- Gōjū Ryū
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Gōjū-Ryū (jap. 剛柔流; „harter und weicher Stil“) ist ein Karate-Stil mit lang zurückreichender Tradition, der besonders viele Elemente des ursprünglichen chinesischen Boxens des 17. bis 19. Jahrhunderts enthält. Der Namen Gōjū-ryū wurde von Chojun Miyagi (1888–1953) gewählt. Miyagi bezog sich bei der Auswahl des Stilnamens auf das lange Zeit geheim gehaltene Bubishi, in dem eine der „Acht Regeln des Faustkampfes“ da lautet: „Alles im Universum atmet hart und weich“ (Ho Gōjū donto).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Im Bugei Ryūha Daijiten, der Enzyklopädie der Kriegskunststile von Kyoshi Watatani und Yamada Tadashi (Tokyo, 1978) wird Gōjū-ryū unter anderem wie folgt charakterisiert:
- 古式の技であるという。 (Koshiki no waza dearu toiu.)
Das bedeutet: (Gōjū-ryū wird) „Auch Koshiki no Waza genannt.“ Koshiki no Waza sind „antike Techniken“, „Techniken der alten Schule“, oder „antike Riten“. Dementsprechend handelt es sich beim Gōjū-ryū um die Überlieferung traditioneller Kampfmethoden.
Gōjū-ryū Karate entwickelte sich aus der Erforschung und Systematisierung affektierter unbewaffneter Kampfbewegungen auf Okinawa. Die Entwicklung des Gōjū-ryū Karate ist mit der Geschichte von China, Ryūkyū und Japan verbunden.
Ryūkyū
In der Zeit der Drei Königreiche (Sanzan Jidai) kämpften drei Feudalfürsten (Anji) um die Macht in Okinawa, wobei die üblichen militärischen Mittel, Maßnahmen, Taktiken und Strategien zum Einsatz kamen, also Waffengebrauch, Reiten, Befestigungsbau usw. Während es in Okinawas Frühzeit entsprechend militärische Auseinandersetzungen gab, wurde 1429 ein Verbot des Waffenbesitzes für die gesamte Bevölkerung verhängt. Der Waffenbesitz wurde mittels staatlicher Bevorratung gesteuert und durch harten Strafen sanktioniert.
Als handelsstrategischer Partner des damals in Asien kulturell herrschenden chinesischen Reiches kam Okinawa über die maritimen Handelsrouten in Kontakt mit zahlreichen Ländern Asiens. Im 15. Jahrhundert entsandte China dem König von Ryūkyū ein komplettes „Kulturbüro“, die so genannten 36 Familien (Sanjuroku Sei), die sich in dem zu Naha gehörenden Dorf Kume niederließen. Sie stammten aus der südchinesischen Provinz Fukien und ursprünglich handelte es sich bei ihnen um Schiffshandwerker und Navigatoren, die den Tributverkehr zwischen China und Ryūkyū unterstützen sollten. Später kümmerten sich die Mitglieder dieser Kommune um alle möglichen Verwaltungs-, Handels-, Kulturfragen (inkl. Technik) und Sicherheitsfragen und brachten erstmals systematisch Kenntnisse über chinesisches Quanfa (Kungfu) nach Okinawa. Kume war für Ryūkyū Jahrhunderte lang das Fenster zur chinesischen Kultur.
1609 wurden das militärisch unbedarfte Königreich Ryūkyū vom Shimazu-Clan aus Satsuma, Kyūshū erobert. Alle Funktionen des Königreiches, wie der Königshof in Shuri, die 36 Familien sowie die Tributbeziehung mit China liefen jedoch weiter, was für die Entwicklung des Karate entscheidend war. Auch das Waffenverbot wurde von den Shimazu erneuert.
Auf Okinawa existierte ein einheimisches Kampfsystem, welches Te 手 genannt wurde/wird und welches anhand schriftlicher Quellen erstmals im 17. Jahrhundert nachgewiesen werden kann: Teijunsoku Oyakata (1663–1734) war Stadtoberhaupt der Stadt Nago und konfuzianischer Gelehrter. Er schrieb etwa um 1700:
- Unabhängig davon, wie du dich vielleicht in der Kunst des Te auszeichnen magst, oder in deinem akademischen Streben ...; nichts ist wichtiger als dein Verhalten und deine Menschlichkeit und wie du diesen im täglichen Leben folgst.
Te bedeutet wörtlich „Hand“, bedeutet hier jedoch soviel wie Kampfmethode. Im Dialekt von Okinawa wird dieser Begriff noch heute als Dī ディイ (mit langem i) ausgesprochen. Inhaltlich kann er mit dem japanischen Jutsu 術 verglichen werden.
Eine erste Systematisierung findet sich in dem Tōde 唐手 genannten Kampfsystem direkter kontinentaler Abstammung, welches etwa ab dem 17. Jahrhundert in zunehmendem Maße nachweisbar hauptsächlich von China aus nach Okinawa übertragen wurde.
- Etwa 1683: der chinesische Gesandte Wanshu lehrt in Okinawa Quanfa.
- Etwa 1760: der chinesische Militärattachê Kushanku unterrichtet in Okinawa wenigstens einen Schüler, Chatan Yara.
- „Tōde“ Sakugawa Kanga lebte im 18./19. Jahrhundert. Sein überlieferter Spitzname „Tōde“ ist ein Beweis für die Synthese des Te mit dem Quanfa.
- 19. Jahrhundert: Übertragung des Bubishi nach Okinawa beginnt; Einfluss der südchinesischen Stile des 17. bis 19. Jahrhunderts. (Das Dokument Bubishi gilt als Beweis für die Übertragung des chinesischen Boxens nach Okinawa. Es ist das einzig bekannte Dokument dieser Art und diesen Umfangs, und es handelt von chinesischen Box-Stilen, aus denen die Kata des Gōju-ryū stammten [Weißer Kranich und Arhat Boxen])
- Miyagi Chōjun schrieb in seinem 1934 erschienenen Zeitungsartikel Ein Überblick über das Karate-do: „Eine Stilrichtung des Kungfu wurde 1828 von Fuzhou nach Okinawa gebracht und diente als Quelle und Inspiration für das Gōjū-ryū Karate Kempō“. Bis heute ist nicht klar, wen oder was er damit meinte.
Tōde 唐手 kann verschiedentlich interpretiert werden. Te heißt zwar wörtlich „Hand“, beschreibt hier aber im Prinzip eine Kampfmethode. So bedeutet Tōde 唐手 soviel wie „chinesische Kampfmethode“ oder „fremdländische Kampfmethode“. (Tō 唐 ist die (chinesische) Tang-Dynastie, bedeutet aber auch einfach China oder „fremdländisch“).
Andere südostasiatische Einflüsse gelten als sehr wahrscheinlich.
Verantwortlich für die Entwicklung des späteren Karate waren die oft beamteten Funktionen innerhalb des Rangsystems des Königreichs. Die Funktionen dieser Ränge reichten vom Straßenpolizisten über Dorfvorsteher und Sicherheitspersonal für Burganlagen oder Tributschiffe bis hin zu hohen Ministern, Fürsten und Prinzen. Anhand der Titel der wichtigsten Protagonisten der okinawesischen Kampfkunst aus der Zeit des Ryūkyū-Königreiches lässt sich einwandfrei nachweisen, dass es sich um Personen von Rang handelte.
Ränge im Ryūkyū-Königreich (aufsteigend geordnet):
- Samurairang:
- Chikudun (wörtlich „zu Rang aufsteigen“)
- Chikudun Pēchin
- Satunushi
- Satunushi Pēchin
- Pēchin
- Daimyorang:
- Oyakata (Dorfoberhaupt bis Minister)
- Anji (Fürst, Marquis)
- Ōji (Prinzen und andere nahe Verwandte des Königs)
Mit der Abschaffung des Ryūkyū-Königreichs und der Einverleibung als Präfektur Okinawa in das japanische Reich im Jahre 1879 gingen alle diese Ränge und damit viele kulturell besetzte Rechte und Pflichten verloren (Deshalb tragen die Karateka neueren Datums keine Titel).
Erst 1905 wurde Karate (Shōrin Ryū und Shōrei Ryū) erstmals öffentlich im okinawesischen Schulsystem gelehrt (durch Itosu Ankō und Higashionna Kanryō).
Stilabgrenzungen
Das einheimische Kampfsystem Te 手 wurde durch den Einfluss des chinesischen Quanfa beträchtlich verbessert und ab dem 18. Jahrhundert Tōde 唐手 genannt. Daraus entwickelte sich mit der Zeit schließlich das ursprüngliche Karate 空手, welches in Shuri-te 首里手, Tomari-te 泊手 und Naha-te 那覇手 eingeteilt wurde, also in die spezifischen Kampfmethoden der Bezirke Shuri, Tomari und Naha. Diese Einteilung ist teilweise noch heute gültig. Daneben gibt es weitere ursprüngliche Stile, die den genannten Einteilungen nicht direkt zuzuordnen sind. Ferner werden diese Stile zwei übergeordneten Klassen zugeordnet: Shōrin Ryū 少林流 und Shōrei Ryū 昭霊流.
Shōrin Ryū 少林流: Beschreibt die Stile des Shuri-te 首里手 und Tomari-te 泊手. Shōrin 少林 bedeutet hier „Shaolin-Stil“ und ist ein Hinweis auf den Einfluss der nordchinesischen Stile des Shaolin Tempels. Wörtlich bedeutet Shōrin 少林 „ein bisschen Wald“.
- Heute wird Shōrin-ryū wie folgt unterteilt:
- Matsubayashi-ryū 松林流: Auch Matsubayashi-Ryu kann alternativ „Shōrin“ gelesen werden. Es bedeutet „Kiefernhain“.
- Kobayashi-ryū / Shōbayashi-ry: 小林流: Auch diese beiden können „Shōrin“ ausgesprochen werden. Ko und Shō sind zwei Möglichkeiten der Lesung des Kanji 小. Tatsächlich wird angenommen, dass lediglich ein „Lesefehler“ zu der Unterscheidung führte. Von ihrer Herkunft her sind beide Stile nahezu identisch. Kobayashi / Shōbayashi 小林 bedeutet „kleiner Wald.“
- Shōrin-ji-ryū 少林寺流: 1954 von Nakazato Joen gegründet. Shōrin-ji 少林寺 bedeutet „Shaolin Tempel“.
- Sukunai Hayashi-ryū 少林流: Dies ist wiederum eine alternative Lesung derselben Kanji wie in „Shōrin-ryū“, mit „Shōrin“ wieder in der Bedeutung „Shaolin“. Die Lesung des Kanji 少 als Shō bedeutet „wenig, ein bisschen“, wohingegen die Lesung Sukunai „wenig, gering“ bedeutet (Dieser Stil ist auch als Matsumura Seitō-ha 松村正統派 bekannt.)
- Shōrei Ryū 昭霊流:: Beschreibt üblicherweise das Naha-te 那覇手, das spätere Gōjū Ryū 剛柔流. Die Entwicklung dieser Strömung unterlag dem Einfluss südchinesischer Stile. Shōrei 昭霊 bedeutet soviel wie „klarer Geist“. Ob diesem Begriff einst ein bestimmter Bedeutungsinhalt in Bezug auf die südchinesischen Stile immanent war, ist nicht bekannt. Zum Shōrei Ryū 昭霊流 sind wegen ihrer ebenfalls südchinesischen Herkunft auch Uechi Ryū 上地流 und Ryūei Ryū 劉衛流 zu zählen.
- Gōjū Ryū 剛柔流
- Uechi Ryū 上地流
- Ryūei Ryū 劉衛流
Historische Protagonisten
Gōju-ryu ist gleichberechtigt im „japanischen“ wie im „okinawaischen“ Karate vertreten. In den heutigen Stilen bezieht sich die Besonderheit der jeweiligen Gōju-ryu-Strömung häufig auf den Zeitraum, in dem die Kunst erlernt wurde, bzw. auf das entsprechende Training der Meister jener Zeit (Miyagi, Higa, etc.), die Karate unterrichteten. Die Art des Trainings, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Okinawa von Miyagi Chōjun praktiziert wurde, gelangte ab 1930 in seiner originalen Form auf die japanischen Hauptinseln und wurde dort konserviert. Auch existieren Dōjō, welche die traditionelle, von Seiko Higa gelehrte Form zum Inhalt haben.
Higashionna Kanryō (1853–1917)
Studierte chinesische Kampfkünste in der Tradition des „Weißen Kranichboxens“ und entwarf die Kunst des Naha-te. Sein bedeutendster Schüler war Miyagi Chōjun. Kanryō wurde am 10 März 1853 in Nishimachi, Naha, Okinawa geboren. Als Kanryō 14 Jahre alt war, starb sein Vater. Im selben Jahr begann er sein Training im Karate mit Arakaki Seishō 新垣世宗 (1840–1920), der später in der Funktion eines Tsūji Pēchin (Übersetzer) nach China geschickt wurde. Auch Kanryō ging nach China, allerdings zum Studium der Kampfkunst. Er ging nach Fuzhou 福州 in der südchinesischen Provinz Fukien 福建省. Man sagt, dass er die Hafenstadt 1873 erreichte und fünfzehn Jahre blieb. Es ist nicht ganz klar bei wem er welchen Stil studierte; mitunter wird das Kojō-Dōjō in Fukien als Ausgangspunkt angenommen, weiterhin der Bukan (武官; Militäroffizier) Wei Shinzan (dem es wegen seines Berufes aber verboten gewesen sein soll, Privatleute zu unterrichten). Ein großer Teil von Kanryō's Lehre geht jedenfalls auf Ryūrūko zurück, einen chinesischen Meister in der Tradition des Weißer Kranich Boxen.
Das chinesische System, dass Kanryō von Wei Shinzan und Ryūrūko lernte, war wahrscheinlich eine Mischung aus südchinesischen Stilelementen, basierend auf dem Weißer Kranich Boxen und dem 5 Ahnen Stil. (Diese wird bestätigt durch die Reise einer japanischen Gruppe unter der Leitung von Tomoharu Kisaki Mitte der 80er Jahre nach Fukien, in die Formen der chinesischen Stile mit den Goju-ryu Kata wie Sanchin 三戦, Sansēru 三十六, Superinpē (Pēcchurrin) 百零八 verglichen wurden.) Ein weiterer allgemeiner Begriff für die südchinesischen Boxstile jener Zeit wird als Pan Gainoon 一半硬半軟 gegeben, welches wörtlich übersetzt „halb-hart halb-weich“ bedeutet. Dazu studierte Kanryō auch Waffentechniken. (Eine interessante Angelegenheit, vor allem auch im Bezug zu Geschichte und Lehrplan des Ryūei-ryū.)
Chōjun Miyagi (1888–1953)
Geboren 25 April 1888 in Higashimachi, Naha. Namensgeber des Gōjū-ryū. Unter anderem durch Miyagis Wirken wurde das Gōjū-ryū der erste Karate-Stil, der offiziell vom Dai Nippon Butokukai 大日本武徳会 1933 anerkannt und registriert wurde. Gleichzeitig war Miyagi der erste Karateka, der vom Dai Nippon Butokukai einen japanischen Budō-Titel im Karate-jutsu verliehen bekam, den eines Kyōshi. Nach seinem Tod gründeten seine wichtigsten Schüler eigene Gōjū-ryū-Dōjō und Verbände. Die legitime Eigenständigkeit jedes dieser Dōjō und Verbände zeigt sich darin, dass man heute zur genaueren Spezifizierung den Dōjōnamen zusätzlich zum Stil nennt, z. B. Shōdōkan, Jundōkan, Meibukan etc., bzw. den entsprechenden Verband zugrundelegt.
Higa Seiko (1898–1966)
Geboren am 8. November 1898 in Naha. Ab 1911 oder 1912 trainierte er unter Higashionna Kanryō, später zusammen mit Miyagi Chōjun, der sozusagen Higa's Sempai war. nach einer Karriere als Lehrer und Polizist eröffnete er 1931 sein erstes eigenes Karate-Dōjō. Spezifizierung: Shōdōkan.
Yagi Meitoku (1912–2003)
Geboren 6 März 1912. Begann 1926 sein Training unter Miyagi Chōjun. Nach Miyagi's Tod wurden ihm durch Miyagi's Familie Dogi und Obi des Meisters vererbt (der Dōgi wurde einst von Miyazato Ei'ichi für Miyagi gekauft). Spezifizierung: Meibukan, gegründet 1952.
Toguchi Seikichi (1917–1998)
Geboren am 20. Mai 1917 in Naha. Spezifizierung: Shoreikan.
Miyazato Ei'ichi (1922–1999)
Geboren am 5 Juli 1922 in Higashi-machi, Naha. Begann sein Karatetraining 1935, und 1938 kam er zu Miyagi Chōjun. Nach Miyagis Tod 1953 erbte Miyazato alle Hojo Undō 補助運動 -Geräte seines Meisters. Spezifizierung: Jundōkan, gegründet 1954.
Kisaki Tomoharu (1920–1996)
9. Dan Hanshi aus Osaka, Japan. trat 1939 (zusammen mit Uchiage Kenzo und Katano Kenkichi) dem Karate-Club der Ritsumeikan Universität bei, wo er Gōjū-ryū unter und mit Miyagi Chōjun, Yamaguchi Gōgen und anderen studierte. Die Ritsumeikan Universität war nicht nur Hochburg des japanischen Gōjū-ryū, sondern stellte auch eine harte Fraktion in Kumite-Angelegenheiten, die als „Last-man-standing“-modus beschrieben wurde (ein Zeuge dieser Kämpfe war Ōyama Masutatsu). 1954 gründete er das Yuishinkan Dōjō in Osaka, welches 2004 sein 50-jähriges Bestehen feierte. Neben Kenzo Uchiage, Kinkichi Katano, Yamaguchi Gōgen, Shozo Ujita und Mitsuyasu Okamura war Kisaki Tomoharu einer der 6 wichtigsten Vertreter des frühen Gōjū-ryū in Japan. Spezifizierung: Yuishinkan, gegründet 1954. Sensei Kisaki ist Abkömmling einer Familie mit Samurai-Wurzeln und -traditionen. Sein Vater war lange Jahre Bürgermeister im Stadtteil Morigushi in Osaka. Noch heute steht vor dem Keihan-Building eine große Steinbüste des Vaters, der ein hoch angesehenes Mitglied der traditionsbewussten Nomenklatura war. Auch Tomoharu sah sich diesen Traditionen verpflichtet und absolvierte eine Militärkarriere, die ihn selbst auch nach China führte, wo er sich einige Jahre den Wurzeln des Karate zuwenden konnte. Darüber hinaus war er dem Judo eng verbunden. All diese Erfahrungen brachte er in das Yushinkan ein. In Japan machte er sich insbesondere einen Namen als Instructor an der Universität und in der Polizei und genoss großes Ansehen als Vertreter des Goju Ryu Karate. Sowohl in Europa, hier in Deutschland als größte Bastion (Zentrum ist Kamen, NRW) (Seiko Shihan Fritz Nöpel) und Belgien, als auch in Australien etablierte er Ableger des Yushinkan.
Technik
Beim traditionellen Gōjū-ryū Karate werden Verteidigungs-, Angriffs- und Meidbewegungen mit allen Teilen des Körpers verbunden mit Fuß- und Körperbewegungen Tai sabaki in defensiven und offensiven Manövern im unbewaffneten Nahkampf eingesetzt.
Die expliziten Bewegungsmuster des traditionellen Karate wurden in zahlreichen Kata überliefert. Einige dieser Kata sind nachweislich mehrere hundert Jahre alt (z.B. Sanchin) und sind als lebendig erhaltenes Kulturgut zu betrachten. Kata sind das Herz der Technik des Karate.
Training
Das Training selbst setzt sich aus verschiedenen unterstützenden (Makiwara, Krafttraining), athletischen und stiltechnischen (Kihon, Kata, Kumite) Übungen zusammen, begonnen und beendet mit Reigi 礼儀 (Höflichkeit, Anstand, Benehmen). Die erforderliche Disziplin beim Training hat auf der einen Seite einen (selbst)disziplinierenden Effekt, auf der anderen Seite ist sie wichtige Voraussetzung für die Sicherheit beim Training mit Partnern.
Der Wert für die Selbstverteidigung ist dieser Kampfmethode immanent.
- Kihon ist die Grundschule des Karate, in der explizite Techniken geübt und verfeinert werden.
- Kata sind festgelegte Bewegungsabfolgen. Die einzelnen Stile unterscheiden sich hauptsächlich durch die Anzahl und Art der geübten Kata, sowie die daraus resultierenden Stil-Prinzipien.
- Kumite sind Kampfübungen mit Partnern. Der „Scope“ ist völlig frei, das heißt, von festgelegten Übungen (Yakusoku-Kumite) bis zum Freikampf ist alles möglich. Für den Freikampf, der oft Tegumi oder Iri-kumi genannt wird, ist neben der Athletik eine gewisse menschliche und technische Reife erforderlich, sowie ausreichende Nehmer- und Geberqualitäten.
Im Gōjū-ryū wird auch der Atmung, die Ibuki oder Ikibuki genannt wird, besondere Aufmerksamkeit gewidmet; genauer gesagt der Koordination der Atmung mit den Bewegungen, was vor allem in den Heishu-Kata Sanchin und Tensho vermittelt wird.
Neben den „harten“ Tritt- und Schlagtechniken, werden im Gegensatz zu anderen Karate Stilen seit jeher auch vermeintlich „weiche“ Techniken, wie Würfe, Würgegriffe, Arm- und Beinhebel, Haltegriffe und Bodenkampf gelehrt.
Eine weitere Spezialität sind die so genannten „Klebenden Hände“ (jap.: Kaki-e), eine sehr effektive Grappling-Übung.
Prinzipien und Methoden, die im Training zum Tragen kommen, sind z.B. Gamaku ガマク (Hüfteinsatz) und Kakie カキエ. Hier einige Beschreibungen:
- Muchimi ムチミ: Übersetzt als nachgebend, flexibel, elastisch, bedeutet dies eigentlich „schwere, klebrige Hand“. Die Bewegungen der Hände werden dabei dennoch fließend ausgeführt wird. Beispiel: Tensho-Kata.
- Chiru no Chan Chan: Dies ist eine Form der Muskelspannung, in dem die Muskeln zwar angespannt, aber dennoch flexibel und elastisch sind. Ermöglicht Sensibilität und daraus resultierend angemessene Reaktion auf einen Angriff.
- Chinkuchi Kakin チンクチカキン: oft auch einfach Chinkuchi genannt. Bezieht sich auf die Spannung oder Stabilisation der Gelenke. Im Gegensatz zum Muchimi sind die Gelenke des Körpers hier für den Augenblick des Aufpralls „gesperrt“. Beispiel für ein „verlängertes“ Chinkuchi Kakin und typisch für diesen Wortgebrauch ist die Sanchin-Kata, und so wird es auch im Bereich des Kikōjutsu 気功術 angesiedelt, da das Sperren der Gelenke mit der Atmung koordiniert oder sogar erst durch sie herbeigeführt wird. – Chinkuchi チンクチ. Die Bedeutung ist ein „zusammenschnüren“ oder „festziehen“ der Muskeln und Gelenke„ in einen gesperrten Zustand. Ein andere Ausdruck hierfür ist Gōtaijutsu 剛体術, die Fertigkeit des starren Körpers oder Gōtaika 剛体化, den Körper verhärten. – kakin カキン, stammt möglicherweise von kake 掛, als Suffix an Verben „an(gebissen)“, als Suffix an Nomen „Haken“.
d.) Chikara nu nujisashi: Bezieht sich auf die langsamen, mit großer Kontrolle ausgeführten Teile der Kata. Steht im Gegensatz zu den rein kraftvollen Bewegungen. Möglicherweise: – chikara 力: Kraft, Stärke. – nu = no の. – nu(ku) 抜 (als Suffix): etwas die ganze Zeit bis zum Ende durchführen. – sa(su) oder sa(shi) 差: ausstrecken (die Hand); anschwellen; oder als emphatisches Verb-Präfix.
Kata
Die Kata im Gōjū-Ryū zeichnen sich durch dynamische, kreisförmige Bewegungen und durch einen stabilen Stand aus. Chojun Miyagi (1888–1953) legte 12 Kata für das Gōjū-Ryū fest. (Hinzu kommen die Taikyoku-Kata, die ihren Ursprung in Japan haben und auch in Deutschland geübt werden.) Die Kata können grob in folgende Kategorien und Typen unterteilt werden:
Kategorie:
- "Fukyu-Kata" (jap. 普及型, dt. "verbreitete Kata" -> Anfängerkata)
- "Kihon-Kata" (jap. 基本型, dt. "Kata der Grundschule")
- "Koryu-Kata" (jap. 古流型 dt. "Kata der alten Schule" -> klassische Kata mit chinesischem Ursprung)
Typus:
- "Haishu-Kata" (jap.閉手型, dt. "Kata der geschlossenen Hand")
- "Kaishu-Kata" (jap. 開手型, dt. "Kata der offenen Hand")
Taikyoku-Kata des Gōjū-Ryū Kategorie Taikyoku Jodan Fukyu-Kata (普及型) Taikyoku Chudan Fukyu-Kata (普及型) Taikyoku Gedan Fukyu-Kata (普及型) Taikyoku Kake-Uke Fukyu-Kata (普及型) Taikyoku Joshugi Fukyu-Kata (普及型) Taikyoku Mawashi-Uke Fukyu-Kata (普及型) ´
12 Kata des Gōjū-Ryū Typus Kategorie Gekisai-Dai-Ichi (撃砕第一) Kaishu-Kata (開手型) Fukyu-Kata (普及型) Gekisai-Dai-Ni (撃砕第二) Kaishu-Kata (開手型) Fukyu-Kata (普及型) Sanchin (三戰) Haishu-Kata (閉手型) Kihon-Kata (基本型) Tensho (転掌) Haishu-Kata (閉手型) Kihon-Kata (基本型) Saifa (碎破) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Seiyunchin (制引戰) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Sanseru (三十六手) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Shisochin (四向戰) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Seisan (十三手) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Sepai (十八手) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Kururunfa (久留頓破) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Suparinpai (壱百零八手) Kaishu-Kata (開手型) Koryu-Kata (古流型) Haishu und Kaishu
"Haishu" und "Kaishu" sind zwei wichtige Konzepte des Gōjū-Ryū. "Hai" bedeutet geschlossen, "Kai" bedeutet geöffnet. Die Silbe "Shu" bedeutet Hand. Die wörtliche Übersetzung lautet:
- Haishu – Geschlossene Hand
- Kaishu – Offene Hand
„Hand“ ist hier jedoch nur symbolisch zu verstehen.
Tatsächlich beschreiben diese beiden Begriffe den Spannungszustand der Muskulatur sowie die Funktion der Gelenke in der Ausführung der Kata.
- In den Haishu-Kata wird eine gleichmäßig große Spannung über die ganze Ausführung der Kata hindurch beibehalten, während die Gelenke dabei eher „eingerastet“ bewegt werden. Die Atmung gehört dazu und begleitet die ganze Bewegung. Diese Katas werden mitunter auch „isometrische“ oder „isokinetische“ Kata genannt.
- In den Kaishu-Kata ist die entscheidende Spannung nicht in der Bewegung als solches, sondern lediglich im Kime-Punkt.
Im Gōjū-Ryū sind deshalb üblicherweise Sanchin und Tensho die Haishu-Kata. (Es gibt auch Beschreibungen, in denen sie beide als Kihon Kata, oder Sanchin als Kihon und Tensho als Haishu-Kata beschrieben werden; letzteres in Miyazato Eiichi: Okinawa Den Gōjū-Ryū Karate-dō.)
Für Chojun Miyagi bedeutete "Haishu" grundlegende Kata und kam daher eine besondere Bedeutung zu.[1] Durch sie erlernt man die richtige Körperhaltung und das richtige Ein-und Ausatmen. Man erlernt die Kraft harmonisch zu steigern und zu senken. Man entwickelt eine starke Physis und den starken Willen eines Kriegers. [2]
Philosophie
Die Philosophie des Goju-Ryu folgt der Philosophie des Karate-Do und damit auch den 20 Regeln die Gichin Funakoshi für das Karate aufgestellt hat ("Funakoshi Gichin no Karate Do niju jo").
Die Kata bilden nicht nur den technischen Grundriss, sondern transportierten auch die philosophischen Werte des Karate; „Karate ni sente nashi“ findet sich in den Kata wieder, die immer mit einer Defensivbewegung beginnen. Dies impliziert, dass Karate nur als Reaktion auf einen Angriff gedacht ist, niemals als unbegründete Aktion aus sich selbst heraus.
Des Weiteren ging die Überlieferung der Kata mit einer Anreicherung durch asiatische Philosophien einher (Taoismus, Buddhismus, Konfuzianismus), welche letztendlich eine friedlich orientierte (Gesellschafts-)Ethik formten, die sich scheinbar paradoxerweise durch das Training in dieser Kampfmethode im Menschen manifestieren soll. Die Effekte des Trainings sollen so idealerweise zu einer friedlichen und aufrichtigen Grundeinstellung sowie einem undominierbaren Geist führen.
Chojun Miyagi beschreibt einige Vorzüge des Karate wie folgt [2]:
- "1.) Es ist nicht viel Platz zum Üben des Karate notwendig."
- "2.) Man kann Karate alleine oder mit anderen in einer Gruppe üben."
- "3.) Man braucht nicht viele Stunden, um Karate zu üben."
- "4.) Man kann die Kata wählen, die für die körperliche Physis geeignet ist und sie unabhängig vom Alter und Geschlecht üben."
- "5.) Man kann Karate, ohne viel Geld auszugeben, mit einfacher Ausrüstung oder ohne sie üben.
- "6.) Karate ist ein wirkungsvolles Mittel zur Förderung der Gesundheit. Es gibt viele Karateka die gesund sind und lange leben."
- "7.) Als Ergebnis des Trainings von Körper und Geist entwickelt man den Charakter und erwirbt einen unbezwingbaren Geist."
Ziel
„Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist nicht Sieg noch Niederlage – der wahre Karatekämpfer erstrebt die Vervollkommnung des Charakters.“ Dies ist der Leitspruch der Japan Karate Association. Er zeigt, dass Karate mehr als nur ein Sport oder das Üben von Techniken ist. Karate lässt sich als eine Lebensschule und als eine Lebenshilfe verstehen. Durch das Training pflegt man den guten Umgang mit anderen Menschen und lernt dabei Willensstärke, Mut, Disziplin, Selbstkritik, Toleranz, Ausdauer, Bescheidenheit und Rücksichtnahme.
Traditionelles Gōjū-Ryū Karate leistet dazu seinen Beitrag und ist als langfristige, lebenslange Übung zu verstehen.
Chojun Miyagi war Zeit seines Lebens auf der Suche nach der "Wahrheit" des Karate. In einem Essay bemerkte er dazu[1]: "Ich nehme an, die ultimative Formel zur Wahrheit ist Tao, der Weg. Ich kann diese Maxime nicht richtig verstehen, doch manchmal fühle ich, ich kann sie verstehen. Ich denke wir haben "eine Formel und keine Formel" zu meistern, dann können wir Karate in der Tiefe studieren und gelangen zur Wahrheit des Karate."
Logos/Symbole
Die Logos sind meist Symbole verschiedener Dōjō. So haben Meibukan und Jundōkan unterschiedliche Logos, obwohl sie aus derselben Linie (von Miyagi) stammen.
Neben den zahlreichen Logos auf Okinawa sind in Deutschland seit langem zwei Logos des Gōjū-Ryū verbreitet: die Drachenkopffaust der japanische Yamaguchi-Linie, die Drachenkopffaust des JKF Gōjū-Kai und die im "Shiko-Dachi" stehende Drachenfigur des Yuishinkan. Die Figur des Yuishinkan stimmt mit dem Familienzeichen einer alten Adelsfamilie von Ryūkyū (Okinawa) überein. .
Tierstile
Beide Logos stehen für den Drachen ("Tatsu"), da es sich beim Gōjū-Ryū um einen "Drachen-Stil" handelt. Anders als z.B. beim Shotokan (Tiger, "Tora") ist das Tier nicht direkt im Symbol zu finden, da es sich beim Drachen um ein Hoheitstier der Chinesen handelt. Auch wenn die Wurzeln des Karate ursprünglich in China liegen, würde dies kaum ein japanischer Meister zugeben, geschweige denn ein Hoheitszeichen der Chinesen zulassen.
Die Drachen sind in den beiden Logos nicht leicht zu erkennen. Bei der Faust handelt es sich, wie bereits erwähnt, um eine Drachenkopf-Faust, eine Technik des Drachens, bei der Figur sogar um den Drachen selbst. (Zu erkennen ist der Drache, an seinem Schwanz.)
Neben Schlange ("Hebi"), Leopard ("Yaze Neko"), Kranich ("Hakutsuru") handelt es sich um die so genannten 5 Tierstile des Shaolin Quan. Alle mit ihren spezifischen Taktiken und Techniken. Diese Tiere prägen auch die Stilrichtungen. Der Drache verfügt über die meisten Techniken und Waffen. Er benutzt nicht nur kreisförmige Bewegungen und weiche Techniken (zu finden in der Baihepai- und Hakutsuru Kata), sondern enthält auch Techniken anderer Tiere wie der Schlange – sprich greifen und halten. Der Tiger als Gegenbeispiel ist ein schnelles und starkes Tier. Er geht gerade in den Gegner hinein, schlägt durch die Deckung etc., ausweichen und erneutes Angreifen von der Seite, wie es der Drache symbolisiert, kennt er nicht.
Siehe auch
- japanische "Karate-Ausdrücke"
Literatur
- Werner Lind: "Lexikon der Kampfkünste"; Sportverlag 2001; ISBN 3-328-00898-5
- Horst Espeloer, Ulrich Heckhuis, Horst Nehm: „Goju-Ryu Karate-Do“; Eigenverlag Espeloer, Heckhuis, Nehm; Dortmund 1997; ISBN 3-00-001342-3
- Patrick McCarthy: "The Bible of Karate - Bubishi"; Tuttle Publishing (Oktober 1995); ISBN 0-8048-2015-5
- Sōshin Nagamine: „Okinawa no Karatedō“ (1975, Shinjinbutsu Oraisha)
- Eiichi Miyazato: „Okinawa Den Gōjū-ryū Karate-dō“ (1979, Jitsugyo no Sekaisha)
- Chojun Miyagi: "Ryukyu Kenpo Karatedo Enkaku Gaiyo", ("Historical Outline of Karate-Do, Martial Arts of Ryukyu".“), Osaka 28. Januar 1936 - Essay. Erschienen als Anhang in: Eiichi Miyazato: „Okinawa Den Gōjū-ryū Karate-dō“, 1979, Jitsugyo no Sekaisha & Sōshin Nagamine: „Okinawa no Karatedō“, 1975, Shinjinbutsu Oraisha
- Chojun Miyagi: "Breathing in and breathing out in accordance with "Gō" and "Jū". A miscellaneous Essay on Karate. Erschienen in: "Bunka Okinawa" Vol.3 No.6; 15. August 1942 & als Anhang in: Masahiro Nakamoto:„Chūgoku Okinawa Karate Kobudō no Genryū“,Bunbukan, 1. April 1985"
Einzelnachweise
- ↑ a b Chojun Miyagi: "Breathing in and breathing out in accordance with "Gō" and "Jū". A miscellaneous Essay on Karate." "Bunka Okinawa" Vol.3 No.6; 15. August 1942"
- ↑ a b Chojun Miyagi: "Historical Outline of Karate-Do, Martial Arts of Ryukyu" "Ryukyu Kenpo Karatedo Enkaku Gaiyo", Osaka 28. Januar 1936
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