Alte Musik

Alte Musik

Alte Musik bezeichnet europäische Musikstile aus verschiedenen Epochen vor etwa 1750. Sie umfasst die Musik des Mittelalters, die Musik der Renaissance und des Barock, nicht jedoch die der Antike. (Für die Musik des Mittelalters und davor wird die Bezeichnung „Frühe Musik“ verwendet.)

Alte Musik ist im Wesentlichen eine Domäne spezialisierter Musiker und Ensembles, da besondere historische Musikinstrumente und viel Fach- und Praxiswissen über Musikgeschichte, Instrumentenkunde, Spielweisen, Stimmungssysteme etc. vorliegen müssen, um herauszufinden, wie die Musik früherer Epochen geklungen haben könnte.

Die Versuche der Rekonstruktion stützen sich auf Bilddokumente und Notentexte (siehe Notationen). Alte Musik wurde in England relativ lückenlos von Generation zu Generation weiter überliefert. Dennoch veränderte sich die Musik durch den Vorgang des Weitergebens (Tradierens).

Inhaltsverzeichnis

Ars Antiqua und „Alte Musik“

Bereits im Mittelalter gab es eine Unterscheidung zwischen „Alter“ und „Neuer Musik“. Ab 1320 wurde der nun überwundene Musikstil als Ars antiqua (‚alte Kunst‘ bzw. ‚Musik‘) bezeichnet und die fortan komponierte neue Musik, die Ars nova als Überwindung dieses alten Stils gefeiert.

Der heute übliche Begriff der Alten Musik ist jedoch keineswegs die Bezeichnung von veralteter Musik. Ganz im Gegenteil wird Alte Musik als wertvolle Bereicherung des gängigen Repertoires der bürgerlichen Musikkultur, wie sie in den großen Konzertsälen der Welt stattfindet, verstanden oder sogar als Korrektiv dieser Musikkultur. Immer wieder bringen engagierte Musiker aus der Alten-Musik-Szene Impulse mit in das klassisch-romantische Repertoire, wenn sie bereit sind, die Sparten zu wechseln. Durch den Erfahrungshintergrund der Alten Musik werden neue Höreindrücke von längst bekannten Werken möglich.

Alte Musik und die bürgerliche Musikkultur des 19. Jahrhunderts

Mit dem Entstehen des bürgerlichen Konzertlebens um 1800 begann sich ein Repertoire herauszubilden, das die vorklassische Musik weitgehend außer Acht ließ und sich auf die gerade neu entstehenden Kompositionen konzentrierte.

Die Werke Johann Sebastian Bachs wurden nach seinem Tod 1750 zwar von anderen Komponisten studiert, aber nicht mehr für ein breites Publikum aufgeführt. Erst seit 1829, der Aufführung der Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy, wurden seine Werke wieder von der musikalischen Öffentlichkeit geschätzt.

Die Romantik und der Historismus spielten eine wesentliche Rolle dabei, dass sich die Faszination für Musik vergangener Epochen auch in der Musikpraxis niederschlug. Immer wieder haben sich Komponisten an bedeutenden Vorgängern abgearbeitet. Im Musikleben aber hatten die Aufführungen der Musik vergangener Epochen ansonsten keine Rolle gespielt, da man sie jeweils als überholt ansah.

Alte Musik möglichst mit historisch korrektem Klangbild aufführen zu können, ist – mit Ausnahme von England – in Europa erst wieder ein Anliegen des 20. Jahrhunderts. Der Begriff „Alte Musik“ gewann allgemein seit den Reformbewegungen der 1920er Jahre an Bedeutung, als im Zuge der Belebung der historischen Aufführungspraxis verstärkt Nachbauten von originalen Instrumenten angefertigt und verwendet wurden. Die Alte-Musik-Bewegung verstand sich als Kontrast und Korrektiv zum herkömmlichen Konzertrepertoire. Die Klanglichkeit der Alten Musik, egal wie sie aufgefasst wurde, stand auf jeden Fall im scharfen Kontrast zur spätromantischen Tonalität und Fülle der Klangfarben.

Wiederentdeckung und Herausforderungen

Wichtige Meilensteine der Wiederentdeckung der Alten Musik waren:

  • Wiederaufführung von Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahre 1829, rund 100 Jahre nach der Uraufführung in Leipzig;
  • die Gesamtausgabe der Werke J. S. Bachs, 1851 begonnen, der bereits im 19. Jahrhundert etliche weitere sogenannte Denkmalausgaben folgten;
  • Historisierende Kompositionspraxis wie beispielsweise bei Ottorino Respighi
  • die Rückbesinnung auf Musik und Instrumente des 16. und 17. Jahrhunderts im Rahmen der Jugendmusikbewegung in den 1920er-Jahren, die ähnlich der Wandervogel-Bewegung eine Form des Protestes gegen das – in diesem Fall künstlerische – Establishment war (sog. Gambenbewegung, auch Fideln, Zinken, Blockflöten u. a. Instrumente);
  • mit der Gründung der Cappella Coloniensis im Jahre 1954 beginnt der Durchbruch der heutigen sogenannten historischen Aufführungspraxis als Grundstein für eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit alter Musik. Die gleichzeitig im Kölner WDR gesendeten Beiträge zur Geschichte der Alten Musik verhalfen parallel den praktischen Versuchen im Orchesterbereich zu ungeahnter Popularität.
  • Bereits in den 1950er-Jahren begannen auch die Arbeiten des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt auf dem Gebiet der Bach-Interpretation, allerdings fanden unter ihm erst 1957 mit dem Concentus Musicus Wien erste Konzerte auf historischen Instrumenten statt.

Studium und Fortbildung

Schweiz

Ein grundständiger musikpraktischer Vollzeitstudiengang für die Musik des Mittelalters wird in der Schweiz an der Schola Cantorum Basiliensis – der Hochschule für Alte Musik in Basel – angeboten.

Deutschland

Diplomstudien für Alte Musik werden in Deutschland an folgenden Universitäten angeboten: Hochschule für Künste Bremen, Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden, Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ Leipzig, Staatliche Hochschule für Musik Trossingen, Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar, Hochschule für Musik Würzburg. Eine zweijährige berufs- oder studienbegleitende Fortbildung zur überlieferten Frühen Musik wird an der Akademie Burg Fürsteneck angeboten.

Österreich

In Österreich gibt es Studiengänge für Alte Musik an folgenden universitären Einrichtungen: Anton Bruckner Privatuniversität Linz, Johann-Joseph-Fux-Konservatorium Graz, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Universität Mozarteum Salzburg, Konservatorium Wien Privatuniversität.

Siehe auch

Weblinks


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