Hemmschuh

Hemmschuh
Standardhemmschuh

Ein Hemmschuh, oft auch Bremsschuh oder Radschuh genannt, ist ein Gerät zum Abbremsen von Fahrzeugen. Er wird zwischen Rad und Boden oder Schiene platziert, um durch die entstehende Reibung den Wagen zu bremsen.

Hemmschuhe haben oft Ähnlichkeit mit Unterlegkeilen bei Radfahrzeugen und Radvorlegern bei Schienenfahrzeugen. Diese dienen jedoch nur der Sicherung stehender Fahrzeuge gegen Wegrollen.

Inhaltsverzeichnis

Hemmschuhe bei der Eisenbahn

Hemmschuhe werden beim Rangieren von Eisenbahnwagen verwendet, hier in erster Linie im Abstoß- und Ablaufverfahren. Der Hemmschuh besteht aus Metall. Seine Unterseite muss auf das Profil der Schiene passen, auf der er verwendet werden soll. Aus diesem Grund gibt es mehrere Hemmschuhformen für die verschiedenen Schienenprofile. Der passende Hemmschuh wird durch eine bestimmte der Schienenkopfform zugeordnete Farbe gekennzeichnet. Wo welcher Hemmschuh verwendet werden darf, wird vom Eisenbahninfrastrukturunternehmer geregelt und den Nutzern der Infrastruktur bekanntgegeben. Ein zu breiter Hemmschuh neigt zum Verkanten („Fangen“) und in der Folge zum Auswerfen des Rades (Entgleisen). Der Hemmschuh besitzt eine Sohle mit einer zur Spitze hin abgeflachten Zunge und zwei seitlich angebrachten Führungsleisten. Auf der Sohle ist der Bock mit der Kappe und einem Handgriff befestigt.

  • Der österreichische Universal-Hemmschuh hat anstelle der zweiten Führungsleiste eine Feder, die ihn an die Schiene drückt.
  • Beim etwa 8 kg schweren Einheitshemmschuh gibt es auf dem Bock eine bewegliche Kappe, der von der Deutschen Reichsbahn nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Standardhemmschuh mit fester Kappe ist mit etwa 6 kg deutlich leichter.
  • Auf Gleisen mit Auflauflaschen oder verschiedenen Schienenformen (Ladegleisen/Nebengleisen) wird ein Federhemmschuh verwendet. Anstelle der einen Führungsleiste hat er in Richtung Gleisaußenseite eine Längsfeder angebracht. Er ist daher nur mit der Feder nach außen zu verwenden.
Hemmschuhständer
Hemmschuhständer

Hemmschuhe der Regelbauart sind in geneigten Gleisen über 2,5 ‰ nur schwer zu entfernen, weil ein damit aufgehaltener Wagen nicht zurückrollt und den Hemmschuh freigibt. In solchen Fällen wird der Hemmschuh für Gefällebahnhöfe mit verkürzten Führungsleisten verwendet. Für diese Fälle gibt es auch Trennhemmschuhe, bei denen der Bock mit einem Auslöser von der Sohle getrennt werden kann.

Bei ungünstigen Witterungsbedingungen wird der Hemmschuh mit geführter Spitze benutzt. Die verlängerten Führungsleisten in Verbindung mit der besonders langen Sohle verhindern das Abspringen. Es gibt aber auch Hemmschuhe mit nur einer Führungsleiste, womit vermieden werden soll, dass diese sich beim unbeabsichtigten Durchdrücken in eine Weiche sich dort in deren Herzstück festsetzen und dies in der Folge zur Entgleisung von Fahrzeugen führen kann.

Der Hemmschuhleger oder -verschieber legt den Hemmschuh vor dem heranrollenden Eisenbahnwagen auf eine Schiene des Gleises in geeigneter Entfernung vor der Stelle, an der der Eisenbahnwagen zum Stehen kommen soll – z. B. vor im Gleis stehenden Eisenbahnwagen oder vor einem Gleisabschluss. Um Schäden an Fahrzeugen und Ladung zu vermeiden, muss er den benötigten Bremsweg richtig einschätzen, wozu viel Erfahrung gehört. Ein Rad des aufzuhaltenden Eisenbahnwagens rollt über die Zunge auf die Sohle und stößt an den Bock mit der darauf auswechselbar befestigten Kappe. Das Rad soll dabei nicht zum Stillstand kommen, sondern im Gegenteil auf Hemmschuhsohle und -kappe weiterrollen. Der Hemmschuh kann sich dabei sehr stark erwärmen. Da das rollende Rad über die Achse starr mit dem hemmschuhfreien Rad verbunden ist, werden Flachstellen am hemmschuhfreien Rad verhindert. Der Schlüssel zur bestmöglichen Bremswirkung ist das Weiterdrehen des hemmschuhfreien Rades. Aus diesem Grund sollen Hemmschuhe nicht auf beiden Schienen ausgelegt werden. Die Bremswirkung mit zwei Hemmschuhen ist erheblich geringer.

Um eine optimale Funktion zu erreichen, muss die Auflauffläche/Bremsfläche des Hemmschuhes richtig gepflegt werden. Um die Rollfähigkeit zu fördern wird die Hemmschuhkappe geschmiert. Im Winter wird die Hemmschuhzunge mittels offenem Feuer vorgewärmt.

Wird der Hemmschuh an Ablaufbergen zum Abbremsen von Wagen verwendet, ohne dass diese zum Stillstand kommen sollen, wird am unteren Ende des Rollberges eine Hemmschuhauswurfvorrichtung mit einer Fanggrube eingebaut. Durch diese Vorrichtung wird der Hemmschuh seitlich aus dem Rad gezogen und der Wagen rollt über den Weichenbereich zu seinem Ziel. Bei der sog. Büssingbahn wird der Hemmschuh nach Auswurf per Transportband an die Auflegestelle zurück befördert. Eine Entgleisung des Rades im Auswurfbereich wird durch einen Radlenker an der anderen Schiene verhindert. Diese Hemmschuhgleisbremsen wurden allerdings bei den meisten regelmäßig benutzten Ablaufanlagen durch weniger personalaufwändige und automatisierungsfähige Gleisbremsen ersetzt.

Hemmschuhe dürfen in manchen Staaten nicht als Radvorleger zum Festlegen (Sichern gegen Bewegung) stillstehender Fahrzeuge verwendet werden; Zum Schutz abgestellter Triebfahrzeuge vor zurollenden oder entlaufenen Fahrzeugen werden in Österreich vor dem zu schützenden Triebfahrzeug zwei blaue Hemmschuhe auf Sicherheitsabstand aufgelegt.

Hemmschuhe bei Pferdekutschen und -fuhrwerken

Hemmschuhe wurden früher bei von Pferden gezogenen Kutschen verwendet. Da die Bremswirkung der damals üblichen Schleifbremsen wie auch die Bodenhaftung der eisenbereiften Wagenräder nicht ausreichte, um den Wagen auf langen Steilstrecken ausreichend zu bremsen, legten die Kutscher einen an der Achse oder dem Langbaum des Fuhrwerks befestigten Hemmschuh vor das rechte Hinterrad, um das Gespann zu bremsen. Die rechte Seite wurde gewählt, um dem rechts sitzenden Kutscher einen Blick auf den Radschuh zu ermöglichen, das unbeschuhte linke Hinterrad sorgt für die Spurführung der Kutsche auf der Straße.

Moderne Kutschen sind überwiegend mit Scheibenbremsen oder Trommelbremsen und gummierten Radflächen ausgerüstet, deren starke Reibung und Bremswirkung den Hemmschuh unnötig machen.

Fahrer historischer Kutschen mit Schleifbremsen oder eisenbereiften Holzrädern verwenden heute meist den für asphaltierte Straßen konstruierten Wielandschen Hemmschuh, bei dem unter der Metallkonstruktion ein meist aus Birkenholz gefertigter Holzkeil mit konisch zulaufender Nut eingelegt wird, der auf dem Asphalt für Reibung sorgt. Auf längeren Passabfahrten mit schweren Kutschen müssen diese Keile oft mehrfach ersetzt werden.

Um die Bremswirkung des Hemmschuhs auch auf verschneiten oder vereisten Straßen zu gewährleisten, nutzen Kutscher auf verschneiten oder vereisten Straßen den so genannten Eisreißer (auch „Eiskratzer“), der am Hemmschuh verkeilt wird.

Gemäß StVZO (§65 Abs.3) dürfen Hemmschuhe „nur als zusätzliche Hilfsmittel und nur dann verwendet werden, wenn das Fahrzeug mit einer gewöhnlichen Bremse nicht ausreichend gebremst werden kann“.

Vor steilen Gefällen gab es früher häufig beschilderte Einhemmstellen, an denen der Kutscher einhemmen, also den Hemmschuh einlegen musste, da dies im Gefälle oft nicht mehr möglich war. Verzeinzelt stehen noch Schilder oder Steinsäulen, z.B. bei Friedenfels in der Oberpfalz (Steinwald), wo an einer steilen Gebirgsstraße eine jahrhundertealte Radschuhsäule steht, welche die Abfahrt ohne Radschuhe unter Strafe stellt.

Auch die Radschuhleiten, eine Rotte der Marktgemeinde Schwarzenbach im Bezirk Wiener Neustadt-Land in Niederösterreich, ist wahrscheinlich nach diesen historischen Bremshilfen benannt.

„Hemmschuh“ als Redensart

Die Bezeichnung „Hemmschuh“ wird für etwas benutzt, das eine Entwicklung bremst, verlangsamt oder behindert.

Weblinks

 Commons: Hemmschuh – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Hemmschuh – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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