Grundsteuer (Deutschland)

Grundsteuer (Deutschland)

Die Grundsteuer ist in Deutschland eine Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung (Substanzsteuer). Gesetzliche Grundlage der Grundsteuer ist das Grundsteuergesetz (GrStG). Auf den von der Finanzbehörde festgestellten Einheitswert wird nach Feststellung des Grundsteuer-Messbetrags ein je Gemeinde individueller Hebesatz angewendet. Durch Anwendung verschiedener Hebesätze fällt die Grundsteuerbelastung trotz gleicher Einheitswerte in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich hoch aus. Die Grundsteuer ist eine der ältesten bekannten Steuerarten. In Deutschland gibt es seit dem 1. April 1938 ein einheitliches Grundsteuerrecht.[1]

Inhaltsverzeichnis

Wesen der Grundsteuer und rechtliche Zuständigkeiten

Die Grundsteuer ist eine Realsteuer im Sinne von § 3 Abs. 2 AO (auch: Objekt- oder Sachsteuer). Im Mittelpunkt der Grundsteuer steht nicht eine natürliche bzw. juristische Person, sondern ein Objekt: der Grundbesitz. Da die Grundsteuer nach Art. 106 Abs. 6 GG den Gemeinden zufließt, handelt es sich um eine Gemeindesteuer.

Das Grundgesetz sieht für die Grundsteuer gemäß Art. 105 Abs. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebung vor. Da der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist die Grundsteuer eine bundeseinheitliche Steuer. Der Bundesrat muss jedoch Änderungen am Gesetz zustimmen. Die Verwaltungshoheit wurde über Art. 108 Abs. 2 GG sowohl den Ländern (Feststellung des Einheitswertes) als auch über Art. 108 Abs. 4 GG den Gemeinden (Festsetzung der Grundsteuer) zugewiesen. Gemeindefreie Länder (z.B. Berlin) nehmen dabei sowohl die Feststellung des Einheitswerts als auch die Festsetzung der Grundsteuer vor. Dort wird die Steuer von den Finanzämtern festgesetzt und erhoben.

Aufkommen

Bundesweit betrug das Steueraufkommen im Jahr 2009 ca. 10,9 Mrd. €. Davon entfallen 10,6 Mrd.€ auf die Grundsteuer B und 0,3 Mrd.€ auf die Grundsteuer A. Für die Finanzplanung ist sie allerdings als Substanzsteuer von Bedeutung, da die Grundsteuer eine verlässliche Größe ist. Die Einheitswerte der Grundstücke sind wenig veränderlich bzw. entwickeln sich durch weitere Bebauung eher nach oben. Zudem gibt es durch dingliche Haftung und persönliche Haftung praktisch keine Steuerausfälle zu beklagen.

Bundesland Aufkommen der Grundsteuer B in Mio.€ Pro-Kopf-Aufkommen der Grundsteuer B in €/Ew. Grundsteuerkraft bei Hebesatz 100% in €/Ew. gewogener Durchschnittshebesatz
Baden-Württemberg 1.386 128,93 36,40 354%
Bayern 1.486 118,88 32,22 369%
Berlin 736 214,40 26,47 810%
Brandenburg 226 89,79 23,84 377%
Bremen 151 228,02 39,86 572%
Hamburg 412 231,97 42,96 540%
Hessen 718 118,50 35,99 329%
Mecklenburg-Vorpommern 139 84,20 23,43 359%
Niedersachsen 1.093 137,61 36,02 382%
Nordrhein-Westfalen 2.584 144,41 33,22 435%
Rheinland-Pfalz 426 106,04 31,47 337%
Saarland 108 105,59 31,34 337%
Sachsen 425 101,86 22,76 448%
Sachsen-Anhalt 200 84,47 22,36 378%
Schleswig-Holstein 328 116,86 35,52 327%
Thüringen 168 74,28 22,15 335%
* Deutschland 10.587 129,33 32,28 401%

Quelle: Statistisches Bundesamt[2]

Eine seit Mitte 2005 beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde gegen die Erhebung von Grundsteuern auf selbstgenutztes Grundeigentum wurde mit Beschluss vom 21. Juni 2006 nicht zur Entscheidung angenommen.[3] Das Gleiche gilt für eine seit 2007 anhängige Verfassungsbeschwerde aus gleichen Gründen, welche vom Bundesverfassungsgericht einstimmig mit Beschluss vom 18. Februar 2009 nicht zur Entscheidung angenommen wurde.[4]

Da die Einheitswerte seit 1997 nur noch für Zwecke der Grundsteuer festgestellt werden (für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gelten seither sog. Bedarfswerte), fordern Fachkreise eine grundlegende Reform der Grundsteuer. Hauptziel dieser Reformanstrengungen ist es, die Grundsteuererhebung in Gänze der kommunalen Kompetenz zu überantworten und im Bereich der Land- und Forstwirtschaft das in den neuen Bundesländern bewährte Prinzip der Nutzungseinheitsbesteuerung bundesweit einzuführen. Erwartet wird bei Aufkommensneutralität eine Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Diese von Länderseite ausgehenden Bemühungen scheiterten bislang aber an mangelndem Interesse des Bundes, aber auch an fehlender Einigkeit der Länder.

Erhebung

Einheitswert

Man unterscheidet zwischen Grundsteuer A (agrarisch - für Grundstücke der Landwirtschaft) und Grundsteuer B (baulich - für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude). Berechnungsgrundlage der Grundsteuer ist der vom Finanzamt festgestellte Einheitswert. In den neuen Bundesländern sind für land- und forstwirtschaftliches Vermögen sog. Ersatzwirtschaftswerte Berechnungsgrundlage; für bestimmte Mietwohngrundstücke und Einfamilienhäuser erheben die Gemeinden selbst ohne Mitwirkung der Steuerverwaltung auf der Grundlage einer Ersatzbemessungsgrundlage die Grundsteuer.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Urteilen die Verfassungsmäßigkeit der für Grundsteuer maßgebenden Einheitswerte in Zweifel gezogen, ohne allerdings die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.[5][6] Auch das BVerfG hat bereits angeregt, die Einheitsbewertung einer genauen verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen.[7]

Grundsteuermesszahl

Die Grundsteuermesszahl wird als Anteil vom Einheitswert angegeben und dient zur Berechnung des Grundsteuermessbetrages. Sie richtet sich nach der jeweiligen Grundstücksart.

Sie beträgt nach § 14 und § 15 GrStG für die alten Bundesländer

  • 6,0 ‰ für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft,
  • 2,6 ‰ für Einfamilienhäuser für die ersten 38.346,89 Euro (75.000 DM) des Einheitswerts, 3,5 ‰ für den Rest des Einheitswerts,
  • 3,1 ‰ für Zweifamilienhäuser und
  • 3,5 ‰ für alle restlichen Grundstücke.

Für die neuen Bundesländer – ausgenommen für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft – gelten die höheren Steuermesszahlen ( von 5‰ bis 10‰) auf der Grundlage der alten Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 fort.

Berechnung

Der Einheitswert wird mit der Grundsteuermesszahl und mit dem von der Gemeinde festgesetzten Hebesatz multipliziert. Der Hebesatz wird durch Beschluss des Gemeinderates festgelegt. Die Höhe der Grundsteuer kann aber, wenn auch in einem bescheidenen Rahmen, Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung (durch Zuzug bzw. Wegzug) haben.

Für Verwunderung bei Verkäufern von Grundstücken sorgt immer wieder die Jahressteuerregelung in § 9 Abs. 1 GrStG. Wird ein Grundstück im Laufe eines Jahres verkauft, ändert das Finanzamt den Einheitswertbescheid mit Wirkung zum folgenden 1. Januar. Die steuererhebende Gemeinde darf davon nicht abweichen und wird somit die Grundsteuer für das laufende Jahr vom Alteigentümer fordern und sich erst ab dem folgenden Jahr an den neuen Eigentümer wenden. Trotz fehlender gesetzlicher Grundlage gibt es aber einige Kommunen, die aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Steuerpflicht z.B. auf den der Grundstücksübergabe folgenden Monatsersten umschreiben.

Beispiel

Die Gemeinde Zweibrücken hat zum Beispiel für die Grundsteuer A einen Hebesatz von 280 %, für die Grundsteuer B einen Hebesatz von 370 % festgesetzt.

Für eine Eigentumswohnung wird die Grundsteuer B wie folgt berechnet:

Einheitswert der Eigentumswohnung    10.000 EUR
Grundsteuermessbetrag (3,5 Promille von 10.000 EUR)    35 EUR
Hebesatz (Grundsteuer B) 370 %
Jahresgrundsteuer (Berechnung: 35 EUR x 3,70 ) 129,50 EUR
Vierteljährliche Grundsteuer 32,37 bzw. 32,38 EUR

Kirchengrundsteuer

In einigen Regionen Deutschlands wird als Annexsteuer zur Grundsteuer A zusätzlich Kirchensteuer erhoben, sofern der Grundstückseigentümer kirchensteuerpflichtig ist. Rechtsgrundlage sind die Kirchensteuergesetze der Länder. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe Kirchengrundsteuer erhoben wird, liegt bei den jeweiligen Landeskirchen bzw. Diözesen. Üblich sind 10 % des Grundsteuermessbetrages. Im Bezug auf das gesamte Kirchensteueraufkommen hat die Kirchengrundsteuer eine untergeordnete Bedeutung. So trug sie bei der EKD im Jahr 2008 nur zu 0,04 % zum gesamten Steueraufkommen bei.[8]

Erlass der Grundsteuer

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Grundsteuer auf Antrag erlassen werden. Näheres regeln §§ 32 bis § 34 GrStG. Diese Regelung ist besonders interessant für Eigentümer von Objekten, die dem Denkmalschutz unterliegen. Wenn hier die Kosten höher sind als die Erträge, besteht ein Rechtsanspruch auf einen Erlass.

Wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Zuordnung von Kosten und Erträgen, aber auch aus Unkenntnis, kommt es häufig zu Prozessen vor den Verwaltungsgerichten. Weitere (kostenlose) Informationen zu dieser Thematik erteilen Vereine und Institutionen, die sich mit dem Denkmalschutz befassen, wie z.B. die Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB).

Anträge müssen immer bis zum 31. März für das Vorjahr gestellt werden. Ein dauerhafter Erlass ist möglich.

Miete

Der Vermieter einer Immobilie darf die Grundsteuer als Betriebskosten im Rahmen der Nebenkostenabrechnung auf den Mieter umlegen (§ 2 Nr. 1 Betriebskostenverordnung).

Eine Ausnahme besteht für diejenigen Fälle, in denen eine sogenannte typengemischte Nutzung des Gebäudes aus Wohn- und Gewerbeflächen vorliegt, da hier sowohl Grundsteuer A als auch Grundsteuer B anfallen. Da die höhere Grundsteuer für Gewerbeeinheiten (im Vergleich zu Wohnraum) den Gesamtgrundsteuerbetrag „ungerecht“ erhöht, ist bei der Betriebskostenabrechnung die Grundsteuer, die auf die Gewerbeflächen entfällt, herauszurechnen. Die verbleibende Grundsteuer kann auf die Wohnraummieter umgelegt werden.[9]Davon abgewichen werden kann, wenn ohne einen Vorwegabzug eine nur unerheblich ins Gewicht fallende Mehrbelastung der Wohnraummieter entsteht.[10]

Rechtsschutz

Die Grundsteuer wird mit Ausnahme der Stadtstaaten von den Gemeinden festgesetzt. In den Gemeinden ist das zulässige Rechtsmittel gegen den Grundsteuerbescheid der Widerspruch und/oder die direkte Klage vor den Verwaltungsgerichten (z.B. in Bayern Art. 15 Abs.1 BayAGVwGO) nach jeweiligem Landesrecht und nicht der Einspruch nach § 347 ff. AO. Dementsprechend ist außerhalb der Stadtstaaten der Rechtsweg vor dem Verwaltungsgericht und nicht vor dem Finanzgericht zu beschreiten. Liegt die Ursache dagegen in einer fehlerhaften Festsetzung der Grundsteuermesszahl, die das Finanzamt festsetzt, ist hiergegen der Einspruch statthaft.

Einzelnachweise

  1. Horschitz/Groß/Schnur (Blaue Reihe) - Bewertungsrecht, Erbschaftsteuer, Grundsteuer, Rz. 2501.
  2. Statistisches Bundesamt Realsteuervergleich - Fachserie 14 Reihe 10.1 - 2009, abgerufen am 13. September 2011.
  3. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006, Az. 1 BvR 1644/05, abgerufen am 13. September 2011.
  4. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2009, Az. 1 BvR 1334/07, abgerufen am 13. September 2011.
  5. BFH, Urteil vom 30. Juni 2010, Az. II R 60/08, abgerufen am 13. September 2011.
  6. BFH, Urteil vom 30. Juni 2010, Az. II R 12/09, abgerufen am 13. September 2011.
  7. BVerfG, Urteil vom 13. April 2010, Az. 1 BvR 3515/08, abgerufen am 13. September 2011.
  8. EKD-Statistik Kirchensteuer 2008. Evangelische Kirche in Deutschland, abgerufen am 6. Januar 2010.
  9. BGH (Urteil vom 26. Mai 2004, VIII ZR 169/03) sowie Urteil des LG Hamburg vom 27. Juni 2000 (316 S 15/00).
  10. BGH Urteil vom 25. Oktober 2006, VIII. ZR 251/05

Literatur

  • Stöckel, Reinhard: Grundsteuerrecht. Kommentar, 2. Auflage, 2011, Deutscher Gemeindeverlag, ISBN 978-3-555-01440-1

Weblinks

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