- Hansischer Goethe-Preis
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Der Hansische Goethe-Preis wurde von 1949 bis 1959 jährlich, dann bis 2005 alle zwei Jahre an Persönlichkeiten aus europäischen Ländern verliehen, „die sich durch überragende völkerverbindende humanitäre Leistungen im Geiste Johann Wolfgang von Goethes ausgezeichnet haben.“ Der Preis war mit 25.000 Euro dotiert und wurde von der Stiftung des Hamburger Kaufmanns Alfred Toepfer (1894–1993), der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S., ausgelobt. Vorsitzende des Stiftungsvorstands war bis zu ihrem Tode im November 2010 Birte Toepfer, die Gattin von Heinrich Toepfer, dem jüngsten Sohn des Stifters.
Dem Kuratorium für den Hansischen Goethe-Preis gehörten an: Nikolaus Lobkowicz, Eichstätt (Vorsitzender), Bernard Böschenstein, Genf (Stellvertr. Vorsitzender); Klaus Bohnen, Aalborg/Dänemark; Luigi V. Ferraris, Rom/Italien, Staatsrat; Ortrud Gutjahr, Hamburg; Jerzy Holzer, Warschau/Polen, Ludo Simons, Antwerpen/Belgien.
Daneben verlieh die Stiftung seit 1973 bis 2005 noch eine „Johann-Wolfgang-von-Goethe-Medaille in Gold“ für dieselben Leistungen oder für „Verdienste um die Erhaltung des europäischen Kulturerbes“. Bisherige Empfänger dieser Auszeichnung waren unter anderem Siegfried Lenz, die Fondazione Giorgio Cini, Venedig; Rolf Liebermann, Hamburg; Max Wehrli, Zürich; Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza de Kászon, Lugano/Madrid; Viktor Frankl, Wien, und Pietro Citati, Rom.
Inhaltsverzeichnis
Diskussion um Toepfer im Dritten Reich
Wegen Alfred Toepfers Aktivitäten im und für das Dritte Reich wurde der Hansische Goethe-Preis 2005 von der Theaterleiterin Ariane Mnouchkine abgelehnt. Zuvor hatte sich bereits 1996 die Stadt Straßburg vom Prix Strasbourg distanziert, einem anderen Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S. Insbesondere kritisierte der Basler Wissenschaftshistoriker Michael Fahlbusch Toepfers Finanzierung der NS-Kultur- und Grenzlandpolitik als „kulturelle Fünfte Kolonnen“.
Die Stiftung bedauerte Mnouchkines Ablehnung und verwies zugleich auf den Bericht einer „unabhängigen wissenschaftlichen Kommission“ unter Vorsitz des Historikers Hans Mommsen, die Toepfers Tätigkeiten im Dritten Reich untersuchte. Darin kam man nach dreijähriger Forschung im Dezember 2000 zum Schluss: Toepfer „teilte nie die zentralen Ziele und Motive der führenden Nationalsozialisten. Rassismus und Antisemitismus lagen ihm fern. [...] Aber Alfred Toepfer hat die nationalsozialistische Diktatur nie bekämpft. Solidarität mit den von ihr Ausgegrenzten und Verfolgten hat er ebenso wenig bekundet wie Sympathien mit Kreisen des Widerstandes gegen Hitler.“ Es sei aber „in jedem Fall verfehlt, Toepfer mit dem verbrecherischen Tun des NS-Regimes in direkte oder auch indirekte Verbindung zu bringen“.[1]
Mommsen griff damit Fahlbuschs Thesen an, doch bleibt die Legitimation umstritten, immer noch Kulturpreise für „überragende völkerverbindende humanitäre Leistungen“ in seinem Namen zu vergeben. Diesem Anspruch wurde der Stifter selbst nicht gerecht, da er im Dritten Reich auch Nazis auszeichnete[2] und er sich mit den Nazis geschäftlich und politisch arrangierte.
Die Stiftung entschloss sich, die Vergabe der beiden Goethe-Preise einzustellen sowie auch andere Preise nicht mehr auszuloben.
Preisträger
- 1950: Carl Jacob Burckhardt
- 1951: Martin Buber
- 1952: Eduard Spranger
- 1953: Eivind Berggrav
- 1954: T. S. Eliot
- 1955: Gabriel Marcel
- 1956: Walter Gropius
- 1957: A. Weber
- 1958: Paul Tillich
- 1959: Theodor Heuss
- 1961: Benjamin Britten
- 1963: Wilhelm Flitner
- 1965: Hans Arp
- 1967: Salvador de Madariaga
- 1969: Robert Minder
- 1971: Giorgio Strehler
- 1972: Albin Lesky
- 1973: Manès Sperber
- 1975: Carlo Schmid
- 1977: Willem Adolf Visser 't Hooft
- 1979: Hans-Georg Wormit
- 1981: Antonio Tovar
- 1985: Karl-Heinz Hahn
- 1988: A. Sauvey
- 1989: Carl Friedrich von Weizsäcker
- 1991: Goethe-Gesellschaft
- 1993: Jean Starobinski
- 1995: Nikolaus Harnoncourt
- 1997: Harald Weinrich
- 1999: Ryszard Kapuściński
- 2001: Pina Bausch
- 2003: Cees Nooteboom
- 2005: Ariane Mnouchkine lehnte den Preis ab wegen der „zweifelhaften Vergangenheit“ Toepfers.
Literatur
- Susanne Hornfeck (Bearb.): Der Hansische Goethe-Preis. 1949–1999. Alfred-Toepfer-Stiftung FVS [FVS = Freiherr vom Stein], Hamburg 1999
- Georg Kreis (Hrsg.): Alfred Toepfer - Stifter und Kaufmann. Bausteine einer Biographie; kritische Bestandsaufnahme. Christians, Hamburg 2000 [Bericht der „Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission“]
- Jan Zimmermann: Die Kulturpreise der Stiftung F.V.S. 1935–1945. Darstellung und Dokumentation. Hrsg. von der Alfred-Toepfer-Stiftung F.V.S., Christians, Hamburg 2000 (Rezension)
Weblinks
- Alfred Toepfer Stiftung
- Schlohmoh Gysin: Alfred Toepfer: Nazi oder Humanist? Israelitisches Wochenblatt, 99. Jg., 1999, Nr. 16, 23. April 1999, S. 8-10. Zur Rolle von Toepfers Stiftungen
- Schlohmoh Gysin: (Zu) viele offene Fragen nach Interpellationsbeantwortung, Israelitisches Wochenblatt, Nr. 23, 11. Juni 1999
- Rezension von Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? 1999 ISBN 3-7890-5770-3
- Deutschlands größte private Stiftung, Hamburger Abendblatt, 31. Januar 2004
- Deutschlandfunk: Theaterleiterin Mnouchkine lehnt Goethe-Preis ab. Interview mit dem Historiker Hans Mommsen, 18. April 2005
- „Es drängte Toepfer nie zur NSDAP“. In: Die Welt. 19. April 2005
- „Wer ehrt wen? Oder: Pecunia olet“. In: Rheinischer Merkur. 21. April 2005, Nr. 16
Quellen
- ↑ „Es drängte Toepfer nie zur NSDAP“ In: Die Welt Ausgabe vom 19. April 2004
- ↑ Die Kulturpreise der Stiftung F.V.S. 1935–1945, H-Soz-u-Kult, 3. Mai 2001
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