Ibn Taimiya

Ibn Taimiya

Taqi ad-Din Ahmad ibn Taimiyya (auch: Taimiya; arabisch ‏تقي الدين أحمد بن تيمية‎, DMG Taqīyu d-Dīn Aḥmad b. Taimīya; * 22. Januar 1263 in Harran (Südostanatolien); † 26. September 1328 in Damaskus) war ein muslimischer Gelehrter, dessen Auffassungen in Theologie und Fiqh gemeinhin als hanbalitisch betrachtet werden. Man kann ihn mit einigem Recht als einen geistigen Inspirator des modernen Islamismus nennen (wie etwa Irshad Manji in ihrem Buch "Der Aufbruch", dtv, 2005, S. 153).

Inhaltsverzeichnis

Lehren

Recht

Rechtstheorie

Ibn Taimiyya betonte, dass alle juristischen Entscheidungen direkt auf einem Beleg aus dem Koran oder der Prophetenüberlieferung (Sunna) zu beruhen haben. Der Konsens der Gelehrten (Idschma) sei nur gültig, wenn er durch solche Belege abgedeckt sei. Damit weicht er auch von der Auffassung der meisten damaligen Hanbaliten (z. B. Ibn Qudama) ab.

Rechtspraxis

Ibn Taimiyya hielt den talaq al-bid'a, die Verstoßung der Ehefrau durch das dreimalige Aussprechen der Verstoßungsformel, für ungültig.

Auf wirtschaftlichen Gebiet forderte er, dass sich der Staat weitgehend aus der Preisbildung herauszuhalten habe.

Staatsverständnis

Ibn Taimiyya betrachtete es als oberste Aufgabe des Staates, den Bestand des islamischen Rechts zu garantieren, da dessen Einhaltung als Voraussetzung des Muslimseins zu betrachten sei. In seiner in der islamischen Welt bekannten Fatwa für die Muslime von Mardin, die unter der Herrschaft der formal zum Islam konvertierten mongolischen Ilchane lebten, urteilte er, dass, wer ein anderes Recht als das islamisch-schariatische praktiziere, nicht als Muslim betrachtet werden könne. Daher seien diese Herrscher, die immer noch die mongolische Jassa anwandten, als Abtrünnige zu betrachten.

Gegner

Sufis

Er verwarf die Gräber- und Heiligenverehrung der Sufis (islamische Mystiker) sowie die übermäßige Verehrung der Propheten, da allein Gott anbetungswürdig sei. Ihre Lehre von der Einheit des Seins (wahdat al-wudschūd) lehnte er ab, da sie die Gültigkeit der Schari'a in Frage stelle.

Schiiten

Ibn Taimiyya betrachtete die Alawiten im syrischen Küstengebirge als Abtrünnige, die getötet werden dürfen.

Philosophen

Ibn Taimiyya lehnte die islamische Philosophie ab, hatte sich mit ihr jedoch gründlich auseinandergesetzt. Er legte dar, dass allein mit Logik die Erkenntnis nicht erweitert werden kann.

Theologie und Koranexegese

Ibn Taimiyya lehnte die metaphorische Auslegung der göttliche Attribute ab. Seine Gegner denunzierten ihn deswegen als Anthropomorphisten, da er – ihrer Ansicht nach – behauptete, dass Gott Menschengestalt habe. Ibn Taimiyya war allerdings der Auffassung, dass Metaphorik nicht in der Erläuterung der Attribute Allahs angewandt werden darf. Er bestätigte, was Allah über sich selbst im Koran oder der Prophet Mohammed über Allah sagte, ohne es zu verändern, zu verleugnen, zu hinterfragen oder mit der Schöpfung zu vergleichen. Ibn Taimiyya betonte die Bedeutung der Sunna für die Koranexegese und verteidigte daher die wörtliche Auslegung des Thrones Gottes, der sieben Himmel, des Donnerengels und ähnlicher Dinge, die der „Sunna-Kosmologie“ zuzurechnen sind. Anders als muslimische Gelehrte vor ihm wie Al-Ash'ari oder Ibn al-Baqillani vertrat Ibn Taimiyya die Sicht, dass einzelne Koranverse andere an Bedeutung übertreffen können.[1]

Schüler

Wirkungsgeschichte

Ibn Taimiyya inspirierte mehrere spätere puritanische oder salafitische Reformbewegungen, vor allem die von Muhammad ibn Abd al-Wahhab im 18. Jahrhundert in Zentralarabien gegründeten (Wahhabiten) und die ihnen sehr nahe stehenden Ahl-i Hadîth in Südasien.

Von manchen Modernisten wie Raschid Rida und Abu l-Kalam Azad wurden seine Angriffe gegen Mystiker rezipiert. Seine literalistischen theologischen Positionen ignorierten sie stillschweigend.

Islamisten wie Sayyid Qutb betonten im Anschluss an Ibn Taimiyya, dass es die primäre Aufgabe des islamischen Staates sei, für die Durchsetzung der Scharia zu sorgen. Die Mörder des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat legitimierten ihre Tat mit Verweis auf die Fatwa für die Muslime von Mardin: Da in Ägypten nicht das islamische Recht praktiziert werde, sei die Regierung ungläubig. Die syrischen Muslimbrüder griffen bei ihrer Auseinandersetzung mit dem von den Alawiten getragenen Baath-Regime auf Ibn Taimiyyas Verurteilung dieser Religionsgemeinschaft zurück.

Zitate

ما يصنع أعدائي بي فجنتي في صدري اينما رحت فهي معي لا تفارقني , فحبسي خلوة ,وقتلي شهادة ,و اخراجي من بلادي سياحة

Was können mir meine Feinde schon antun? Mein Paradies ist in meiner Brust, wohin ich gehe, es ist immer bei mir... (Ibn Taymiyya, Fatawa 35/36)

Literatur

Übersetzungen

  • Against the Greek logicians: Translated with an introduction and notes by Wael B. Hallaq Clarendon Press, Oxford 1993, ISBN 0-19-824043-0

Sekundärliteratur

  • Caterina Bori: Ibn Taymiyya: una vita esemplare. Analisi delle fonti classiche della sua biografia, Pisa 2003 (Rivista degli studi orientali ; 76.2002, Suppl. 1)
  • Henri Laoust: Essai sur les doctrines sociales et politiques de Taki-d-din Ahmad b. Taimiya. Kairo 1939
  • Niels Henrik Olesen: Etude comparée des idées d’Ibn Taimiya (1283-1328) et de Martin Luther (1483-1546) sur la culte des saints. In: REI. 50/1982, S. 175–206
  • T. Raff: Remarks on an anti-Mongol fatwa by Ibn Taimiyya, Leiden 1973

Weblinks

Einzelnachweise

  1. M.S. Seale: Qur'an and Bible. Studies in Interpretation and Dialogue. Croom Helm, London 1978, ISBN 0856648183, S. 106-107.

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