Alfred Vagts

Alfred Vagts

Alfred Hermann Friedrich Vagts (* 1892 in Basbeck (heute Ortsteil von Hemmoor); † 1986 in Cambridge (Massachusetts)) war ein Lyriker, Historiker und Autor vor allem militärhistorischer Werke.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Alfred Vagts − Sohn eines Windmüllers − lernte nach dem Besuch der Lateinschule in Otterndorf während seines Studiums in München führende Repräsentanten des Expressionismus kennen. Im Ersten Weltkrieg war Vagts Kompanieführer und erhielt das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse, veröffentlichte aber auch Gedichte gegen den Krieg (Sammelband Ritt in die Not). Als Vertreter des Rates der Offiziere nahm er 1917 an den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk teil.

Nach dem Krieg war Vagts in der Sozialdemokratischen Partei aktiv und nutzte seine militärische Erfahrung zum Aufbau einer paramilitärischen republiktreuen Einheit Hamburger Arbeiter, die sich später dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold anschloss.[1] Er beteiligte sich 1919 auch an der Münchner Räterepublik, brach aber bald danach mit der radikalen Linken. Seit dieser Zeit war er mit Egon Ranshofen-Wertheimer befreundet und führte einen umfassenden Briefwechsel mit ihm. In der Weimarer Republik arbeitete Vagts von 1923 bis 1932 als Historiker am Institut für auswärtige Politik der Universität Hamburg, wo ihn sein späterer Freund George W. F. Hallgarten ab 1925 für ein Jahr vertrat.

Am 3. Oktober 1924 gründete Vagts mit Gustav Dahrendorf, Egon Bandmann und Theodor Haubach (alle SPD) sowie Hans Robinsohn, Ernst Strassmann und Heinrich Landahl (alle DDP) den Klub vom 3. Oktober, dessen Ziel einerseits der gemeinsame Kampf gegen die Feinde der Weimarer Republik war, der andererseits aber auch für gegenseitige Unterstützung bei politischen Initiativen sorgen sollte.[2]

Als Austauschstudent besuchte Vagts 1924 erstmals die USA. An der Yale University lernte er die Tochter des einflussreichen amerikanischen Historikers Charles A. Beard kennen. Sie heirateten 1927.

1939–1942 war Alfred Vagts Mitglied des Institute for Advanced Studies (IAS) in Princeton

Als 1932 die Nationalsozialisten in Deutschland politisch auf dem Vormarsch waren, emigrierte Vagts zunächst nach Großbritannien, ein Jahr später ging er in die USA und nahm 1933 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. In den USA konnte Vagts bis 1938 als Privatgelehrter forschen und veröffentlichen. 1938/39 hatte er eine Gastprofessur an der Harvard University inne und war anschließend bis 1942 Mitglied des Institute for Advanced Study in Princeton. Anschließend war er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Washington für das Board of Economic Warfare tätig, das die Versorgung der Alliierten mit kriegswichtigen Rohstoffen sicherstellen sollte. Trotz seiner Kritik am Nationalsozialismus sprach sich Alfred Vagts als ein zeitweiliger Berater der Roosevelt-Administration gegen das Flächenbombardement deutscher Städte durch britische und US-amerikanische Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg aus.

Vagts engagierte sich auch als US-amerikanischer Staatsbürger gemäß seiner Überzeugung für die Politische Linke. Er arbeitete mit antifaschistischen Emigranten zusammen. Vagts und Carl Zuckmayer sprachen am 12. März 1944 zum Tod ihres Freundes Carlo Mierendorff auf der vom F.B.I. überwachten öffentlichen Trauerfeier in New York. Sie gedachten dort Mierendorffs als des bei einem alliierten Luftangriff (air-raid) Anfang Dezember 1943 getöteten „militanten Sozialdemokraten“, der als sozialistischer Intellektueller im Untergrund für eine neue Volksfront zum Sturz des Nationalsozialismus gewirkt hatte.[3] Vagts hatte 1934 – seine persönlichen Beziehungen zu einflussreichen US-Politikern wie William E. Dodd jr., dem damaligen US-Botschafter in Berlin, und zum prominenten isolationistischen Historiker Charles A. Beard, seinem Schwiegervater, nutzend – eine Berufung Mierendorffs zum Professor für labor economics an das Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, organisiert, um diesem einen Emigrationsweg zu eröffnen. Anschließend hatte er noch 1935 Mierendorffs Freilassung aus der KZ-Gefangenschaft, auch im Rahmen einer politischen Amnestie, erwartet[4] und weitere Versuche zu seiner Befreiung unternommen.[5]

Als er nach dem Zweiten Weltkrieg aus seiner Position als US-Regierungsberater ausschied, führte Alfred Vagts bis zu seinem Tod 1986 an der US-amerikanischen Ostküste „ein konfortables Lebens als Privatgelehrter“ (independent scholar).[6]

Alfred Vagts Werk umfasst wissenschaftliche ebenso wie literarische und essayistische Bücher. Als Hauptwerk gilt The History of Militarism, Civilian and Military. Vagts wird – wie Hajo Holborn, Eckart Kehr, George W. Hallgarten, Fritz T. Epstein und Hans Rosenberg – zu jenen deutschsprachigen Historiker gezählt, die sich im Exil wissenschaftlich neu orientierten.[7]

Aufzeichnungen und Entwürfe Vagts für seine ungeschriebenen Memoiren befinden sich im Archiv des Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, und als Teilnachlass im Stadtarchiv Darmstadt. Sie verweisen unter anderem auf Verbindungen zu und Netzwerke zwischen engagierten Nazigegnern in Deutschland, Europa und den USA, vor allem in den Jahren 1933–1939.

Alfred Vagts ist ein Onkel des Schriftstellers Peter Schütt.

Werke

  • Ritt in die Not, München 1920; Neudruck Vaduz 1973 (Gedichte).
  • Mexico, Europa und Amerika unter besonderer Berücksichtigung der Petroleumpolitik, Berlin 1928
  • Deutschland und die Vereinigten Staaten in der Weltpolitik, 2 Bände, London/New York 1935.
  • The History Of Militarism, New York 1937; zahlreiche Nachdrucke.
  • Herausgeber zusammen mit Caroline Farrar Ware: The Cultural Approach to History, 1940
  • Hitler's Second Army, Washington 1943.
  • Geography in War and Geopolitics, 1943.
  • Landing Operations: Strategy, Psychology, Tactics, Politics, from Antiquity to 1945, Harrisburg 1946.
  • Defense and Diplomacy: The Soldier and the Conduct of Foreign Relations, New York/London 1956.
  • Deutsch-amerikanische Rückwanderung, Heidelberg 1960.
  • The Military Attaché, Princeton 1967.
  • Bilanzen und Balancen, hrsg. von Hans-Ulrich Wehler, Frankfurt 1979.

Literatur

  • Artikel Vagts, Alfred. In: International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Bd. II, Teil 2, S. 1187.
  • Petra Jenny Vock: Kritikwürdige Lyrik aus dem Kriege, dokumentarisch vielleicht wichtig. Die Gedichte des „Aktions“-Lyrikers Alfred Vagts aus dem Ersten Weltkrieg. Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft XLIII, 2004, S. 231–266

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter Th. Walter: Emigrierte Historiker in den Vereinigten Staaten 1945–1950: Blick oder Sprung über den Großen Teich? In: Christoph Cobet (Hrsg.): Einführung in Fragen an die Geschichtswissenschaft in Deutschland nach Hitler. Frankfurt am Main 1986, S. 41–50, hier S. 44.
  2. Christof Brauers: Die FDP in Hamburg 1945 bis 1953. Meidenbauer, München 2007, S. 68f.
  3. Ansprachen erstmals gedruckt in: Carlo Mierendorff. Porträt eines deutschen Sozialisten. Exil-Broschüre, 1944, S. 9–14 (Vagts) und S. 15–40 (Zuckmayer).
  4. Richard Albrecht: Der militante Sozialdemokrat. Carlo Mierendorff 1897–1943. Eine Biografie. Berlin/Bonn 1987, hier S. 182–187.
  5. Richard Albrecht, der Autor der Carlo-Mierendorff-Biographie, wertete Vagts Nachlass dahingehend aus und befragte ihn 1985 als Zeitzeugen: Richard Albrecht: Der militante Sozialdemokrat. Carlo Mierendorff 1897–1943. Eine Biografie. Berlin/Bonn 1987, hier S. 302–304, Anmerkungen 120–130.
  6. Claus-Dieter Krohn: Geschichtswissenschaften. In: Claus-Dieter Krohn u. a. (Hrsg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Darmstadt 1998, Sp. 747–760, hier Sp. 754.
  7. Claus-Dieter Krohn: Geschichtswissenschaften. In: Claus-Dieter Krohn u. a. (Hrsg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. Darmstadt 1998, Sp. 747–760, hier Sp. 750f.

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