Heckraddampfer

Heckraddampfer
Seitenraddampfer: Blümlisalp auf dem Thunersee, Schweiz
Heckraddampfer: Die Delta Queen, Mud Island, Memphis, Tennessee, Mai 2003
Schaufelrad (engl. paddle wheel) bei einem Heckraddampfer
Abbildung oben: Schaufelrad aus dem Jahre 1894 des Raddampfers "Pilatus"
Abbildung unten: Baugleiches Schaufelrad in Betrieb, Raddampfer Unterwalden.
Schema eines exzentergesteuerten Schaufelrades
Exzentergesteuertes Schaufelrad an der Roßlauer Schiffswerft(Sachsenberg-Werke)

Ein Raddampfer ist ein Schiff, das von zwei seitlichen (Seitenraddampfer) oder einem sich am Heck befindenden Schaufelrad (Heckraddampfer) angetrieben wird. Das Schaufelrad wird dabei durch die Kraft einer Dampfmaschine angetrieben, welche ihrerseits von einem Dampfkessel gespeist wird.

Raddampfer wurden hauptsächlich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gebaut, als die Dampfschifffahrt Stand der Technik im Schiffbau war. Die langsam laufenden Dampfmaschinen waren sehr gut zum Antrieb der bis zu mehreren Metern im Durchmesser großen Schaufelräder geeignet.

Inhaltsverzeichnis

Schaufelrad

Ein Schaufelrad für den Schiffsantrieb hat eine Achswelle, an der mit zusätzlichen Haltevorrichtungen radial mehrere oder viele Platten bzw. „Schaufeln“ befestigt sind (klassische Form). Seitlich oder am Heck angebracht, wird durch die fortlaufende Drehung der eintauchenden Schaufelblätter ein Vortrieb erzeugt.

Bei Schaufelrädern mit starr befestigten, radial ausgerichteten Schaufelplatten schlägt die eintauchende Schaufel je nach Lage der Achse über der Wasseroberfläche mehr oder weniger schräg auf dem Wasser auf, die austauchende Schaufel hat in umgekehrter Richtung die gleiche Position. Dies führt dazu, dass ein erheblicher Teil der Antriebsenergie neben dem Vortrieb nur dazu verwendet wird, Wasser sowohl nach unten als auch nach oben zu drücken.

William Stroudley (1833-1889) untersuchte daher 1880 in Brighton die Strömungsverhältnisse an Radschaufeln und entwickelte eine Schaufelanordnung mit Gelenken und einen Exzenterring, als „feathering wheel“ bezeichnet. Abhängig von Eintauchtiefe, Wasser- bzw. Schiffsgeschwindigkeit, konnten die Schaufeleinstellungen während der Fahrt nachjustiert werden. Die exzentergesteuerten Radschaufeln tauchen annähernd senkrecht ins Wasser ein und werden in dieser Stellung durchs Wasser geführt. Diese Steuerung verbesserte den Wirkungsgrad der Schaufelräder wesentlich.

Bei den meisten Seitenraddampfern sind beide Schaufelräder auf einer durchgehenden Welle befestigt und werden von einer gemeinsamen Maschinenanlage synchron angetrieben. Ist jedoch eine erhöhte Manövrierfähigkeit bis hin zum Drehen auf der Stelle gefordert, typischerweise bei Seitenrad-Hafenschleppern, oder stünde eine quer durchgehende Radwelle in Konflikt, beispielsweise mit dem (aus Stabilitätsgründen tief angeordneten) längs durchgehenden Fahrzeugdeck einer Seitenrad-Auto- oder insbesondere Eisenbahnfähre, wird jedes Schaufelrad oftmals von einer eigenen, unabhängig ansteuerbaren Maschine angetrieben.

Geschichtliches

Römisches Schaufelradschiff (Miniatur aus dem 15. Jh.)

Der Einsatz von Schaufelrädern in der Schifffahrt ist zum ersten Mal beim römischen Ingenieur Vitruvius belegt, der in seinem Werk De architectura (X 9.5-7) ein Schaufelrad beschreibt, das als Schiffshodometer fungiert. Die anonyme römische Kriegsschrift De Rebus Bellicis aus dem späten 4. Jahrhundert enthält den Vorschlag eines Kriegsschiffes mit mehreren Schaufelrädern, angetrieben von Ochsen (Kapitel XVII). Nachweislich umgesetzt wurde diese Idee erstmals in China, als der Admiral Wang Zhen´e im Jahr 418 seine Flotte zur Bekämpfung der Piraten auf dem Yangtsekiang mit Schaufelrädern ausstattete (siehe Chinesische Schaufelradboote). 1807 baute der Amerikaner Robert Fulton den ersten erfolgreichen Raddampfer. Sein hölzerner Raddampfer Clermont (North River Steam Boat) mit einer Dampfmaschine von James Watt war der erste Dampfer, der rentabel betrieben werden konnte.

Obwohl der Wirkungsgrad eines Schaufelrades besser ist als der eines Propellers, wurde es vom Schrauben- oder Propellerantrieb aufgrund der besseren Manövrierfähigkeit und des geringeren Konstruktionsaufwandes verdrängt. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Geschichte des Raddampfers „Montreux“, der auf dem Genfersee unterwegs ist: Dieses Schiff wurde im Jahr 2000 nach 40 Jahren von Diesel- auf Dampfbetrieb zurückgebaut; ihr Antrieb gilt als die erste elektronisch gesteuerte Dampfmaschine. Die Betriebskosten sollen sich in der Größenordnung eines modernen Dieselantriebs bewegen, dabei aber eine wesentlich geringere Umweltbelastung verursachen.

Verbreitung

In unzähligen Filmen sind die „typisch amerikanischen Raddampfer“ auf dem Mississippi River berühmt geworden, obwohl sie auch auf vielen anderen Flüssen unterwegs waren. Ihr flacher Rumpf und ihr großes Schaufelrad am Heck ermöglichten das Befahren von flachen Gewässern mit vielen Sandbänken. In historischer Zeit waren entgegen den heutigen Vorstellungen aber auch sehr viele Seitenraddampfer auf dem Mississippi unterwegs, welche sich in ihrem grundsätzlichen Aufbau nicht von den Heckraddampfern unterschieden. So war beispielsweise der größte Frachtdampfer des amerikanischen Westens,[1] die „Hill City“, welche nach Umbauten und der Umbenennung zur „Corwin H. Spencer“ als Ausflugsdampfer bei der Weltausstellung 1904 in St. Louis verkehrte,[2] ein solcher Seitenraddampfer.

Silkeborg, die Hjejlen (Regenpfeifer)

In Europa haben sich vor allem Raddampfer mit zwei seitlichen, etwa mittschiffs angebrachten Schaufelrädern durchgesetzt.

Auch heute gibt es noch Raddampfer auf einigen großen Flüssen und Seen in Europa. In Dresden z. B. ist die Sächsische Dampfschifffahrt stationiert, mit neun historischen Raddampfern die nach eigenen Angaben größte und älteste Raddampferflotte der Welt. Sie betreibt unter anderem die Diesbar, die von der ältesten noch im Einsatz befindlichen Dampfmaschine der Welt aus dem Jahr 1841 angetrieben wird, unter Denkmalschutz steht und noch mit Kohle befeuert wird. Auf dem Rhein fuhr der größte Seitenraddampfer, die Goethe der Köln-Düsseldorfer, auf der Strecke von Koblenz nach Rüdesheim am Rhein.

In der Schweiz verkehren auf dem Vierwaldstättersee bei der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees heute noch fünf nostalgische Raddampfer aus der Zeit der Jahrhundertwende 1900. Die Compagnie générale de navigation sur le lac Léman (CGN) auf dem Genfersee ist Besitzerin von gar noch fünf Exemplaren, mit Baujahren zwischen 1904 bis 1927. Die Zürichsee-Schiffahrtsgesellschaft betreibt auf dem Zürichsee die „Stadt Rapperswil“ und die „Stadt Zürich“ aus den Baulosen 1909 und 1914. Die BLS AG ist auf dem Brienzersee Besitzerin der „Lötschberg“ (Baujahr 1914) und auf dem Thunersee Betreiberin der „Blümlisalp“ aus der ehemaligen Werft der Escher Wyss AG in Zürich.

Raddampfer werden heute fast ausnahmslos für touristische Zwecke eingesetzt und erleben dort eine regelrechte Renaissance. Seit den 1970er Jahren wurden weltweit unzählige Raddampfer vor der Verschrottung gerettet und aufwändig restauriert, insbesondere zu erwähnen sind dazu die Dampfer "Unterwalden" und "Bluemlisalp" in der Schweiz und die "Waimarie" in Neuseeland. Einige Raddampfer, wie zum Beispiel die "Mississippi Queen" in den USA wurden in den 1970er Jahren gar vollständig neu gebaut, unter der Verwendung und des Einbaus historischer Dampfmaschinen.

Galerie

Einzelnachweise

  1. New York Times, Sonntag, 29. März 1903, Seite 1
  2. New York Times, Sonntag, 29. März 1903, Seite 1

Siehe auch

Weblinks


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