- Hochwasser 1784
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Der extreme Winter von 1783/1784 der nördlichen Hemisphäre war Resultat einer natürlichen Klimaveränderung. Der Nordwinter 1783/84 gilt als einer der härtesten überhaupt in Mitteleuropa[1], war aber auch in Nordamerika und Asien bedeutsam. Die Ursache dafür wird in besonders schwefelreichen oder besonders heftigen und aschereichen vulkanischen Eruptionen gesehen. Diesem folgten extreme Überschwemmungen im Februar/März 1784 in Mitteleuropa, die als eine der größten Umweltkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa angesehen werden.
Inhaltsverzeichnis
Vulkanische Ereignisse
Laki-Eruptionen in Island
Beim Ausbruch des Laki-Kraters auf Island (Beginn: 8. Juni 1783; Dauer: etwa 8 Monate) im Winter 1783/84 produzierten insgesamt etwa 130 Krater ein Gesamtvolumen von ungefähr 12-15 km³ Lava. Dies ist die größte in historischer Zeit ausgestoßene Menge an Lava.[2] Dazu kamen Gas- und Aschewolken. Die ungeheuren Mengen ausgestoßenen Schwefeldioxids reagierten mit den Wassertröpfchen der Wolken zu schwefliger Säure und Schwefelsäure.[3] Das hatte verheerende Folgen für das ganze Land: Aufgrund von Vergiftungen siechte das Vieh dahin und die ausgelöste Hungersnot bewirkte, dass mehr als ein Fünftel der Landesbevölkerung Islands – 10.000 Menschen – in den folgenden Jahren starb. In Westeuropa wirkte sich der Ausbruch ebenfalls aus, die giftige Aerosolwolke legte sich über den gesamten Kontinent, besonders aber über die Britischen Inseln, und wurde als Höhenrauch oder auch „trockener Nebel“ wahrgenommen. Alte Aufzeichnungen berichteten davon, dass dort der Smog wochenlang am Himmel hing. Vergiftungserscheinungen machten sich besonders bei den Bauern durch Atemnot bemerkbar, die ihrer Feldarbeit kaum noch nachgehen konnten. Allein auf den Britischen Inseln starben um die 25.000 Menschen. In jüngster Zeit wurde die Katastrophe durch britische Forscher rekonstruiert.
Asama-Eruptionen in Japan
Am 3. August 1783 ereignete sich ein schwerer Ausbruch des Vulkans Asama in Nordjapan (Insel Honshu). Die Bergspitze wurde weggesprengt und riesige Aschemengen stiegen in die Atmosphäre empor. Über 1.000 Menschen wurden unmittelbar durch Lava, Dampf, Schlammlawinen und heiße Gase getötet, der Lavafluss zerstörte die Dörfer an der Nordflanke des Berges und einen großen Teil des Urwalds. Das Tageslicht über Nordjapan war für einige Monate stark verdunkelt. Dies soll durch Missernten eine Hungersnot zur Folge gehabt haben, die etwa 1,4 Millionen Japaner das Leben gekostet haben soll.
Wetterereignisse
Winter in Nordamerika
Benjamin Franklin berichtete von einem bemerkenswert kalten Winter in Philadelphia. Er vermutete, dass die Kälte das Resultat eines Staubnebels in der Atmosphäre über Europa und Nordamerika sein könnte. Die Kälte war so stark, dass Schlitten den Long-Island-Sund überqueren konnten und der Hafen in New York City für zehn Tage zufror.
Winter in Europa
Im gesamten europäischen Raum war der Winter außergewöhnlich kalt und schneereich gewesen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass 1784 die Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius niedriger lag als üblich.[4]
Die Frostperiode hielt in Mainfranken insgesamt 13 Wochen an. Die Kälte begann im Dezember 1783 und es froren daraufhin fast alle Gewässer in Mitteleuropa zu. Der Große Belt war schon so stark zugefroren, dass man ihn mit Schlitten und Wagen überqueren konnte. Um den 26./27. Dezember trat bei den Temperaturen eine kurze Besserung ein, sie fielen jedoch bis zum Jahresende erneut stark. Diese extreme Kälte hielt bis Mitte Januar 1784 an. Von Mitte Januar bis zum 21./22. Februar wurde diese Kaltphase immer wieder von kurzen Phasen mit etwas milderen Temperaturen unterbrochen. In diesem Zeitraum fiel auch häufig Schnee.
Der Winter war von Dezember bis Februar sehr schneereich. Vom 24. Dezember 1783 bis zum 21. Februar beobachtete man beispielsweise in Mannheim 29 Schneefallereignisse, die teilweise tagelang anhielten. Der Schnee wuchs in manchen Regionen auf mehr als 1,5 Meter Höhe an, wobei am 27. und 28. Dezember 1783 im Rhein-Neckar-Raum etwa 45 Zentimeter Schnee fielen. Der Februar brachte ebenfalls viel Schnee und Eis.
Schneeschmelze
Um den 23. Februar brachte ein plötzlicher Warmlufteinbruch die enormen Schneemassen, die sich im Winter angesammelt hatten, zum Schmelzen. Diese Warmluft wurde durch ein blockierendes Hochdruckgebiet über Osteuropa, das in Mitteleuropa eine meridional orientierte Zirkulation zur Folge hatte, ausgelöst. Die Veränderung der Großwetterlage führte in Mainfranken wie auch in weiten Teilen Europas warme Luftmassen aus westlichen und südlichen Richtungen heran. Der Winter war vorher überdurchschnittlich lange von den Großwetterlagen Hoch Mitteleuropa und Ost geprägt, wobei sehr kalte Luftmassen aus nördlichen und östlichen Richtungen herangeführt worden waren. Der Warmlufteinbruch wurde infolge großräumiger Aufgleitbewegungen von hohen Niederschlägen geprägt.
Bedingt durch die rasche und starke Erwärmung, die von heftigen Regenfällen begleitet war, kam es in den letzten Tagen des Februars 1784 zum Bruch und Aufstau des Eises in Deutschlands Flüssen. Aufgrund der enormen Schmelzwassermassen, des Eisstaus und der starken Niederschläge begannen diese sehr schnell zu steigen. An allen größeren Haupt- und Nebenflüssen erfolgte der Eisgang zeitgleich. Erschwerend kam hinzu, dass sich durch zeitweise herrschende Tauphasen mehrere Eisdecken übereinander geschoben hatten, die dann wieder festgefroren waren.
Nach diesem Warmlufteinbruch trat kurze Zeit, bedingt durch die erneute Änderung der Großwetterlage, wieder Kälte ein, die Niederschläge ließen nach und die Pegel sanken rasch ab. Das blockierende Hoch hatte sich aufgelöst und die vorherigen Wetterlagen konnten sich wieder etablieren. Es strömte wieder Kaltluft aus nördlichen und östlichen Richtungen nach Mitteleuropa.
Hochwasser im Februar 1784
Das Hochwasserereignis wird als eine der größten Umweltkatastrophen der frühen Neuzeit in Mitteleuropa angesehen. Das Hochwasser verwüstete ganze Talzüge, unzählige Brücken wurden zerstört. Es wird auch als „Jahrhundert-Eisgang“ oder „Eisflut“ bzw. „Winterhochwasser von 1784“ bezeichnet.
Köln am Rhein wurde vom schlimmsten jemals verzeichneten Hochwasserereignis heimgesucht. Beim erwähnten Temperatursprung war der Rhein fest zugefroren und die Schneeschmelze sowie das aufbrechende Eis sorgten für einen Rekordpegel von 13,55 Metern (zum Vergleich: der Normalpegel beträgt 3,48 Meter). Die Fluten, auf denen schwere Eisschollen trieben, verwüsteten weite Teile der Uferbebauung und alle Schiffe. Einzelne Gebäude, darunter auch Befestigungsbauten, stürzten aufgrund des Schollengangs ein. 65 Tote waren zu beklagen. Die rechtsrheinisch gelegene bergische Kreisstadt Mülheim am Rhein, heute ein Kölner Stadtteil, wurde vollständig zerstört. Der berühmte Nussbaumwald auf der Namedyer Werth nahe Andernach wurde zerstört.
In Heidelberg verursachte der Neckar das größte Hochwasserereignis in historischer Zeit. Die Folgen der Flut wurden durch den Eisgang verschärft. Neben der Alten Brücke wurden 39 Gebäude zerstört und 290 beschädigt.[5]
Auch am Main ereignete sich ein extremes Hochwasser. Dieses nach 1342 zweithöchste Hochwasser wird im mittleren Maingebiet als 300- bis 500-jährliches Ereignis eingestuft. Die Hochwassermarke am Rathausportal von Würzburg zeigt für dieses Hochwasser einen Maximalpegel, der 94 Zentimeter über jenem von 1845 liegt und sich auf 173,83 Meter über Normalnull befindet. Im Vergleich zu dem am Pegel registrierten Hochwasser von 1845 hatte das Hochwasser von 1784 einen Pegelstand von 928 Zentimetern, bei einem Abfluss von 2600 m³/s.[6] In Bamberg fielen dem größten Hochwasser aller Zeiten die Uferbebauung im Mühlenviertel zum Opfer. Auch die Brücken wurden stark beschädigt. Insbesondere die erst 1756 fertiggestellte Seesbrücke, die heutige Kettenbrücke, mit ihrer barocken Ausstattung wurde durch Eisschollen und mitgerissene Baumstämme zerstört.
Ende Februar / Anfang März 1784 ereignete sich im böhmischen und sächsischen Elbtal eines der schwersten je aufgezeichneten Frühjahrshochwasser. Die wochenlang zugefrorene Elbe brach innerhalb kürzester Zeit auf, stieg pro Stunde um bis zu 32 cm und erreichte in Dresden am 1. März einen Stand von 8,57 m (Durchfluss 5.200 m³/s). Das war der höchste Stand seit 1655. Im gesamten Elbtal wurden die Städte und Dörfer großflächig unter Wasser gesetzt. In Dresden stand das Wasser im Hof des Zwingers einen Meter hoch. Die Zerstörungskraft der Flut war durch die Wucht des mitgeführten Treibgutes und der Eisschollen besonders groß. In Wegstädtl in Böhmen stürzte die gotische Kirche ein. In Dresden und Meißen wurden die Elbbrücken schwer beschädigt. Während in zahlreichen Orten das Vieh nicht gerettet werden konnte, war die Zahl der Todesopfer angesichts der Schwere der Flut vergleichsweise gering. In Meißen kamen neun Menschen in den Fluten ums Leben. Obwohl sich die Elbe bereits am 6. März wieder in ihrem angestammten Lauf bewegte, gestalteten sich die Aufräumarbeiten schwierig, da einsetzender Frost die überfluteten Häuser und Flächen mit einer Eisschicht überzog. Die damaligen Pegelstände wurden vielerorts erst beim Elbehochwasser 1845 übertroffen.
Nachdem die Lahn in Weilburg eine Brücke mit Wasserleitung zerstört hatte, entstand hier nach dem Wiederaufbau die älteste Kettenbrücke des europäischen Kontinents.
Auch kleinere Flüsse wie der Glan in Ulmet (Pfalz) oder die Paar in Baar-Ebenhausen (Bayern) führten Hochwasser.
Siehe auch
Literatur
- Manfred Vasold: Die Eruptionen des Laki von 1783/84. Ein Beitrag zur deutschen Klimageschichte. Naturwissenschaftliche Rundschau 57(11), S. 602–608 (2004), ISSN 0028-1050
- Bernd Nebel: Die Brückeneinstürze im Jahre 1784 [1], bemerkenswerter Artikel zum Thema
Nachweise
- ↑ Zeitreihe der Lufttemperatur in Deutschland
- ↑ R. Williams, J. Moore: Man Against Volcano - The Eruption on Heimaey, Vestmannaeyjar, Iceland. U.S. Dept. of the Interior, Geological Survey, Washington 1976.
- ↑ * A Sulphurous Stench: Illness and Death in Europe Following the Eruption of the Laki Fissure
- ↑ Zeitreihe der Lufttemperatur in Deutschland
- ↑ Werner Fricke: Der Bericht von E. F. Deurer über das Eishochwasser von 1784. In: Helmut Prückner (Hrsg.): Die alte Brücke in Heidelberg. Heidelberg: Braus, 1988. S. 41–60. Hier S. 43.
- ↑ Heinz Schiller: Ermittlungen von Hochwasserwahrscheinlichkeiten am schiffbaren Main und überregionaler Vergleich der Ergebnisse. Seite 229. Siehe auch: Literatur.
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