- Allgemeinpolitisches Mandat
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Als Allgemeinpolitisches Mandat wird die Inanspruchnahme eines Mandats verstanden, sich im Rahmen einer gesellschaftlichen Mitverantwortung im Namen einer Personengruppe zu allgemeinpolitischen Themen zu äußern. Im weiteren Sinne wird darunter auch die Herausgabe von Publikationen und finanzielle Unterstützung allgemeinpolitischer Initiativen aus dem Haushalt einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verstanden. Dagegen kann die Zweckbestimmung der Einrichtung und gegebenenfalls die politische Neutralität im Falle einer Pflichtmitgliedschaft stehen.
Inhaltsverzeichnis
Verfasste Studierendenschaften
Besonders streitrelevant ist die Inanspruchnahme eines über das hochschulpolitischen Mandats hinausgehenden allgemeinpolitischen Mandats durch Studierendenschaften an deutschen Hochschulen.
Diese Form der studentischen Interessenvertretung ist in den meisten Bundesländern, die diese Form der Interessenvertretung kennen, gesetzlich mit einer Pflichtmitgliedschaft ausgestaltet, die mit der Immatrikulation eingegangen wird. Eine Ausnahme bildet Sachsen-Anhalt. Dort können Studenten unter bestimmten Voraussetzungen den Austritt aus der verfassten Studentenschaft erklären.
Während unterschiedliche Auffassungen zu hochschulbezogenen Themen zu tolerieren sind, ist es jedoch fragwürdig, wie weit die Nutzung des für Zwecke der Selbstverwaltung erzwungenen Mandats für die über die Hochschule hinausgehenden politischen Aktivitäten von den Vertretenen hinzunehmen ist.
Erste Anmerkungen zu diesem Thema stammen von Carl Heinrich Becker, der bei der Einführung der verfassten Studentenschaften in Preußen 1920 auf das Spannungsfeld zwischen erwünschter politischer Meinungsbildung einerseits und öffentlich-rechtlicher Verfasstheit der Studentenschaft andererseits hinwies:[1] „Die Organe der Studentenschaft sind für studentische Zwecke gebildet, sie vertreten die Studenten nicht als Staatsbürger, sondern als akademische Bürger und können deshalb wohl in studentischen, nicht aber in politischen Angelegenheiten Majoritätsbeschlüsse fassen.“ Zwar wolle „kein Mensch dem Studenten seine politische Meinungsäußerung verbieten, nur besitzt der künftige Vorstand der Studentenschaft kein Mandat seiner Wähler im politischen Tageskampf. Dafür sind die politischen Vereine in- und außerhalb der Hochschule da.“ Becker räumte zugleich ein, dass es keine „Formel gibt, die die Grenzen der politischen Kompetenz der Organe der Studentenschaft restlos befriedigend umreißt (...). Ohne Vertrauen auf den Takt und das akademische Bewusstsein der Studentenschaft ist die ganze geplante Verfassung hinfällig.“
Dennoch blieb das allgemeinpolitische Mandat bis in die 1950er und 1960er Jahre umstritten, allerdings hielten sich die Konflikte zumeist im Rahmen der Universität. Erst ab 1967 kam es zu ersten Gerichtsprozessen zwischen einzelnen Studenten und verfassten Studentenschaften.
Eine weitere Reihe von Klagen aus der jüngeren Vergangenheit ab den 1990er Jahren erfolgten unter Beteiligung des Rechtsanwaltes Heinz-Jürgen Milse und René Schneider, der als Student der Westfälischen Wilhelms-Universität auch selbst mit einer Vielzahl von Klagen gegen den dortigen AStA in Erscheinung trat. Dies ist aber keineswegs abschließend.
Bis heute wehrten sich zahlreiche weitere Studenten vor den Verwaltungsgerichten (Berlin, Gießen, Hamburg, Marburg, Trier).
Überwiegend sind Gerichte der Auffassung, dass verfassten Studentenschaften und ihren Organen kein allgemeinpolitisches Mandat zusteht. Doch gibt es auch Entscheidungen, die den verfasste Studentenschaften unter bestimmten Voraussetzungen einen Brückenschlag von hochschulpolitischen zu allgemeinpolitischen Themen offen lässt.
Urteile (Auswahl)
- Studentenschaft Universität Münster (2. Oktober 1996, OVG Münster)
- Studentenschaft Universität Bonn (1996, VG Köln, 6 L 28/96)
- Studentenschaft Universität Wuppertal (1996, VG Düsseldorf, 15 L 781/96)
- Studentenschaft Freie Universität Berlin (Oberverwaltungsgericht Berlin, 15. Januar 2004, 8 S 133.03)
- Studentenschaft Universität Trier (Oberverwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 28. Januar 2005 - 2 B 12002/04)
- Studentenschaft Humboldt-Universität Berlin (Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 4. Mai 2005 - 8 N 196.02)
Schülervertretungen
In Baden-Württemberg haben Schülermitverantwortungen und der Landesschülerbeirat kein eigenes politisches Mandat. Sie haben nicht das Recht, sich neben den schulpolitischen Angelegenheiten gemäß § 63 Abs. 3 Schulgesetz BW in allgemeinpolitischen Angelegenheiten zu äußern.
Einzelnachweise
- ↑ zitiert nach Rohwedder, 2005
Literatur
- Tim Peters, Ulrich W. Schulte: Art. 2 Abs. 1 GG und das begrenzte Mandant verfasster Studentenschaften, WissR 4/2003, 325-343.
- Ulrich K. Preuß: Das politische Mandat der Studentenschaft, Frankfurt am Main 1969
- L. Gieseke: Die Verfasste Studentenschaft. Nomos, 2001
- Erhard Denninger: Das 'politische Mandat' der Studentenschaft und andere Möglichkeiten studentischer Mitwirkung in der Hochschule.
- Reinhard Neubauer: Nicht jeder Tod eines Studenten ist hochschulbezogen
- Rote Hilfe: Die Unterdrückung der Kritik - Zur Geschichte des '(allgemein)politischen Mandats'
- Thomas Höhne: Wie man eine neutrale, dienende Position einnimmt - Zum Kampf ums Politische Mandat der "Verfassten Studierendenschaft"
- Rohwedder, Uwe: Zwischen Selbsthilfe und „politischem Mandat“. Zur Geschichte der verfassten Studentenschaft in Deutschland, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte Bd. 8 (2005), S. 235ff.
- Detlef Dahrmann: Kirchliches Amt und politisches Mandat. Dokumentation zum Bremer Verfassungsrechtsstreit. Hannover, Verlag d. Amtsblattes der ev. Kirche, 1977.
- Jan Große Nobis: „Disziplinierung von Sozialbereichen“. Anmerkungen zum politischen Mandat der verfassten Studierendenschaften, in: Marek Neumann-Schönwetter, Alexander Renner, Ralph C. Wildner (Hg.): Anpassen und Untergehen. Beiträge zur Hochschulpolitik Reihe Hochschule Bd. 1, BdWi, 1. Aufl., März 1999, S. 123 ff.
Weblinks
- Verein für demokratische Studentenpolitik Berlin: Übersicht über Entscheidungen und Gesetzgebung
- Das Bündnis für Politik- und Meinungsfreiheit: Die Klagen gegen das politische Mandat als Projekt der "Neuen Rechten", in: Zeitung PM,(PDF) S.3
- Bundeskoordination FÜR das politische Mandat (bis 2000 aktiv): Von Maulkörben, Kriminalisierung und Hausdurchsuchungen
- Klagen, Klagen über alles...
Kategorie:- Politische Organisation
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