- Harald Gerlach
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Harald Gerlach (* 7. März 1940 in Bunzlau; † 19. Juni 2001 in Leimen) war ein deutscher Lyriker, Schriftsteller und Bühnenautor.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Gerlachs Familie flüchtete 1945 aus Niederschlesien nach Römhild in Südthüringen. Dort machte Harald Gerlach 1958 in Meiningen sein Abitur, erhielt aber, da er sich weigerte, Wehrdienst in der Volksarmee zu leisten, keinen Studienplatz. Er geriet in Konflikte mit dem SED-Staat, als er 1960 die DDR verließ und für ein halbes Jahr durch Italien und Südfrankreich reiste. Nach seiner Rückkehr arbeitete er zeitweilig als Kiesgrubenarbeiter, Totengräber und Bühnentechniker. Später begann er ein Fernstudium, das er 1968 als Theatermeister abschloss. 1970 wurde er als Dramaturg bei den Städtischen Bühnen Erfurt angestellt. Ab 1984 arbeitete er als freischaffender Schriftsteller. Seine Arbeiten waren vielfältig: er schrieb Essays, Lyrik, Romane, Hörspiele und Libretti. Gerlach erhielt zahlreiche Preise, so zum Beispiel 1985 den Louis-Fürnberg-Preis, 1990 den Hörspielpreis von Terre des Hommes, 1993 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung Weimar und 1994 den Förderpreis des Lyrikpreises Meran. Er wohnte zuletzt in Leimen und starb dort 2001 im Alter von 61 Jahren an den Folgen eines Hirntumors. In einem Nachruf charakterisierte Der Spiegel ihn so: „Der Mann [...] war einer der Stillen im Lande, doch ein unbeirrbarer Eigensinn zeichnete ihn aus.“[1]
Aufgrund einer Initiative Ingo Schulzes haben das Thüringer Kultusministerium und die Literarische Gesellschaft Thüringen e.V. im Jahr 2009 ein neues Autorenstipendium eingerichtet, das literarische Projekte in und über Thüringen fördern soll. Es trägt den Namen Thüringer Literaturstipendium Harald Gerlach.[2]
Literarisches Schaffen
Lyrik
Gerlachs erste Gedichte hatten Landschaften und andere regionale Themen zum Inhalt. Im Lyrikband Mauerstücke beschäftigt er sich mit Persönlichkeiten der Renaissance und des Mittelalters, zum Beispiel mit Petrarca und Helius Eobanus Hessus. In späteren Gedichten, von denen manche weiterhin landschaftsbezogen waren, thematisierte er jedoch auch seine persönliche Situation sowie die politischen Gegebenheiten. In Nirgends und zu keiner Stunde fürchtet er mit „unaufgeregter Verbitterung“[3] um seine Identität und „verschanzt sich im Reich der Illusionen, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.“[4]
Zitat
- „Der Engel der Geschichte / montags[5] auf dem Opernplatz / spricht sächsisch. Die geschleifte / Unikirche läutet ihre / eingeschmolzenen Glocken. // Mit solchen Stimmen melden / die Trümmer sich zum Wort, / wenn Barbarei zerfällt.“ [6]
Romane
Zu den wichtigen Romanen Gerlachs gehört Windstimmen, ein Generationenporträt, das vom 17. Jahrhundert bis in die revolutionären DDR-Herbsttage des Jahres 1989 reicht. In vielschichtigen Handlungssträngen bearbeitet der Autor sein Urthema, die Bewältigung von Heimatlosigkeit, wobei er auch phantastische Elemente, zum Beispiel spukende Tote, einbringt, wofür ihm 1997 der „Phantastik-Preis“ der Stadt Wetzlar verliehen wurde. Gerlachs Sprachkunst wurde allgemein gelobt, jedoch mit der Einschränkung, dass seine Äußerungen dort plakativ wirken, „wo sie sich auf die Ergebnisse der deutschen Wiedervereinigung richten. Diese mageren Repliken und Einwürfe beruhen auf der fehlenden Distanz zu den Ereignissen.“ [7]
In seinem letzten Roman Rottmanns Bilder (1999) zeichnet Gerlach sensibel zwei eigenbrötlerische Gestalten, den DDR-Komponisten Scheerbarth und dessen Lehrer Rottmann. Zwar fand die Kritik seinen Sprachstil hier manchmal etwas populistisch, beachtlich jedoch den „Ton feiner Ironie, mit dem der Erzähler das Innenleben seines Helden bis in den tiefsten Winkel hinein ausleuchtet.“[8]
Werke
Bücher
- Gelassener Schritt am Rande des Abgrunds. Goethe oder wie man mit Krisen leben lernt. Wartburg-Verlag, Weimar 2006. ISBN 978-3-86160-321-4
- Man liebt nur, was einen in Freyheit setzt. Die Lebensgeschichte des Friedrich Schiller. Beltz und Gelberg, Weinheim und Basel 2004. ISBN 3-407-80877-1
- Blues Terrano. Neue Windstimmen. Roman. Berlin, Aufbau 2001. ISBN 3-351-02921-7
- Die völlig paradiesische Gegend. Auf Goethes Spuren zwischen Rhein, Saar und Mosel. Mit einer Spurensuche von Wulf Kirsten und einer Nachbemerkung von Ralph Schock. Gollenstein, Blieskastel 2001. ISBN 3-935731-09-4
- Rottmanns Bilder. Roman. Aufbau, Berlin 1999. ISBN 3-351-02871-7
- Nirgends und zu keiner Stunde. Gedichte. Berlin, Aufbau 1998. ISBN 3-351-02825-3
- Fortgesetzte Landnahme. Fußnoten zum Zeitgeist. Hain, Rudolstadt 1997. ISBN 3-930215-31-4
- Windstimmen. Roman. Aufbau, Berlin 1997. ISBN 3-351-02370-7
- Einschlüsse, Aufbrüche. Blätter zu sechs Monaten deutscher Geschichte. Burgart-Presse, Rudolstadt 1991. ISBN 3-910206-03-4
- Folgen der Lust. Neue Spiele. Aufbau, Berlin und Weimar 1990. ISBN 3-351-01630-1
- Wüstungen. Gedichte. Aufbau, Berlin und Weimar 1989. ISBN 3-351-01423-6
- Abschied von Arkadien. Novelle. Aufbau, Berlin und Weimar 1988. ISBN 3-351-01011-7
- Jungfernhaut. Novelle. Aufbau, Berlin und Weimar 1987. ISBN 3-351-00370-6
- Gehversuche. Roman. Aufbau, Berlin und Weimar 1985 (zuletzt als Taschenbuch 1999: ISBN 3-7466-0112-6)
- Nachricht aus Grimmelshausen. Gedichte. Aufbau, Berlin und Weimar 1984
- Spiele. Aufbau, Berlin und Weimar 1983
- Mauerstücke. Gedichte. Aufbau, Berlin und Weimar 1979
- Vermutungen um einen Landstreicher. Geschichten. Aufbau, Berlin und Weimar 1978
- Das Graupenhaus. Aufbau-Verlag, Berlin, Weimar 1976 (zuletzt 1990: ISBN 3-351-01833-9)
- Sprung ins Hafenmeer. Gedichte. Nachwort: Wulf Kirsten. Aufbau, Weimar 1973
Theaterstücke
- Die Straße. Uraufführung: Städtische Bühnen Erfurt 1979
- Held Ulysses. Uraufführung: Städtische Bühnen Erfurt 1982
- Die Schicht. Uraufführung: Städtische Bühnen Erfurt 1984
- Der Pfahl. Uraufführung: Compagnie Les Treteaux de l’Arche Marseille 1985
- Vergewaltigung. Uraufführung: Württembergische Landesbühne Esslingen 1993
- La Ronde. Uraufführung: Compagnie Les Treteaux de l’Arche Marseille 1998
Opernlibretti
- Der Preis. Musik: Karl Ottomar Treibmann. Uraufführung: Theater Erfurt 1980. Regie
- Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Musik: Karl Ottomar Treibmann. Uraufführung: Städtische Bühnen Erfurt 1987
- Der Idiot. Musik: Karl Ottomar Treibmann. Uraufführung: Opernhaus Leipzig 1988
Hörspiele und Hörbücher
- Ikaros. Regie: Norbert Speer. Prod.: Rundfunk der DDR, 1984. (Ursendung 1990)
- Der Weg ins verheißene Land. Prod.: Rundfunk der DDR, 1986.
- Markttag. Regie: Peter Groeger. Prod.: DS Kultur, 1993.
- Heinrich Heine – Zeit Leben Werk. Zusammen mit Waltraud und Jürgen von Esenwein. CD. Metzler, Stuttgart 1997
- Johann Wolfgang von Goethe – Zeit Leben Werk. Zusammen mit Jürgen von Esenwein. CD, Aufbau, Berlin 1999
- Anna Seghers zum 100. Geburtstag. CD. SWR-Media, Stuttgart 2000
Literatur
- Ulf Heise und Peter Peters: Harald Gerlach. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur KLG. ISBN 978-3-88377-927-0
- Martin Krumbholz: Besondere Verhältnisse. In: Neue Zürcher Zeitung vom 8. März 2000
- Jürgen Serke: Auf der Suche nach Heimat. In: Die Welt vom 28. November 1998
- Tilman Spreckelsen: Die Geister im Caféhaus. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Juni 2001
- Kai Agthe / Lothar Ehrlich (Hg.): Harald Gerlach - Dichter und Theatermann. Wartburg-Verlag, Weimar 2007
Einzelnachweise
- ↑ Spiegel-Ausgabe vom 25.Juni 2001
- ↑ Jan Röhnert erhält Gerlach-Literatur-Stipendium. Die Berliner Literaturkritik, 4. März 2010
- ↑ Dorothea von Törne: Verlorene Heimat, erfundene Heimat. In: neue deutsche literatur. Heft 2, 1999
- ↑ Ulf Heise in: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
- ↑ Bezug: Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR
- ↑ Aus: Einschlüsse. Aufbrüche. (1991) über die Leipziger Montagsdemonstrationen
- ↑ Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG)
- ↑ Isa Schikorsky: Der Pedant und die Füchsin. In: Lesart. Heft 4, 1999 ISSN 0944-7760
Weblinks
- Literatur von und über Harald Gerlach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rezensionen zu Werken von Harald Gerlach bei perlentaucher.de
- Gedicht und Porträt von Harald Gerlach beim Exil-Archiv
- Gehen zu keinem Zweck. Zum Tod des Dichters Harald Gerlach Nachruf von Michael Braun. In: Der Freitag vom 20. Juli 2001
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