonnen schwer, jedes der beiden Rotorblätter 23 Tonnen.[3]

Die Einschaltwindgeschwindigkeit lag bei 5,4 m/s, die Nennwindgeschwindigkeit bei 12 m/s, die Abschaltwindgeschwindigkeit bei 24 m/s und die Überlebenswindgeschwindigkeit bei 60 m/s. Der projektierte Jahresertrag lag bei einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 9,3 m/s bei etwa 12 GWh.

Rotor und Asynchron-Generator waren über ein Getriebe mit einer Stirnradstufe und zwei Planetenradstufen mechanisch gekoppelt.

Die Speisung in das Stromnetz erfolgte über einen Umformersatz, der weitestgehend identisch war mit dem später im Umspannwerk Neuhof installierten Umformersatz, über den elektrische Energie aus der damaligen DDR bezogen werden konnte.

Die Rotorblätter waren in Stahlholmbauweise gefertigt. Der tragende Holm im Inneren des Profilquerschnitts bestand aus Stahl, die Außenhaut sowie Rippen zur Versteifung aus glasfaserverstärktem Kunststoff.

Projekt und Ergebnisse

Ende 1976 beschloss das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT), die Entwicklung großer Windkraftwerke mit Forschungsaufträgen und Expertenanhörungen zu prüfen. Aufträge erhielten im Sommer 1977 die MAN, das Institut für Aerodynamik und Gasdynamik der Universität Stuttgart und die Universität Regensburg. 1978 beschloss das BMFT den Bau der weltweit größten Windkraftanlage mit 100 Metern Turmhöhe und 100 Metern Flügeldurchmesser, als Hauptkonstrukteur erhielt die MAN den Zuschlag, die Federführung für die Bildung einer Bau- und Betriebsgesellschaft übertrug das BMFT der HEW. Für das Projekt wurde am 8. Januar 1980 die Growian GmbH gegründet, an der die HEW zu 46,7 %, die Schleswag zu 30,1 % und das RWE zu 23,2 % beteiligt waren.[4] Die Teilhaber und zum Teil auch das BMFT betrieben das Projekt mit politischen Motiven. Günther Klätte, Vorstandsmitglied des RWE, äußerte auf einer Hauptversammlung des Unternehmens: „Wir brauchen Growian (große Windanlagen), um zu beweisen, daß es nicht geht“ und erklärte, „daß Growian so etwas wie ein pädagogisches Modell sei, um Kernkraftgegner zum wahren Glauben zu bekehren“.[5] Von dem Finanzminister und ehemaligen Forschungsminister Hans Matthöfer wurde eine ähnliche Äußerung in Bezug auf die angenommenen finanziellen Schwierigkeiten überliefert: „Wir wissen, daß es uns nichts bringt. Aber wir machen es, um den Befürwortern der Windenergie zu beweisen, daß es nicht geht.“[6]

Hauptsächlich auf Grund seinerzeit noch nicht beherrschbarer Materialprobleme wurde die Anlage dann weitestgehend ein Misserfolg. Über die Jahre hatte sie weitaus mehr Reparatur- als Betriebszeiten und erreichte nicht einmal einen dauerhaften Testbetrieb. Bei ihrer Stilllegung hatten sich nur 420 Betriebsstunden angesammelt.[7]

Trotz seiner Innovationen gilt Growian als einer der größten Fehlschläge in der Geschichte der Windenergienutzung. Die Anlage konnte die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen. Die wenigen gewonnenen Erkenntnisse fanden nur geringen Eingang in den Windkraftanlagenbau – allerdings wurden etliche Lehren aus den begangenen konzeptionellen Fehlern gezogen, z. B. dass der Ansatz, über einzelne Großanlagen mit konventionellen Kraftwerken konkurrieren zu wollen, zum Scheitern verurteilt war. Dieser Paradigmenwandel war ein Schlüsselereignis bei der Entwicklung des gegenwärtigen in Deutschland verfolgten Konzepts zur Errichtung von Windkraftwerken (kleine oder mittlere Anlagen, in Windenergieparks zusammengefasst).

Auch wenn heute deutlich leistungsfähigerere Windkraftanlagen in Betrieb sind, z. B. die Enercon E-126 mit 6 MW und einer geplanten Leistungssteigerung auf 7,5 MW, sind diese Anlagen relativ langsam aus kleinen Anlagen mit wenigen hundert Kilowatt „gewachsen“. Dabei wurde die Technik laufend weiterentwickelt und so die erfolgreiche Realisierung solcher Großanlagen möglich. Diese Anlagen ähneln folglich den kleineren Anlagen deutlich mehr als der Growian. Als Betreiber treten bis heute in Deutschland meist kleine oder mittlere Firmen oder Interessengemeinschaften und nur sehr selten Großkonzerne auf.

Dennoch ist Growian die Keimzelle der modernen deutschen Windenergienutzung. 1988 entstand auf 20 Hektar des ehemaligen Versuchsgeländes der erste kommerzielle Windenergiepark Deutschlands mit 32 kleineren Anlagen, die jeweils zwischen 10 und 25 kW leisten, geliefert von drei verschiedenen Herstellern und betrieben durch die Windenergiepark Westküste GmbH. Bis zum Jahr 1994 kamen weitere sechs Anlagen hinzu, die zu einer Gesamtnennleistung von 2,4 MW führten.[3] Der Betreiber bietet am Standort im Kaiser-Wilhelm-Koog interessierten Besuchern ein Informationszentrum rund um die Geschichte der Windenergienutzung.

Der Turm und eines der Rotorblätter von Growian sind im Technik-Museum Sinsheim ausgestellt.

Rotorblatt mit Schriftzug im Technik-Museum Sinsheim

Literatur

  • Matthias Heymann: Das Growian-Projekt, Kapitel 7.3.3 in Die Geschichte der Windenergienutzung 1890–1990, Campus, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-593-35278-8, S. 369–382

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 4.10.1983: Windkraftanlage in Betrieb, KalenderBlatt zum 4. Oktober, Deutsche Welle
  2. Jürgen Hauschildt, Jörn Pulczynski: Growian: Zielbildung für bedeutende Innovationsvorhaben (PDF-Datei, 43 kB), in Klaus Brockhoff (Hrsg.): Management von Innovationen. Planung und Durchsetzung – Erfolge und Mißerfolge, Gabler, Wiesbaden 1995, S. 45–54
  3. a b Jürgen Brück: 20 Jahre Windenergiepark Westküste bei energieportal24.de, 6. September 2007
  4. Heymann: Das Growian-Projekt, 1995
  5. Die grünen Growiane, Die Welt Nr. 50, 28. Februar 1981, S. 9
  6. Anatol Johansen: Erfolg für das erste Aufwindkraftwerk der Welt, Die Welt Nr. 289, 13. Dezember 1982, S. 12
  7. Zeittafel zur Physik auf der Physik-Seite von Bernhard Szallies, 20. März 2011

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